Verfahrensrecht | Anspruch auf Prozesszinsen (BFH)
Ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO besteht nicht für den Zeitraum, in dem während eines Klageverfahrens die Vollziehung des Steuerbescheids aufgehoben wurde und die Finanzbehörde daraufhin den Steuerbetrag an den Steuerpflichtigen zurückgezahlt hat (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Streitig ist, ob der Anspruch auf Prozesszinsen für eine auf Basis einer nichtigen Norm erhobene Steuer auch den Zeitraum der gerichtlichen Gewährung und Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung während des Hauptsacheverfahrens umfasst: Die Klägerin berechnete im Dezember 2011 in ihrer Steueranmeldung vom Kernbrennstoffsteuer in Höhe von insgesamt X € und erhob hiergegen Sprungklage zum FG. Am zahlte die Klägerin die Steuerforderung entsprechend ihrem Anteil.
Im Dezember 2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung (AdV), dem das FG stattgab. Aufgrund dessen erstattete das HZA im Mai 2014 der Klägerin die gezahlte Steuer. Nachdem der BFH den Beschluss des FG aufgehoben und den Antrag auf AdV abgelehnt hatte, zahlte die Klägerin die ihr erstattete Steuer am zurück.
Mit Beschluss v. - 2 BvL 6/13 erklärte das BVerfG das Kernbrennstoffsteuergesetz für mit Art. 105 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG unvereinbar und nichtig. Daraufhin hob das beklagte HZA die angefochtene Steueranmeldung auf und zahlte am die entrichtete Steuer zurück.
Mit Bescheid v. setzte der Beklagte Prozesszinsen fest. Diese Festsetzung bezog sich auf den Zeitraum vom bis zum abzüglich der Zeitspanne vom bis zum , innerhalb derer die von der Klägerin entrichtete Steuer aufgrund der AdV erstattet worden war.
Die Klage auf Gewährung weiterer Prozesszinsen hatte sowohl vor dem FG () als auch vor dem BFH keinen Erfolg:
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Prozesszinsen gemäß § 236 Abs. 1 AO für den Zeitraum zu, in dem ihr die Steuer aufgrund einer AdV (vorübergehend) erstattet worden war.
Aus der Entstehungsgeschichte und Entwicklung des § 236 AO ergibt sich, dass der Gesetzgeber von Anfang an die Verzinsung auf gezahlte Beträge beschränken und die Gewährung von Prozesszinsen als eine Billigkeitsregelung für die Fälle vorsehen wollte, in denen dem Steuerpflichtigen während eines gerichtlichen Verfahrens ein entrichteter Betrag - möglicherweise für einen längeren Zeitraum - vorenthalten bleibt, weil die Erhebung der Klage gemäß § 69 Abs. 1 FGO keinen Suspensiveffekt hat. Demzufolge besteht die Pflicht zur Verzinsung gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO bis zum Auszahlungstag.
Auch der Sinn und Zweck der Regelung trägt diese Sichtweise: Der Sinn und Zweck des § 236 AO besteht darin, dem Steuerpflichtigen einen Ausgleich dafür zu gewähren, dass er über den gezahlten Betrag nicht verfügen kann, weil er diesen aufgrund des fehlenden Suspensiveffekts der Klage zu zahlen hat (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Wird dem Steuerpflichtigen der gezahlte Betrag jedoch aufgrund der AdV des Abgabenbescheids zumindest vorübergehend zurückgezahlt, wird er dadurch in die Lage versetzt, über das Geld zu verfügen und damit zu wirtschaften, weshalb sich die vorübergehende Erstattung einer Steuer positiv auf die Liquidität des Steuerpflichtigen auswirkt.
Eine Verzinsung auch für diesen Zeitraum würde demnach zu einer Überkompensation führen und stünde daher im Widerspruch zum Sinn und Zweck der Regelung und zu den Motiven des Gesetzgebers.
Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen hat die Klägerin keinen weiteren Anspruch auf die Gewährung von Prozesszinsen gemäß § 236 AO, weil ihr die entrichtete Steuer aufgrund der AdV für den streitgegenständlichen Zeitraum vom bis zum erstattet worden war.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
LAAAJ-23858