BGH Beschluss v. - VIII ZR 277/20

Beendeter Wohnraummietvertrag: Schadensersatzpflicht des Mieters wegen Nichtdurchführung von Schönheitsreparaturen; pauschales Bestreiten von Größenangaben in einem Kostenvoranschlag

Gesetze: § 28 Abs 4 BVO 2, § 280 Abs 1 S 1 BGB, § 280 Abs 3 BGB, § 281 Abs 1 BGB, § 535 BGB, §§ 535ff BGB, § 138 Abs 1 ZPO, § 138 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 13 S 209/18vorgehend AG Kerpen Az: 106 C 56/17

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt die Beklagte nach einem beendeten Mietverhältnis wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen auf Schadensersatz in Anspruch, den sie auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags berechnet.

2Die Beklagte war seit Dezember 2007 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in K.    . Nach dem Mietvertrag war die Beklagte zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet.

3Das Mietverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten zum . Mit Schreiben vom forderte die Klägerin die Beklagte mit Fristsetzung unter anderem zur Vornahme näher bezeichneter Schönheitsreparaturen auf. Dem kam die Beklagte nicht nach.

4Die Klägerin hat von der Beklagten Schadensersatz für nicht ausgeführte Schönheitsreparaturen in Höhe von 3.696,95 € netto unter Zugrundelegung des Kostenvoranschlags eines Malerbetriebs verlangt. Ihrer unter anderem auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichteten Klage hat das Amtsgericht stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

5Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.696,95 € nebst Zinsen, weil die Beklagte ihrer sich aus dem Mietvertrag ergebenden Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen innerhalb der von der Klägerin gesetzten Frist nicht nachgekommen sei. Nach der berufungsrechtlich nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei die Wohnung der Beklagten renoviert übergeben worden, so dass sie sich nicht darauf berufen könne, die Übertragung der Schönheitsreparaturen mittels eines Formularmietvertrags sei unwirksam. Eine schuldhafte Beweisvereitelung der Klägerin, die den Namen des Vormieters, der möglicherweise etwas zum - aus Sicht der Beklagten renovierungsbedürftigen - Zustand der Wohnung bei ihrer Übergabe hätte bekunden können, nicht mitgeteilt habe, sei nicht zu erkennen. Da die Beklagte die Wände nach ihrem Einzug bunt gestrichen habe, stehe auch fest, dass sie die Wohnung in einen Zustand versetzt habe, infolgedessen Schönheitsreparaturen erforderlich seien. Der von der Klägerin unter Zugrundelegung eines Kostenvoranschlags geforderte Betrag von (netto) 3.696,95 € sei - was das Berufungsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens entscheiden könne - erforderlich und angemessen.

6Schließlich sei es der Klägerin nicht verwehrt, den ihr entstandenen Schaden nach den fiktiven Mangelbeseitigungskosten zu bemessen. Zwar habe der VII. Zivilsenat des ) eine Bemessung des Schadens nach den fiktiven Mangelbeseitigungskosten für das Werkvertragsrecht verneint. Diese Entscheidung sei jedoch nicht auf das Mietrecht übertragbar. Einem Vermieter, der von einer Mangelbeseitigung absehe, stehe anders als einem Besteller das Instrument der Vergütungsminderung (§§ 634 Nr. 3, 638 BGB) nicht zur Verfügung. Anhand der voraussichtlich entstehenden Mangelbeseitigungskosten könne der Schaden relativ verlässlich und vorhersehbar bemessen werden. Zudem entstünden bei der Versagung einer fiktiven Abrechnung möglicherweise Anreize für den Mieter, seinen mietvertraglichen Pflichten nicht nachzukommen, wenn der von ihm andernfalls geschuldete Schadensersatz auf den Minderwert oder auf die tatsächlich aufgewandten Kosten beschränkt wäre.

7Mit der vom Berufungsgericht bezüglich der bejahten "Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Mietrecht" zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

II.

8Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den von der Klägerin wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen geltend gemachten Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bejaht und hierbei im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der formularmäßigen Übertragung der Schönheitsreparaturen auf die Beklagte dieser die Beweislast für die Überlassung einer unrenovierten Wohnung und damit für eine sich daraus ergebende Unwirksamkeit der Klausel auferlegt sowie in diesem Zusammenhang das Vorliegen der Voraussetzungen einer Beweisvereitelung der Klägerin wegen der Nichtbenennung des Vormieters verneint hat. Insoweit ist die Revision nicht statthaft (§ 542 Abs. 1, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), weil sie - entgegen der Auffassung der Revision - vom Berufungsgericht diesbezüglich nicht zugelassen worden ist. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage der Zulässigkeit der Bemessung des Schadens nach den "fiktiven" Mangelbeseitigungskosten und damit auf die Anspruchshöhe beschränkt.

91. Es hat die Revision ausweislich des Tenors sowie der Entscheidungsgründe wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) zugelassen, "soweit eine Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Mietrecht bejaht worden ist."

10Anders als die Revision meint, umfasst diese Zulassung - bei verständiger Auslegung der Urteilsformel (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 9) - nicht den "insoweit betroffenen abtrennbaren, selbständigen Teil des Prozessstoffs insgesamt", mithin den gesamten Anspruch auf Schadensersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen. Denn die vorgenannte Rechtsfrage ist lediglich bei der Bestimmung der Höhe des Schadens, nicht dagegen für das Vorliegen des Anspruchs dem Grunde nach von Bedeutung. Sie stellt sich damit nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs, so dass die Zulassung der Revision ausschließlich auf die Anspruchshöhe beschränkt ist (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom - VII ZR 46/17, BauR 2018, 555 Rn. 4; vom - VIII ZR 15/20, juris Rn. 8 f. mwN).

112. Diese Beschränkung der Zulassung der Revision ist auch wirksam. Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente unzulässig (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 121/17, WuM 2018, 723 Rn. 6; vom - VIII ZR 186/17, NJW-RR 2019, 130 Rn. 16; jeweils mwN). Anerkanntermaßen hat das Berufungsgericht jedoch die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 121/17, aaO; vom - VIII ZR 186/17, aaO; jeweils mwN).

12Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Bei einem nach Grund und Höhe streitigen Anspruch kann die Zulassung der Revision auch auf den Streit über die Anspruchshöhe beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - VIII ZR 334/13, juris Rn. 8; vom - VII ZR 46/17, aaO; vom - I ZR 120/20, juris Rn. 5 ff.; jeweils mwN). Denn bei der Anspruchshöhe handelt es sich um einen selbständigen Teil des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Streitstoff - hier dem Anspruchsgrund - beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 121/17, aaO Rn. 7; vom - VIII ZR 186/17, aaO Rn. 17; vom - VIII ZR 15/20, juris Rn. 11; jeweils mwN).

III.

131. Soweit das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, liegt ein Zulassungsgrund nicht (mehr) vor. Denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt einer der weiteren in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Revisionszulassungsgründe vor.

14Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage nach der fiktiven Bemessung des Schadens bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB im Mietrecht ist bereits geklärt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung im Mietrecht auch mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder für den Rückbau der Mietsache erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Kosten bemessen werden (vgl. , NJW-RR 2021, 803 Rn. 15; vom - XII ZR 108/03, NZM 2014, 306 Rn. 31; vom - VIII ZR 205/13, NJW 2014, 1653 Rn. 15; vom - XII ZR 12/13, NJW 2014, 920 Rn. 26; vom - VIII ZR 378/03, NZM 2005, 58 unter II 2 [zu § 326 BGB in der bis zum geltenden Fassung]).

15Soweit der VII. Zivilsenat des , BGHZ 218, 1) einer Bemessung des Schadens anhand von fiktiven Mangelbeseitigungskosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB eine Absage erteilt hat, hat er - nach Erlass des Berufungsurteils - klargestellt, dass die Ablehnung einer solchen Bemessung allein auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts, insbesondere dem Vorschussanspruch des Bestellers gemäß § 637 Abs. 3 BGB, beruht (vgl. , NJW 2021, 53 Rn. 19 ff.). Auf andere Vertragstypen sind diese Erwägungen nicht übertragbar (vgl. , NJW-RR 2021, 803 Rn. 15; vom - V ZR 33/19, BGHZ 229, 115 Rn. 21; Beschluss vom - VIII ZR 337/20 unter III 1, zur Veröffentlichung vorgesehen) und sollen es nach Ansicht des VII. Zivilsenats auch nicht sein (vgl. , aaO Rn. 78).

