BGH Beschluss v. - EnVR 78/20

Instanzenzug: Az: EnVR 78/20 Beschlussvorgehend Az: VI-3 Kart 759/19 (V)

Gründe

1I. Die Betroffene, die für die Lieferung von Erdgas Transportdienstleistungen deutscher Fernleitungsnetzbetreiber nutzt, hat die Festlegung der Bundesnetzagentur vom zur Regelung einer marktgebietsweiten Referenzpreismethode betreffend das Marktgebiet GASPOOL (Az.: BK9-18/611-GP) mit der Beschwerde angegriffen, welche das Beschwerdegericht zurückgewiesen hat. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat der zurückgewiesen und ihr auferlegt, die im Rechtsbeschwerdeverfahren notwendigen Auslagen sowohl der Bundesnetzagentur als auch der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 zu erstatten.

2Mit Schriftsatz vom hat die Betroffene beantragt, in Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung die notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 nicht tragen zu müssen. Mit der durch weiteren Schriftsatz vom erhobenen Anhörungsrüge hat die Betroffene beantragt, das Verfahren im Hinblick auf die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit dem Ziel fortzusetzen, die notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten nicht tragen zu müssen. Sie macht geltend, der Kostenausspruch sei insoweit überraschend. Das Beschwerdegericht habe mit Recht davon abgesehen, ihr die Erstattung der im Beschwerdeverfahren angefallenen notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten aufzugeben.

3II. Die Rechtsbehelfe der Betroffenen bleiben ohne Erfolg. Dies gilt sowohl für die Anhörungsrüge (dazu 1.) als auch für den als Gegenvorstellung zu behandelnden, nicht näher bezeichneten Rechtsbehelf aus dem Schriftsatz vom (dazu 2.).

41. Die gemäß § 83a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EnWG statthafte und auch im Übrigen form- und fristgerecht erhobene Anhörungsrüge der Betroffenen ist zulässig, aber unbegründet.

5a) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil es, anders als die Betroffene meint, keines gesonderten Hinweises auf die beabsichtigte Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens bedurfte. Dies ergibt sich aus dem im energiewirtschaftsrechtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren (, ZNER 2008, 222 Rn. 80 - Rheinhessische Energie; van Rossum in: Assmann/Peiffer, BeckOK EnWG, 3. Ed., § 85 Rn. 5) Grundgedanken des § 139 Abs. 2 ZPO (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 106/02, NVwZ 2003, 1123 Rn. 10; vom - 9 BN 9/18, NVwZ-RR 2020, 658 Rn. 42, zur Verwaltungsgerichtsordnung). Nach diesem Grundsatz, der die aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anforderungen an die Verfahrensgestaltung konkretisiert (, NJW 2020, 2730 Rn. 13; BVerfGE 36, 85, 88; , NJW 2017, 3218 Rn. 50, mwN), erstreckt sich die gerichtliche Hinweispflicht nicht auf Nebenentscheidungen (, juris Rn. 2; Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 7/5499, S. 1; s.a. Kern in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 139 Rn. 82).

6Besonderheiten, die ausnahmsweise eine Hinweispflicht begründen könnten (vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 1552/14, AnwBl 2016, 852 Rn. 7 ff.; vom - 2 BvR 2283/18, NJW 2019, 3294 Rn. 24 ff.), sind nicht gegeben. Die anwaltlich vertretene Betroffene konnte nach dem Prozessverlauf nicht darauf vertrauen, dass im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Erstattung der notwendigen Auslagen der weiteren Beteiligten nach § 90 EnWG nicht in Betracht kam. Die Frage nach der Kostenerstattung war bereits im Beschwerdeverfahren sowohl von den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich als auch vom Beschwerdegericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses erörtert worden. Nachdem das Beschwerdegericht die weiteren Beteiligten am Beschwerdeverfahren beteiligt hatte und diese bereits deshalb ohne weitere Prüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Beteiligung im Beschwerdeverfahren Anspruch auf Beteiligung im Rechtsbeschwerdeverfahren hatten, war die Entscheidung gemäß § 90 EnWG für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen nach Billigkeit unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen und des tatsächlichen Umfangs der Beteiligung (, WuW/E BGH 2627, 2643 - Sportübertragungen, insoweit nicht in BGHZ 110, 371 abgedruckt, zu § 77 GWB aF [jetzt § 71 GWB]) erneut zu treffen. Vor diesem Hintergrund musste die anwaltlich vertretene Betroffene als eine gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligte alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen, ihren Vortrag darauf einstellen (vgl. nur BVerfGE 98, 218, 263; BVerfG, AnwBl 2016, 852 Rn. 7; , WRP 2022, 720 Rn. 63 - Kinderzahnärztin; , juris Rn. 36 f.) und mit einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsbeschwerdegericht rechnen, auch wenn die weiteren Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts keine Stellung bezogen hatten.

