DBA | Abkommensrechtliche Dreieckskonstellationen (BFH)
Die von Deutschland abgeschlossenen DBA stehen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander und sind jeweils autonom und unabhängig voneinander auszulegen, so dass sich der Steuerpflichtige grundsätzlich auf jede Begünstigung berufen kann, die ihm eines dieser Abkommen gewährt (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten in einem abkommensrechtlichen Dreieckssachverhalt über das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland.
Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Jahren 2012 und 2013 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befand sich in ihrer gemeinsamen Wohnung in Deutschland.
Der Kläger war seit dem in der Schweiz als Altenpfleger tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Anlässlich der Aufnahme dieser Tätigkeit bezog er eine Zweitwohnung in Frankreich, von der aus er arbeitstäglich zu seiner wenige Kilometer entfernten Arbeitsstätte in der Schweiz pendelte. Den Arbeitslohn versteuerte der Kläger in Frankreich. Die Schweiz erhob hierauf keine Steuern.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre setzten die Kläger den Arbeitslohn des Klägers auf Grundlage des DBA-Schweiz 1971/2010 als steuerfreie Einkünfte an. Das FA folgte dem nicht und unterwarf diese Einkünfte in den Einkommensteuerbescheiden für 2012 und 2013 der inländischen Besteuerung. Die Einsprüche der Kläger blieben erfolglos.
Das FG Münster gab der hiergegen gerichteten Klage statt ().
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der in der Schweiz erzielte Arbeitslohn des Klägers gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 von der deutschen Besteuerung freizustellen ist und lediglich dem Progressionsvorbehalt unterliegt.
Die Kläger sind aufgrund ihrer inländischen Wohnung unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. mit § 8 AO). Daraus folgt, dass der Kläger aus seiner Tätigkeit als Altenpfleger steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG erzielte. Da er seine Tätigkeit in der Schweiz ausübte, sind diese Einkünfte grundsätzlich nach Art. 15 Abs. 1 i. V. mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 von der deutschen Besteuerung freizustellen und lediglich dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer unilateralen Rückfallklausel sind nicht erfüllt. Dies gilt sowohl für § 50d Abs. 8 EStG als auch für § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG.
Darüber hinaus ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass auch die abkommensrechtliche Dreieckskonstellation eine Besteuerung in Deutschland nicht rechtfertigt.
Die Dreieckskonstellation ergibt sich im Streitfall daraus, dass der Kläger sowohl in Deutschland als auch in Frankreich einen Wohnsitz hat, seine Einkünfte aber aus dem Quellenstaat Schweiz bezieht. Bei isolierter Betrachtung der jeweiligen DBA steht das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte nach dem DBA-Schweiz 1971/2010 dem Quellenstaat Schweiz, nach dem DBA-Schweiz/ Frankreich Frankreich (Grenzpendlerregelung) und nach dem DBA-Frankreich 1959/2001 Deutschland zu.
Entgegen der Auffassung des FA kann die Zuweisung des Besteuerungsrechts an Deutschland durch das DBA-Frankreich 1959/2001 die Steuerfreistellung für den Arbeitslohn des Klägers nach dem DBA-Schweiz 1971/2010 nicht aufheben.
Die Verteilungsnormen der von Deutschland abgeschlossenen DBA stehen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander und sind jeweils autonom und unabhängig voneinander auszulegen.
Die Verpflichtung Deutschlands zur Freistellung bestimmter Einkünfte aufgrund eines DBA (hier: DBA-Schweiz 1971/2010) wird daher in einer Dreieckskonstellation nicht dadurch beeinträchtigt, dass nach dem mit einem weiteren Staat bestehenden DBA (hier: DBA-Frankreich 1959/2001) das Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte (als sog. Drittstaateneinkünfte) Deutschland zugewiesen wird.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
OAAAJ-23429