Sozialgerichtliches Verfahren - ehrenamtlicher Richter - Wegfall einer Voraussetzung für die Berufung während der laufenden Amtszeit - Entscheidung über Entbindung - paritätische Besetzung des Spruchkörpers
Gesetze: § 22 Abs 1 S 3 SGG, § 12 Abs 2 SGG, § 12 Abs 3 SGG, § 12 Abs 4 SGG, § 33 Abs 1 S 2 SGG, § 40 S 1 SGG
Gründe
1I. Die ehrenamtliche Richterin H ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundessozialgerichts dem 2. Senat, dem 4./11. Senat und dem Großen Senat als ehrenamtliche Richterin aus dem Kreis der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zugewiesen. Sie hat ihre berufliche Tätigkeit als Geschäftsführerin im B-verband e.V., aufgrund derer sie zuletzt am als ehrenamtliche Richterin aus dem Kreis der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (vom bis ) berufen worden ist, während der laufenden Amtsperiode beendet.
2II. Die ehrenamtliche Richterin bleibt auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin im B-verband e.V. ehrenamtliche Richterin aus dem Kreis der Arbeitgeber. Die Voraussetzungen für ihre Entbindung vom Amt einer ehrenamtlichen Richterin liegen nicht vor.
3Seit der Neufassung von § 22 SGG durch Art 10 Nr 2a Buchst a des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom (BGBl I 1248) ist ein ehrenamtlicher Richter gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGG bei Wegfall einer Voraussetzung für seine Berufung im Laufe seiner Amtszeit nicht von seinem Amt zu entbinden, es sei denn, eine paritätische Besetzung nach § 12 Abs 2 bis 4 SGG kann anderenfalls nicht gewährleistet werden; Satz 1 und 2 sowie § 18 Abs 3 Satz 2 SGG bleiben unberührt (vgl bereits ).
4H bleibt hiernach - vorbehaltlich etwaiger zukünftiger Änderungen - bis zum Ablauf ihrer Amtsperiode weiterhin ehrenamtliche Richterin aus dem Kreis der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Die hier maßgebliche paritätische Besetzung nach § 12 Abs 2 iVm § 33 Abs 1 Satz 2 und § 40 Satz 1 SGG ist weiterhin gewährleistet.
5In den Senaten - wie hier dem 2. und dem 4./11. Senat -, die für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung zuständig sind, gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. In diesen Senaten ist eine paritätische Besetzung dann nicht mehr gewährleistet, wenn etwa ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Versicherten seine Beschäftigung aufgibt und eine selbstständige Tätigkeit aufnimmt, er also dem Kreis der Arbeitgeber zugehörig wird, oder umgekehrt (vgl dazu BT-Drucks 19/19037 S 60). Ein ehrenamtlicher Richter bleibt damit seinem bisherigen Kreis trotz Wegfalls der Berufungsvoraussetzungen zugerechnet, solange er nicht in das "gegnerische" Lager wechselt. Letzteres liegt hier nicht vor, da die ehrenamtliche Richterin vorliegend auch nach ihrem Ausscheiden als Geschäftsführerin im B-verband e.V. nach § 16 Abs 3 bis 5 SGG jedenfalls nicht dem Kreis der Versicherten zuzuordnen ist. Sie ist weiterhin als Rechtsanwältin selbstständig tätig und privat versichert.Schlegel Estelmann Geiger
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:060522BB1SF122S0
Fundstelle(n):
NAAAJ-24569