7b) Ungeachtet dessen ist die Kostenentscheidung nach den dafür maßgeblichen Grundsätzen (BGH, WuW/E BGH 2627, 2643 - Sportübertragungen; Beschluss vom - EnVR 39/18, juris Rn. 3) in der Sache richtig. Das Vorbringen der Betroffenen ändert daran nichts. Die weiteren Beteiligten hatten als Fernleitungsnetzbetreiber ein besonderes rechtliches Interesse am Verfahrensausgang, weil sie selbst Adressaten der angegriffenen Festlegung waren und die gewählte Referenzpreismethode nur einheitlich (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom - EnVR 25/13, RdE 2016, 293 Rn. 40 - Netzentgeltbefreiung II; vom - KVR 34/08, WRP 2009, 1391 Rn. 19 - Versicherergemeinschaft) gegenüber allen Fernleitungsnetzbetreibern festgelegt werden konnte. Die im Verfahren zu klärende Frage, welchen Transportkunden in welchem Umfang die Kosten welcher Netzinfrastrukturen des jeweiligen Marktgebiets in Rechnung zu stellen sind, betrifft zudem eine grundsätzliche Frage der Marktordnung (vgl. BGH, WuW/E BGH 2627, 2643 - Sportübertragungen) und begründet ein unmittelbares und erhebliches wettbewerbliches Interesse der weiteren Beteiligten. Diese haben das Verfahren in der Rechtsbeschwerdeinstanz auch in der Sache aktiv durch erhebliches Vorbringen in Schriftsätzen und im Zuge der mündlichen Verhandlung in hinreichendem Umfang gefördert, wobei sich dies nicht in einer bloßen Wiederholung des Vorbringens in der Beschwerdeinstanz erschöpft hat.

8Berechtigte Belange der Betroffenen stehen nicht entgegen. Nachteilige Auswirkungen der Kostenentscheidung im Hinblick auf die verfassungsrechtlich begründete Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG, Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. auch BGH, WuW/E BGH 2627, 2643 - Sportübertragungen) sind nicht dargelegt und angesichts der begrenzten Zahl weiterer Beteiligter und des festgesetzten Streitwerts auch nicht ersichtlich.

9Soweit die Betroffene geltend macht, sie habe im Beschwerdeverfahren der Beteiligung weiterer Fernleitungsnetzbetreiber nur mit der Maßgabe zugestimmt, dass eine Kostenerstattung nicht erfolgt, ergibt sich daraus für sie ebenfalls nichts Günstiges. Die Beteiligung im Beschwerdeverfahren war - jedenfalls im vorliegenden Fall - wegen der Unteilbarkeit der Festlegung und der daraus folgenden unmittelbaren Berührung rechtlicher Interessen (s.o. Rn. 7) gemäß § 79 Abs. 1 EnWG, § 65 Abs. 2 VwGO aus Gründen der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zwingend (vgl. BGH, Beschlüsse vom - EnVR 52/09, RdE 2011, 59 Rn. 16 mwN - GABi Gas; WRP 2009, 1391 Rn. 19 - Versicherergemeinschaft; s.a. van Rossum in: Assmann/Peiffer, aaO, § 79 Rn. 13; Johannes/Roesen in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 79 Rn. 5; Boos in: Theobald/Kühling, Energierecht, Jan. 2022, § 66 Rn. 13 ff.; Lange in: Schneider/Theobald, Recht der Energiewirtschaft, 5. Aufl., § 22 Rn. 31; Hanebeck: in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 79 Rn. 4; s.a. zum Kartellverwaltungsverfahren: Bunte/Lembach, Kartellrecht, 14. Aufl., § 63 Rn. 13, Deichfuß in: Kölner Kommentar zum Kartellrecht, 1. Aufl., § 67 GWB Rn. 5 ff.) und hing nicht von der Zustimmung der Betroffenen ab. Da das Beschwerdegericht ausweislich der erteilten Hinweise insoweit eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, auf deren Grundlage eine Kostenerstattung zugunsten weiterer Beteiligter nach § 90 EnWG im Grundsatz nicht in Betracht kam, hat der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes davon abgesehen, die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts abzuändern. Für die im Rechtsbeschwerdeverfahren zu treffende Kostenentscheidung ergeben sich daraus jedoch keine Einschränkungen.

102. Der als Gegenvorstellung gegen die Kostenentscheidung im Senatsbeschluss vom zu behandelnde Rechtsbehelf im Schriftsatz der Betroffenen vom ist unstatthaft, da er sich gegen eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung über die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde richtet, zu deren Abänderung das Rechtsbeschwerdegericht - auch im Hinblick auf den Kostenpunkt - nicht befugt ist (vgl. BVerfGE 122, 190 Rn. 39; , NVwZ-RR 2011, 709 Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 31/18, BGHZ 220, 90 Rn. 13 ff.; vom - V ZB 6/18, NJW 2018, 3388 Rn. 9 f.). Ungeachtet dessen wäre die Gegenvorstellung nach den vorstehenden Ausführungen auch unbegründet.

113. Dem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist danach ebenfalls kein Erfolg beschieden.

124. Die Kostenentscheidung folgt im Hinblick auf das Verfahren betreffend die Anhörungsrüge aus § 90 Satz 2 EnWG. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:140922BENVR78.20.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-23587