Täter-Opfer-Ausgleich: Friedensstiftende Akzeptanz eines Adhäsionsvergleichs ohne volles Geständnis
Gesetze: § 46a Nr 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 176a Abs 2 Nr 1 aF StGB, § 176a Abs 3 aF StGB
Instanzenzug: LG Offenburg Az: 8 KLs 204 Js 12521/21 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht, mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften und wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2Der Strafausspruch hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand, da die Strafzumessung durchgreifend lückenhaft ist:
3a) Zum Ende der Feststellungen und in der Strafzumessung wird der „Abschluss eines Adhäsionsvergleichs“ erwähnt, „mit dem er [der Angeklagte] sich zur Zahlung eines erheblichen Schmerzensgeldes [10.000 €] an die Verletzte verpflichtete“ und dadurch „Verantwortung für sein Handeln übernommen hat“ (UA S. 23). Damit haben sich jedenfalls für den Fall II. 1. der Urteilsgründe, die schwerwiegendste Tat, die Prüfung des vertypten Strafmilderungsgrundes des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB und die sich gegebenenfalls daran anschließende Frage, ob der Strafrahmen des § 176a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 StGB aF nach Ausübung des tatgerichtlichen Ermessens zu verschieben war (§ 49 Abs. 1 StGB), aufgedrängt. Zwar muss ein Vergleichsabschluss nicht zwingend bedeuten, dass das Opfer mit seiner Zustimmung diesen als friedensstiftenden Ausgleich ansieht (vgl. Rn. 9; Urteil vom – 5 StR 107/18 Rn. 11; vgl. auch , BGHSt 48, 134, 143 f., 147 und vom – 2 StR 561/07, BGHR StGB § 46a Voraussetzungen 1). Indes kann der Senat mangels weiterer Ausführungen nicht beurteilen, wie sich die geschädigte Tochter zu den Wiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten verhalten und ob dem Adhäsionsvergleich ein kommunikativer Prozess zugrunde gelegen hat.
4Angesichts der vom Landgericht gewählten Formulierung ‚Übernahme von Verantwortung‘ als zentralen Gesichtspunkts eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs ist § 46a Nr. 1 StGB nicht schon deshalb auszuschließen, weil der Angeklagte nicht voll geständig war; er hat ein Eindringen mit dem Penis nach dem eingeräumten Kontakt mit der Scheide abgestritten. Ein umfassendes Geständnis ist zwar regelmäßig, aber nicht unabdingbar Voraussetzung (vgl. , BGHSt 48, 134, 141 f.); stets ist eine wertende Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich (BGHSt aaO; Rn. 13).
5b) Die Aufhebung der Einsatzstrafe zieht hier die Aufhebung aller Einzelstrafen nach sich, um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es indes nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich und zu den Einzelheiten des Adhäsionsvergleichs geboten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:090822B1STR254.22.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-24698