BGH Urteil v. - 3 StR 238/21

Voraussetzungen der erweiterten Wertersatzeinziehung

Gesetze: § 73a Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB

Instanzenzug: Az: 3 StR 238/21 Beschlussvorgehend LG Wuppertal Az: 23 KLs 10/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen jeweils fünf Fällen des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt und mehrere Einziehungsentscheidungen getroffen.

2Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und eine Verfahrensbeanstandung gestützt. Auf dieses Rechtsmittel hat der Senat mit Beschluss vom das Urteil in den den Angeklagten betreffenden Aussprüchen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie sichergestellter Betäubungsmittel und Gegenstände teilweise geändert, teilweise aufgehoben und die Anordnungen entfallen lassen. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der im Urteil angeordneten erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 99.810 € sowie über die Kosten des Rechtsmittels hat der Senat vorbehalten und das Verfahren insoweit gemäß § 422 Satz 1 StPO aus Beschleunigungsgründen abgetrennt, weil eine Erledigung im Beschlusswege insoweit nicht in Betracht kam. Im Übrigen hat er die Revision verworfen.

3Das Revisionsverfahren hat in der Sache damit nur noch die Anordnung der erweiterten Einziehung von Wertersatz zum Gegenstand. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils entgegen der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Auffassung keinen Rechtsfehler aufgedeckt.

I.

4Das Landgericht hat festgestellt, dass sich der Angeklagte mit Mittätern zusammenschloss, um Betäubungsmittel aus den Niederlanden über Deutschland in das europäische Ausland zu verbringen und dort zu verkaufen. Von Januar bis Juli 2018 schmuggelte er auf sieben Fahrten insgesamt 80 kg Kokain und 92 kg Amphetamin nach Skandinavien, verfügte in zwei weiteren Fällen über größere Handelsmengen Kokain und betrieb eine Marihuana-Plantage. Die jeweiligen Verkaufserlöse wurden zu ihm verbracht und von ihm entgegengenommen. An Nettogewinn erwirtschaftete er durch die Taten wenigstens den nach § 73 Abs. 1, § 73c Abs. 1 StGB als Wertersatz eingezogenen Betrag von 14.200 €. Insoweit ist das Urteil - wie ausgeführt - rechtskräftig.

5Die hier in Rede stehende erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen hat das Landgericht darauf gestützt, dass beim Angeklagten 88.010 € Bargeld und ein von ihm für 26.600 € gekauftes Motorrad aufgefunden wurden. Die Werte rührten unzweifelhaft aus Betäubungsmittelgeschäften her, denn über legale Einkünfte in dieser Höhe habe der Angeklagte nicht verfügt. Das Kraftrad habe er in bar bezahlt, ohne dass damit Abbuchungen auf seinen Konten korrespondiert hätten. Der Angeklagte habe das Geld mit 27 Drogentransportfahrten zwischen Juli 2017 bis Mai 2018 verdient, die nach Art und Menge nicht konkretisierbar und von der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden seien.

6Die 99.810 € errechnen sich aus der Summe der beiden genannten Beträge, von denen die Strafkammer die als Wertersatz eingezogenen 14.200 € Gewinn aus den abgeurteilten Taten in Abzug gebracht hat. In diesem Zusammenhang hat sie ausgeführt, nicht ausschließbar stamme das sichergestellte oder das zum Kauf des Motorrads aufgewendete Geld aus den abgeurteilten Taten.

II.

7Die Anordnung der erweiterten Einziehung eines Betrags von 99.810 € nach § 73a Abs. 1, § 73c StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.

81. Das Landgericht hat mit dieser Einziehung Erlöse abgeschöpft, die der Angeklagte mit Drogenverkäufen erzielte, bei denen es sich um "andere rechtswidrige Taten" im Sinne des § 73a Abs. 1 StGB handelte. Die Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht aufklärbar ist, ob die Vermögenswerte aus den Anknüpfungs- oder anderen Taten stammen, die Herkunft aus rechtswidrigen Taten aber feststeht (s. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 219/20, juris Rn. 7 mwN; vom - 3 StR 122/22, juris Rn. 23). So liegt es hier. Die Urteilsgründe sind dahin zu verstehen, dass sich letztlich nicht hat aufklären lassen, ob die beim Angeklagten aufgefundenen Vermögenswerte aus den abgeurteilten oder anderen Transportfahrten herrühren, der Angeklagte sie aber sicher deliktisch erwirtschaftete.