16Zwar gibt es anders als im Kaufrecht (vgl. , NJW 2022, 686 Rn. 95; vom - V ZR 33/19, aaO Rn. 11; Beschlüsse vom - VIII ZR 15/20, juris Rn. 14; vom - V ZR 33/19, ZIP 2020, 1073 Rn. 42) im Mietrecht einen mit § 637 Abs. 3 BGB vergleichbaren Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die (beabsichtigte) Selbstvornahme. Denn nach der Rechtsprechung des Senats besteht im laufenden Mietverhältnis unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Vorschussanspruch des Mieters bei Mietmängeln (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 163/18, BGHZ 226, 208 Rn. 14 mwN) und kann auch der Vermieter vom Mieter einen Vorschuss in Höhe der erforderlichen Renovierungskosten verlangen, wenn sich der Mieter mit der Durchführung der Schönheitsreparaturen in Verzug befindet (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588 Rn. 11 mwN). Solche Ansprüche stehen hier indes nicht in Rede, weil die Klägerin den Schadensersatzanspruch aus einem beendeten Mietverhältnis geltend macht (vgl. auch , aaO).

172. Die Revision hat - soweit sie eröffnet ist - auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat - entgegen der Auffassung der Revision - zutreffend angenommen, dass die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz wegen von der Beklagten nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 281 Abs. 1 BGB anhand der sogenannten fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen kann.

18a) Entgegen der Ansicht der Revision folgt Gegenteiliges nicht aus einer nach ihrer Auffassung gebotenen einheitlichen Sichtweise für alle Vertragstypen, weil sich die "eigentliche Grundlage für Schadensersatzansprüche statt der Leistung" im allgemeinen Schuldrecht finde, so dass die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zum Werkvertragsrecht auf andere Vertragstypen zu übertragen sei. Denn wie ausgeführt, ist bei der Frage der Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung durchaus den Besonderheiten einzelner Vertragstypen Rechnung zu tragen.

19b) Die Kosten zur Durchführung der Schönheitsreparaturen hat das Berufungsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens auf 3.696,95 € netto festgesetzt. Unter Zugrundelegung der rechtsfehlerfreien und insoweit unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei den von der Klägerin unter Vorlage eines Kostenvoranschlags geltend gemachten Renovierungsarbeiten sämtlich um Schönheitsreparaturen im Sinne der auch für den preisfreien Wohnraum maßgebenden Definition in § 28 Abs. 4 Satz 3 der Zweiten Berechnungsverordnung (vgl. , NJW 2009, 1408 Rn. 10; vom - VIII ZR 48/09, NJW 2010, 674 Rn. 11; vom - VIII ZR 163/18, BGHZ 226, 208 Rn. 31; jeweils mwN).

20Die Revision kann zur Begründung einer fehlenden Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten nicht mit Erfolg auf das (pauschale) Bestreiten der dem Kostenvoranschlag zugrunde gelegten Größen der Wandflächen und des Fußbodens durch die Beklagte verweisen. Denn das Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, der Beklagten, welche die Räumlichkeit zehn Jahre lang bewohnt habe, sei ein solches pauschales Bestreiten der Größen verwehrt (§ 138 Abs. 1, 2 ZPO). Zudem habe der Sachverständige die im Kostenvoranschlag in Ansatz gebrachten Mengen anhand der unstreitigen Wohnfläche von etwa 70 m² nachvollziehen können.

213. Die - zum Anspruchsgrund gehörenden - Rügen der Revision, das Berufungsgericht habe die Beweislast bezüglich des Renovierungszustands der Wohnung bei Überlassung an die Beklagte im Rahmen der Beurteilung der Wirksamkeit der Formularklausel, wonach die Schönheitsreparaturpflicht auf die Beklagte übertragen wurde (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 185/14, BGHZ 204, 302 Rn. 32), verkannt sowie zu Unrecht eine Beweisvereitelung der Klägerin, welche den Namen des Vormieters nicht mitgeteilt hat, verneint, können der Revision schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil das Berufungsgericht die Revision insoweit nicht zugelassen hat.

IV.

22Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:100522BVIIIZR277.20.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2022 S. 1460 Nr. 21
SAAAJ-25762