Kriegsverbrechen gegen Personen, Mord und mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland: Konkurrenzverhältnis
Gesetze: § 8 Abs 1 Nr 1 VStGB, § 8 Abs 1 Nr 3 VStGB, § 8 Abs 4 S 1 VStGB, § 52 Abs 1 StGB, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129b Abs 1 S 1 StGB, § 129b Abs 1 S 2 StGB, § 211 StGB
Instanzenzug: Az: III-6 StS 5/18
Gründe
1Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten "wegen Mordes in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Personen und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland" zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Der Angeklagte erhebt mit seiner Revision die allgemeine Sachrüge. Das Rechtsmittel ist unbegründet und führt lediglich zu einer Klarstellung des Schuldspruchs.
21. Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen wurde der Angeklagte im Juli 2014 als Angehöriger des "Islamischen Staates" (IS) mit drei weiteren Männern herbeigerufen, um einen vom IS gefangen Genommenen und im Gefängnis in M. (Syrien) Inhaftierten zu bestrafen. Diesem wurde vorgeworfen, als Angehöriger der "Freien Syrischen Armee" gegen den IS gekämpft und während der Befragung im Gefängnis eine Gotteslästerung geäußert zu haben. Der Angeklagte und die anderen drei schlugen über einen längeren Zeitraum auf den Gefesselten ein, der an seinen hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen unter der Decke aufgehängt worden war. Für die gegen sämtliche Körperteile gerichteten Prügel nutzten sie ihre Fäuste sowie zumindest einen Knüppel und nahmen den für möglich gehaltenen Tod des Opfers billigend in Kauf. Nach einiger Zeit ließen sie von dem Malträtierten ab, der in dem Verhörraum spätestens zwei Tage danach an den beigebrachten Verletzungen starb.
32. Die Revision hat keinen Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Allerdings ist es - gemäß dem Antrag des Generalbundesanwalts - angezeigt, den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich neu zu fassen. Dies entspricht der sich aus den Urteilsgründen ergebenden zutreffenden rechtlichen Würdigung des Oberlandesgerichts, der als Mittäter handelnde Angeklagte habe sich wegen Mordes (§ 211 StGB) in Tateinheit mit den - tateinheitlichen - Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) und durch Folter mit Todesfolge (§ 8 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 VStGB) und mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht.
4a) Der Angeklagte hat die vorgenannten Delikte tateinheitlich im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verwirklicht.
5aa) Die Erfüllung verschiedener Tatbestände des Kriegsverbrechens gegen Personen nach § 8 Abs. 1 VStGB durch dieselbe Handlung kann grundsätzlich als Tateinheit zu bewerten sein (s. im Ergebnis ebenso , juris Rn. 24; vgl. auch , BGHR VStGB § 8 Abs. 1 Konkurrenzen 1 Rn. 25). Hierfür ist vor allem von Belang, dass die genannte Strafvorschrift eine Vielzahl verschiedener Tathandlungen und -erfolge pönalisiert, deren jeweils eigener Unwert sich insbesondere in den unterschiedlichen Strafandrohungen widerspiegelt. Das danach gegebene spezifische Unrecht einzelner Tatbestände würde nicht erfasst, wenn Kriegsverbrechen gegen Personen generell als einheitliches Delikt gewertet würden. Indes ist nicht ausgeschlossen, dass einer der Tatbestände hinter einen anderen etwa wegen des Grundsatzes der Spezialität zurücktritt; dies bleibt im Einzelfall zu prüfen (vgl. zum Kriegsverbrechen der entwürdigenden oder erniedrigenden Behandlung bei einem durch dieselbe Handlung verwirklichten Kriegsverbrechen der Folter , BGHSt 65, 286 Rn. 79 mwN; s. auch Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1549). Hieran gemessen stehen die Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und durch Folter mit Todesfolge nach § 8 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 VStGB tateinheitlich nebeneinander, weil weder die Tötung eine Folterung noch die Folterung mit Todesfolge eine vorsätzliche Tötung voraussetzt.
6bb) Für die nach dem allgemeinen Strafrecht verwirklichten Tatbestände des Mordes und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gelten die allgemeinen Konkurrenzregeln (s. , BGHSt 65, 286 Rn. 82 mwN). Das spezifische Tatunrecht dieser Delikte ist nicht bereits durch die Kriegsverbrechen gegen Personen abgedeckt; denn das Kriegsverbrechen durch Tötung erfordert keine Grausamkeit oder niedrigen Beweggründe, eine Folterung mit Todesfolge keinen Vorsatz in Bezug auf den Tod. Das Organisationsdelikt wird von den ausgeurteilten Kriegsverbrechen ebenfalls nicht erfasst (vgl. auch , BGHSt 64, 1 Rn. 18 mwN).
7b) Vor dem dargelegten Hintergrund sind die verwirklichten Tatbestände des Kriegsverbrechens gegen Personen gemäß § 8 VStGB in der Urteilsformel trotz der einheitlichen gesetzlichen Überschrift aus Klarstellungsgründen näher zu bezeichnen (s. auch , juris, vor Rn. 1; abweichend aber , juris); die Soll-Vorschrift des § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO steht einer solchen präziseren Fassung nicht entgegen (vgl. , BGHR StGB § 244 Abs. 4 Urteilsformel 1 Rn. 6; Sander in Festschrift Werle, 2022, S. 895, 901 f.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:100822B3STR187.22.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-23380