Umsatzsteuer | Vorsteuerabzug und Personalabbau (BFH)
Bezieht der Unternehmer für einen
von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog.
Outplacement-Unternehmen, mit denen unkündbar und unbefristet Beschäftigte
individuell insbesondere durch sog. Bewerbungstrainings bei der Begründung
neuer Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden sollen, ist der Unternehmer
aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt
(; veröffentlicht am
).
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine AG mit zahlreichen Tochtergesellschaften, die mit ihr organschaftlich verbunden sind. In den Streitjahren 2009 bis 2011 war sie nach ihrer Umsatztätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten beabsichtigte die Klägerin, Personal abzubauen. Ihre Mitarbeiter waren allerdings zu einem großen Teil unkündbar und unbefristet beschäftigt. Der Personalabbau konnte daher nur auf freiwilliger Basis mit Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter zur Aufhebung ihrer Arbeits- oder Dienstverträge erfolgen.
Die Klägerin beauftragte (ebenso wie ihre Organgesellschaften) sog. Outplacement-Unternehmen, die sie bei der Erreichung ihrer Personalabbauziele unterstützten. Diese Unternehmen sollten Mitarbeiter individuell betreuen, fachlich beraten und organisatorisch bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz unterstützen, damit diese freiwillig ihre bisherigen Beschäftigungsverhältnisse aufgaben. Dies umfasste eine Basisberatung, eine Standortanalyse des Mitarbeiters, eine Perspektiv- und Motivationsberatung, Vermittlungstätigkeiten zur Begründung eines neuen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, ein sog. ganzheitliches Placement mit Finanzberatung sowie ein sog. Newplacement mit Beratungsprogramm. Die Kosten trugen die Klägerin und ihre Organgesellschaften. Aus den Leistungen der Outplacement-Unternehmen machte die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend, die das FA nur insoweit anerkannte, als er auf die allgemeine Beratung und auf sog. Erfolgspauschalen entfiel. Demgegenüber versagte es den Vorsteuerabzug aus den personenbezogenen Beratungsleistungen, da die von der Klägerin bezogenen Leistungen durch die individuelle Beratung speziell auf die künftige berufliche Entwicklung der Beschäftigten, die individuell mental gestärkt werden sollten, zugeschnitten gewesen seien.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg (Vorinstanz: ).
Die Klägerin ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Bezieht der Unternehmer für einen von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog. Outplacement-Unternehmen, mit denen unkündbar und unbefristet Beschäftigte individuell insbesondere durch sog. Bewerbungstrainings bei der Begründung neuer Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden sollen, ist der Unternehmer aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Der Unternehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt.
Dabei muss der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz vorliegen, der z.B. zur wirtschaftlichen Gesamttätigkeit bestehen kann (, BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, Rz 21, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).
Beabsichtigt der Unternehmer bereits beim Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 9a UStG zu verwenden, ist er allerdings nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (u.a. , BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53,
Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass für die Klägerin ein vorrangiges Unternehmensinteresse bestand, hinter dem das Interesse des Beschäftigten an der Outplacementberatung zurücktrat.
Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:
Der Fall betrifft die Berechtigung des Unternehmers zum Vorsteuerabzug aus dem Bezug sog. Outplacementberatungen für Mitarbeiter, die der Unternehmer freisetzen möchte. Umsatzsteuerrechtlicher Hintergrund ist Folgender: Für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz vorliegen. Beabsichtigt der Unternehmer bereits beim Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 9a UStG - z.B. für die unentgeltliche Erbringung einer sonstigen Leistung für den privaten Bedarf seines Personals -, besteht keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Entscheidend ist daher, ob ein vorrangiges Unternehmensinteresse der Klägerin an den Outplacementberatungen bestand oder ob das Interesse ihrer Beschäftigten an diesen Beratungen überwog.
Bei der hierbei erforderlichen Würdigung hat sich das FA vergaloppiert. Denn die Besonderheit des Falles bestand darin, dass es sich durchweg um unkündbare Arbeitsverhältnisse handelte. Die Beschäftigten konnten also ohne ihre Zustimmung gar nicht freigesetzt werden. Es ist unschwer zu erkennen, dass der Entstehungsgrund für den Leistungsbezug (die Outplacementberatungen) in diesem Fall das unternehmerische Ziel des Personalabbaus, nicht aber ein Zuwendungswillen gegenüber den Beschäftigten war.
Das Interesse der Klägerin am Personalabbau überwog den Vorteil, der sich für ihre Beschäftigten an der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ergab. Das folgt in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation schon daraus, dass für die (unkündbar) Beschäftigten gar keine Veranlassung für einen Arbeitgeberwechsel bestand. Hintergrund der Outplacementberatungen war das unternehmerische Ziel der Klägerin, Beschäftigte, deren gegenwärtige Betätigung aus unternehmerischen Gründen beendet werden sollte, denen aber nicht gekündigt werden konnte, davon zu überzeugen, einer Auflösung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zuzustimmen.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
VAAAJ-23859