Kindergeld | Klagebefugnis nach Abhilfebescheid der Familienkasse im Klageverfahren/ kindergeldrechtliche Ausschlussfrist (BFH)
Setzt die Familienkasse in einem gegen einen Kindergeldaufhebungsbescheid gerichteten Klageverfahren Kindergeld für den vom Aufhebungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erfassten Regelungszeitraum fest, wird dieser Änderungsbescheid gem. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens und lässt die Klagebefugnis entfallen (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Streitig ist, ob eine von der Familienkasse aufgehobene Kindergeldfestsetzung durch eine nachfolgende befristete Kindergeldfestsetzung geändert oder ersetzt wird.
Im finanzgerichtlichen Verfahren wurde zunächst über den Kindergeldanspruch für den Zeitraum Oktober 2016 bis März 2018 gestritten.
Der Kläger ist der Vater seines im Juli 1994 geborenen Sohnes. Dieser war von Oktober 2015 bis September 2016 an einer Universität immatrikuliert, weshalb die Familienkasse für ihn Kindergeld festgesetzt hatte. Ab Januar 2017 nahm der Sohn an einem Fernstudium teil.
Mit Bescheid vom hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2016 mit der Begründung auf, dass der Sohn seine Ausbildung abgebrochen habe. Zudem forderte die Familienkasse das für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017 bereits ausbezahlte Kindergeld vom Kläger zurück. Der dagegen gerichtete Einspruch vom hatte keinen Erfolg.
Im sich anschließenden Klageverfahren erklärte die Familienkasse, dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abgeändert werde, dass für den Zeitraum Oktober 2016 bis März 2018 ein Kindergeldanspruch bestehe und Kindergeld in der jeweils geschuldeten Höhe gewährt werde. Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht mehr.
Nachdem beide Beteiligten den Rechtsstreit im Umfang der Änderung für erledigt erklärt hatten und dieser Teil des Verfahrens abgetrennt worden war, begehrte der Kläger, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid gleichwohl aufzuheben und so die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung wieder in Kraft zu setzen. Die Familienkasse beantragte die Klage abzuweisen. Sie sah sich nicht in der Lage, die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung wieder in Kraft zu setzen, und war der Auffassung, dass es für eine Kindergeldbewilligung ab April 2018 eines neuen Antrags des Klägers bedurft hätte.
Das FG hob den Aufhebungsbescheid insoweit auf, als er das Kindergeld ab April 2018 betraf ().
Der BFH hat die Revision der Familienkasse als begründet angesehen und das FG-Urteil aufgehoben:
Beim Kläger lag hinsichtlich des Kindergeldanspruchs ab April 2018 keine Klagebefugnis i. S. des § 40 Abs. 2 FGO vor.
Nach § 40 Abs. 2 FGO ist u.a. die Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
Im Streitfall ist die erforderliche Klagebefugnis durch den von der Familienkasse in der mündlichen Verhandlung erlassenen Änderungsbescheid entfallen.
Die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung vom wurde durch Bescheid vom aufgehoben. Auf den hiergegen gerichteten Einspruch wurde die Aufhebungsentscheidung sachlich geprüft und der Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom in vollem Umfang als unbegründet zurückgewiesen. Die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung war mit keiner vor März 2018 (Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung) endenden Befristung versehen. Der Aufhebungsbescheid und die Einspruchsentscheidung enthielten eine abweichende zeitliche Regelung nur hinsichtlich des Beginns des Aufhebungszeitraums (Oktober 2016). Die Familienkasse hat den Kindergeldanspruch daher nur für den Zeitraum Oktober 2016 bis einschließlich März 2018 geregelt. Entsprechend lag beim Kläger bei Erhebung der Klage nur hinsichtlich des Kindergelds für den Zeitraum Oktober 2016 bis einschließlich März 2018 die notwendige Klagebefugnis vor, weil die Familienkasse für den Zeitraum ab April 2018 noch keine negative Entscheidung getroffen hatte.
Durch den in der mündlichen Verhandlung erlassenen Änderungsbescheid vom wurde der Aufhebungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abgeändert, dass Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2016 bis März 2018 festgesetzt wurde. Dieser Änderungsbescheid wurde gem. § 68 Satz 1 FGO in vollem Umfang zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens, da er sich auf den bisherigen Aufhebungszeitraum beschränkte. Da sich der Regelungsumfang des Änderungsbescheids mit dem Regelungsumfang des Aufhebungsbescheids und der Einspruchsentscheidung deckte und das Kindergeld für den betreffenden Zeitraum in voller gesetzlicher Höhe gewährt wurde, ist die Klagebefugnis des Klägers durch den Änderungsbescheid entfallen. Die Klage hat sich daher in der Hauptsache erledigt (, Rz. 14; ).
Eine Klagebefugnis lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass für den nicht vom Aufhebungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erfassten Anspruchszeitraum gegebenenfalls ein weiterer Kindergeldantrag erforderlich ist, der von der Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG erfasst werden könnte.
Erlässt die Familienkasse in einem Rechtsstreit über die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung einen den gesamten Streitzeitraum umfassenden Abhilfebescheid, ist es zur Wahrung der in § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG geregelten Sechsmonatsfrist als ausreichend anzusehen, dass der Kindergeldberechtigte im Verwaltungs- oder im sich anschließenden Klageverfahren rechtzeitig zum Ausdruck gebracht hat, dass er Kindergeld auch für einen konkreten Zeitraum außerhalb des vom Abhilfebescheid erfassten Regelungsbereichs begehrt (obiter dictum).
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
SAAAJ-25587