Vergütung des Insolvenzverwalters: Verwirkung des Vergütungsanspruchs bei schwerer Treuepflichtverletzung
Gesetze: Art 12 Abs 1 GG, § 1 InsVV, §§ 1ff InsVV, § 654 BGB
Instanzenzug: LG Limburg Az: 7 T 48/18vorgehend AG Limburg Az: 9 IN 34/14
Gründe
I.
1Mit Beschluss vom ordnete das Insolvenzgericht die vorläufige Verwaltung des Vermögens der G. UG (im Folgenden: Schuldnerin) an, bestellte H. zum vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte ihn zusätzlich mit Prüfungsaufgaben als Sachverständiger nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 2 InsO. Mit Beschluss vom wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und H. (im Folgenden: früherer Insolvenzverwalter) zum Insolvenzverwalter bestellt. Auf eigenen Antrag entließ ihn das Insolvenzgericht durch Beschluss vom aus seinem Amt und bestellte den weiteren Beteiligten zu 2 zum neuen Insolvenzverwalter. Über das Vermögen des früheren Insolvenzverwalters wurde am das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt.
2Mit Schreiben vom hatte der frühere Insolvenzverwalter die Festsetzung seiner Vergütung und Auslagen in Höhe von 2.131,19 € beantragt. Das Amtsgericht hat den Vergütungsanspruch als verwirkt angesehen und den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 den Vergütungsanspruch des früheren Insolvenzverwalters weiter.
II.
3Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 4, 6 Abs. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO) und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
41. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der frühere Insolvenzverwalter habe seinen Vergütungsanspruch verwirkt, weil er eine strafbare Untreue zum Nachteil der Insolvenzmasse begangen habe. Zur Erfüllung des ihm im vorläufigen Insolvenzverfahren erteilten Gutachtenauftrags habe er sich des Sachverständigen- und Auktionatorenbüros B. GmbH bedient und dieses selbst beauftragt. Folgerichtig habe er den ihm dafür von der B. GmbH im März 2014 in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 289,75 € mit dem Vergütungsantrag für seine Sachverständigentätigkeit als ihm angefallene eigene sonstige Aufwendung gegenüber dem Insolvenzgericht geltend gemacht und erstattet erhalten. Gleichwohl habe er im Oktober 2014 selbst eine Überweisung aus der Insolvenzmasse der Schuldnerin auf die an ihn gerichtete Rechnung vorgenommen. Eine Schädigung der Schuldnerin als Trägerin der Masse habe er dabei zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen. Nach eigener Einlassung habe der frühere Insolvenzverwalter Buchungen vorgenommen, ohne zuvor Einsicht in die Verfahrensbuchhaltung zu nehmen; er habe aus der Erinnerung und in der Annahme verfügt, es sei noch keine Verfügung erfolgt. Nach den Angaben des Beteiligten zu 1 in der von ihm gegen den früheren Insolvenzverwalter gestellten Strafanzeige und in seinen Berichten als Insolvenzverwalter sei der Einzug von Auslagen für die B. GmbH bei der Staatskasse und die spätere Begleichung ihrer Rechnungen aus der Insolvenzmasse oder die spätere Verrechnung mit von ihr erzielten Verwertungserlösen kein Einzelfall, sondern mehrfach geübte Praxis gewesen. Zudem sei es in 18 Insolvenzverfahren des früheren Insolvenzverwalters zu Vergütungsentnahmen ohne Gerichtsbeschluss und zu überhöhten oder doppelten Entnahmen gekommen.
5Auch wenn der veruntreute Betrag im vorliegenden Verfahren verhältnismäßig gering sei, sei der Vergütungsanspruch des früheren Insolvenzverwalters verwirkt. Wesentlich sei, dass er selbst bei geringen Beträgen seine Hauptpflicht als Insolvenzverwalter missachtet habe, die Masse zu sichern und zu erhalten.
62. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
7a) Der Insolvenzverwalter verwirkt seinen Anspruch auf Vergütung entsprechend dem der Regelung in § 654 BGB zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsgedanken, wenn er vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als "unwürdig" erweist (, BGHZ 159, 122, 131 f). Da der Insolvenzverwalter einen gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit hat, kommt ein Ausschluss der Vergütung bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Es genügt nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung. Die Versagung jeglicher Vergütung kommt vielmehr nur bei einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht in Betracht. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der Insolvenzverwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen hat (, WM 2016, 1610 Rn. 6; vom - IX ZB 14/18, WM 2019, 39 Rn. 16).
8b) Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO) hat der frühere Insolvenzverwalter den ihm von der B. GmbH in Rechnung gestellten Betrag mittels Überweisung von dem Verfahrenskonto der Schuldnerin beglichen und hierdurch die Insolvenzmasse verkürzt. Unerheblich ist, ob die persönliche Schuld des früheren Insolvenzverwalters zum Zeitpunkt der Überweisung am noch offen war und ob dem früheren Insolvenzverwalter der Rechnungsbetrag bereits vor dem von der Staatskasse erstattet worden war. In jedem Fall durfte die Rechnung nicht von dem Verfahrenskonto beglichen werden, weil keine Rechtsbeziehung zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter oder der B. GmbH und der Schuldnerin als Trägerin der Insolvenzmasse bestand. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, scheitert die Annahme eines Vermögensnachteils der Schuldnerin auch nicht daran, dass ihr ein Bereicherungsanspruch gegen die B. GmbH zustehen könnte, weil auch die konkrete, wirtschaftlich schon zu einer gegenwärtigen Minderbewertung führende Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellt.
9Die Feststellung des Beschwerdegerichts, dass der frühere Insolvenzverwalter bewusst eine masseschädigende Untreuehandlung begangen oder diese zumindest billigend in Kauf genommen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Wissen und das Wollen des früheren Insolvenzverwalters stellen innere Tatsachen dar, die mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden können. Es obliegt dem Tatrichter, die maßgeblichen Tatsachen gemäß § 4 InsO, § 286 ZPO festzustellen und zu würdigen. Das Ergebnis dieser Würdigung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob sich der Tatrichter umfassend und widerspruchsfrei mit dem Verfahrensstoff auseinandergesetzt hat, ob die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Übergangenen Vortrag oder einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze weist die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht nach und sind auch nicht ersichtlich.
10Die Verwirkung des Vergütungsanspruchs ist unter den gegebenen Umständen trotz des verhältnismäßig geringen Schadens zum Nachteil der Masse auch nicht unverhältnismäßig. Nach dem vom Beschwerdegericht selbst festgestellten Sachverhalt hat der frühere Insolvenzverwalter in dem vorliegenden Insolvenzverfahren eine Untreue zum Nachteil der Masse begangen und darüberhinaus in zahlreichen weiteren von ihm geführten Insolvenzverfahren in vergleichbarer Weise seine Hauptpflicht verletzt, die Insolvenzmasse zu sichern und zu erhalten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:150822BIXZB17.21.0
Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 9 Nr. 45
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2022 S. 3024
ZIP 2022 S. 2397 Nr. 47
ZAAAJ-24740