9Zwar hat das Landgericht die Gelder zunächst den 27 nicht angeklagten Betäubungsmittelgeschäften zugeordnet. Die Urteilsgründe verhalten sich jedoch im Folgenden nicht dazu, weshalb die beim Angeklagten aufgefundenen Vermögensgegenstände gerade aus diesen 27 Taten stammen sollten. Nach den getroffenen Feststellungen erzielte er im Tatzeitraum durchweg hohe illegale Verkaufserlöse, wobei sich die eingestellten und die abgeurteilten Fälle zeitlich überschnitten. Die von der Strafkammer an anderer Stelle angestellte Überlegung, es sei nicht ausgeschlossen, dass das aufgefundene und das für den Motorradkauf aufgewendete Bargeld aus den abgeurteilten Taten stamme, hat sie zum Anlass dafür genommen, die als Wertersatz eingezogenen 14.200 €, die der Angeklagte durch die zehn festgestellten Fälle als Nettogewinn erwirtschaftete, von dem Wert der aufgefundenen Vermögensgegenstände abzuziehen. Anderenfalls hätte eine "doppelte Berücksichtigung" des Betrags gedroht (UA S. 94). An diesen Formulierungen wird deutlich, dass die konkrete Herkunft der Gelder im Prozess letztlich unklar geblieben ist.

10Selbst wenn die Gelder indes ausschließlich den 27 nicht angeklagten Betäubungsmittelgeschäften zugeordnet würden, wäre zu bedenken, dass das Landgericht beanstandungsfrei angenommen hat, diese Taten seien mangels Konkretisierbarkeit nicht im Wege eines subjektiven Strafverfahrens verfolgbar. Durch sie erlangte Erlöse wären mithin ohne Weiteres taugliches Objekt der erweiterten Einziehung (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 219/20, juris Rn. 7; vom - 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271 Rn. 8).

112. Das Landgericht hat außerdem hinreichend belegt, dass der Angeklagte durch die "anderen rechtswidrigen Taten" Einnahmen in Höhe von wenigstens 99.810 € erlangte. Insoweit haben ihm die beim Angeklagten aufgefundenen Vermögenswerte als Bemessungsgrundlage gedient. Die Strafkammer hat nachvollziehbar begründet, dass ein dem sichergestellten Bargeld entsprechender Betrag und der für das Motorrad aufgewendete Kaufpreis nicht aus legalen Quellen stammen konnten. Aus diesem Umstand hat sie geschlossen, dass der Angeklagte in zumindest diesem Umfang Profit aus nicht konkret feststellbaren Betäubungsmittelverkäufen erzielt hatte. Das Landgericht hat mithin zutreffend nicht den Wert der Surrogate, sondern denjenigen des ursprünglich Erlangten eingezogen.

123. Schließlich hatte der Angeklagte sowohl das Geld als auch das Motorrad zum Zeitpunkt der Begehung der Anknüpfungstaten in seiner Verfügungsgewalt. Dies ergibt sich für beide Gegenstände ohne Weiteres aus dem Umstand, dass sie bei ihm anlässlich seiner Festnahme und damit zu einem Zeitpunkt aufgefunden wurden, in dem er jedenfalls noch die Marihuana-Plantage betrieb, aufgrund derer ihn das Landgericht zu einer Einzelfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt hat.

13Die Anwendung des § 73a Abs. 1 i.V.m. § 73c Satz 1 StGB setzt voraus, dass der durch die anderen rechtswidrigen Taten erlangte Gegenstand oder sein Surrogat bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des betroffenen Täters oder Teilnehmers vorhanden war (s. insgesamt BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 447/20, BGHR StGB § 73c nF Anwendungsbereich 1 Rn. 10; vom - 3 StR 238/21, juris Rn. 13 f. mwN). Der Kaufzeitpunkt des Motorrads ist deshalb entgegen der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts geäußerten Rechtsmeinung nur insoweit maßgeblich, als er nicht nach den Anlasstaten gelegen haben darf. Denn dann wäre der inkriminierte Vermögenszuwachs unter Umständen erst im Anschluss an das abgeurteilte Geschehen eingetreten. Dies ist ausweislich der vom Landgericht getroffenen Feststellungen auszuschließen.

14Es ist daran festzuhalten, dass in Fallkonstellationen wie der vorliegenden nach dem seit dem geltenden neuen Vermögensabschöpfungsrecht weder das Surrogat noch sein Wert eingezogen werden dürfen (st. Rspr.; s. etwa , juris Rn. 3 mwN), der Wert des ursprünglich Erlangten gleichwohl der erweiterten Einziehung unterliegt (, wistra 2022, 83 Rn. 14 mwN; missverständlich insoweit Zivanic, wistra 2022, 162, 163). Denn der Reformgesetzgeber hat nur die Regelung über den erweiterten Verfall des Surrogats ersatzlos gestrichen. Es ist auszuschließen, dass er damit zugleich beabsichtigte, den Anwendungsbereich der erweiterten Wertersatzeinziehung einzuschränken und künftig dem Täter der Anknüpfungstat die im Zeitpunkt deren Begehung bei ihm eingetretene anderweitig strafrechtswidrige Vermögensmehrung generell zu belassen (, aaO). Ein Mehrfachtäter könnte anderenfalls allein durch Investition seiner illegalen Gewinne deren Abschöpfung verhindern. Dies liefe dem Ziel der Gesetzesreform zuwider, "die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden" (BT-Drucks. 18/9525 S. 45).

154. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der eingangs aufgezeigte geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:220922U3STR238.21.0

Fundstelle(n):
wistra 2023 S. 121 Nr. 3
CAAAJ-25040