Online-Nachricht - Donnerstag, 13.10.2022

Kindergeld | Ausschlussfrist bei Wanderarbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten der EU (BFH)

Stellt ein Wanderarbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch im Inland erfüllt, seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der in § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG vorgesehenen sechsmonatigen Ausschlussfrist, kann sein Auszahlungsanspruch erst abgelehnt werden, wenn festgestellt wird, dass weder der Wanderarbeitnehmer selbst noch eine andere berechtigte Person für das betreffende Kind im Heimatland des Kindes einen die Frist wahrenden Antrag auf Kindergeld oder eine vergleichbare ausländische Familienleistung gestellt haben (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (SozialMissbrG) vom (BGBl I 2019, 1066, BStBl I 2019, 814) erfolgt die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Vorschrift ist nach § 52 Abs. 50 EStG i.d.F. des SozialMissbrG auf nach dem eingehende Kindergeldanträge anzuwenden.

Sachverhalt: Streitig ist der Kindergeldanspruch des Klägers, der rumänischer Staatsbürger ist und im März 2019 bis Mai 2019 in Deutschland als Wanderarbeiter tätig war. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hatten das Kindergeld mit Schreiben v. beantragt, welches bei der Familienkasse am eingegangen ist. Die Familienkasse lehnte eine Kindergeldfestsetzung für März und April 2019 ab. Eine Auszahlung nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG sei nur sechs Monate rückwirkend vor Antragstellung möglich. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG bleibe von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz im Ergebnis keinen Erfolg.

Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und wiesen die Sache an das FG zurück.

  • Das FG ist auf der Basis der getroffenen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund des Eingreifens der Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG keinen Anspruch auf Auszahlung des Differenzkindergelds für März und April 2019 hat.

  • Zwar ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der vom Kläger gestellte und am bei der Familienkasse eingegangene Antrag die Sechsmonatsfrist für die Monate März und April 2019 nicht wahrt. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob im Heimatland des Klägers (Rumänien) vom Kläger oder einer anderen berechtigten Person ein diese Frist wahrender Antrag gestellt wurde.

  • Stellt ein Wanderarbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch im Inland erfüllt, seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der in § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG vorgesehenen sechsmonatigen Ausschlussfrist, kann sein Auszahlungsanspruch erst abgelehnt werden, wenn festgestellt wird, dass weder der Wanderarbeitnehmer selbst noch eine andere berechtigte Person für das betreffende Kind im Heimatland des Kindes einen die Frist wahrenden Antrag auf Kindergeld oder eine vergleichbare ausländische Familienleistung gestellt haben.

  • Bezieht der Wanderarbeitnehmer oder eine andere berechtigte Person laufend Familienleistungen für das betreffende Kind, genügt es für einen nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Antrag auch, dass der Wanderarbeitnehmer oder eine andere berechtigte Person gegenüber dem zuständigen Träger des Heimatlandes innerhalb der Sechsmonatsfrist den durch die in Deutschland ausgeübte Tätigkeit entstandenen grenzüberschreitenden Sachverhalt anzeigt und hierdurch die Durchführung des Koordinierungsverfahrens ermöglicht.

  • Die Feststellungen zum Vorliegen eines Antrags oder einer Mitteilung beim ausländischen Träger sind durch an diesen gerichtetes Auskunftsersuchen zu treffen. Der Anspruchsteller trägt die Feststellungslast (objektive Beweislast) hinsichtlich der Nichterweislichkeit eines entsprechenden Antrags oder einer entsprechenden Mitteilung.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
WAAAJ-23863