Vorläufige Dienstenthebung und vorläufiges Uniformtrageverbot wegen des Vorwurfs des Erweisens des Hitlergrußes
Gesetze: § 8 Alt 1 SG, § 8 Alt 2 SG, § 17 Abs 2 SG, § 21 StGB, § 170 Abs 2 StPO, § 114 Abs 3 S 2 WDO 2002, § 126 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 126 Abs 1 S 2 WDO 2002, § 126 Abs 2 WDO 2002, § 126 Abs 5 S 3 WDO 2002
Instanzenzug: Truppendienstgericht Süd Az: S 9 GL 01/21 Beschluss
Tatbestand
1Die Beschwerde richtet sich gegen eine vorläufige Dienstenthebung und ein vorläufiges Uniformtrageverbot.
21. Der ... geborene Soldat trat 2006 in die Bundeswehr ein. Er ist Hauptfeldwebel und gehört der ... an.
32. Der Kommandeur ... leitete gegen ihn mit Verfügung vom ein gerichtliches Disziplinarverfahren wegen folgenden Vorwurfs ein:
"Sie tätigten während der Feier anlässlich des Abschlusses eines Fallschirmsprungvorhabens sowie Ihrer Ausbildung zum Ausbildungsleiter zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt, vermutlich zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr, am Abend des 5. oder in der Poolanlage des ... Hotels in ..., .../USA in Anwesenheit weiterer Gäste auch niedrigeren Dienstgrades den sogenannten 'Hitlergruß'."
4Zugleich ordnete er die vorläufige Dienstenthebung und ein vorläufiges Uniformtrageverbot an. Mit Bescheid vom lehnte er den Antrag des Soldaten auf Aufhebung dieser Nebenentscheidungen ab.
53. Das Truppendienstgericht hat mit Beschluss vom den Antrag des Soldaten auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
64. Mit seiner hiergegen erhobenen Beschwerde bestreitet der Soldat die ihm zur Last gelegte Tat. Der Vorwurf stütze sich auf eine detailarme Aussage des Zeugen Oberleutnant A. Dieser habe lediglich ausgesagt, er - der Soldat - habe den gestreckten Arm nach oben geführt und damit den Hitlergruß gezeigt. Es sei nicht aufgeklärt worden, ob es sich tatsächlich um den Hitlergruß gehandelt habe. Es gebe zahlreiche unverfängliche Gesten, die einem Hitlergruß ähnelten, z.B. den olympischen Gruß, den "bellamy salute" oder militärische Richtungsanzeigen. Gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage spreche, dass der Zeuge den angeblichen Vorfall erst zwei Jahre später gemeldet habe. Auch habe der Zeuge Belastungseifer gezeigt. Im vorliegenden Verfahren trete er als Anzeigeerstatter auf und habe ausgesagt, dem weiteren Zeugen Oberleutnant B die Angelegenheit am Folgetag erzählt zu haben, während in einem Parallelverfahren gegen einen anderen Soldaten wegen des gleichen Vorwurfs Oberleutnant B als Anzeigeerstatter aufgetreten sei und den Vorfall am Folgetag dem Zeugen Oberleutnant A erzählt haben wolle. Dieser habe sich von seiner Aussage möglicherweise Vorteile in einem Bewerbungsverfahren beim Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst versprochen. Für einen Belastungseifer spreche auch die von der Führung erwünschte Aufdeckung rechtsextremer Vorfälle im ... Das Truppendienstgericht habe zu Unrecht ein Motiv für die Tat in einer Provokation von Angehörigen der 2./Kommandokräfte durch Anspielungen auf die sogenannte "Schweinekopf-Party" gesehen; derartige Frotzeleien sprächen eher für eine negative Bewertung des Hitlergrußes seinerseits. Die auf seinem Handy ausgelesenen Chatinhalte dürften nicht verwertet werden, weil das Handy nicht wirksam beschlagnahmt worden sei. Für einen Zugriff darauf habe kein Anlass bestanden. Denn es hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass sich darauf Aufnahmen der vorgeworfenen Handlung befunden haben könnten.
75. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom nicht abgeholfen und sie dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
86. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Beschwerde für unbegründet. Die Aussagen des Zeugen Oberleutnant A seien eindeutig und widerspruchsfrei. Belastungstendenzen seien nicht zu erkennen. Der Zeuge habe nur deshalb erst zwei Jahre später gegen den Soldaten ausgesagt, weil er in einem anderen Ermittlungsverfahren zu seiner Wahrnehmung insgesamt befragt worden sei. Der Soldat habe jedenfalls vorsätzlich gegen § 8 Alt. 2 SG verstoßen. Es stehe zu erwarten, dass gegen ihn die Höchstmaßnahme, zumindest aber eine Dienstgradherabsetzung verhängt werde.
97. Das sachgleiche staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat nach § 86a StGB wurde mit Verfügung vom mangels hinreichenden Tatverdachts eines "öffentlichen" Verwendens eines Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da es sich um eine interne Abschlussfeier gehandelt habe.
Gründe
10Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vorläufige Dienstenthebung und das vorläufige Uniformtrageverbot sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. 2 WDB 9.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 13 Rn. 11) bei der im vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO nur summarisch möglichen Prüfung der Sachlage rechtmäßig.
111. Dies gilt zunächst in formeller Hinsicht. Die Anordnungen beruhen auf der Ermächtigungsgrundlage des § 126 Abs. 1 Satz 1 und 2 WDO und wurden in der Einleitungsverfügung unter Berücksichtigung der ergänzenden Erwägungen der Einleitungsbehörde im Bescheid vom und im Schriftsatz vom ausreichend begründet (§§ 39, 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG).
122. Sie sind auch materiell rechtmäßig. Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Mit der vorläufigen Dienstenthebung kann gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 WDO das Verbot verbunden werden, Uniform zu tragen. Die Anordnungen müssen auf einer wirksamen Einleitungsverfügung beruhen, von einem besonderen, sie rechtfertigenden Grund getragen und nach pflichtgemäßem Ermessen ergangen sein (vgl. 2 WDB 1.05 - Buchholz 235.01 § 126 WDO 2002 Nr. 2 S. 5).
13a) An der Rechtswirksamkeit der Einleitungsverfügung bestehen keine Zweifel.
14b) Der für Anordnungen nach § 126 Abs. 1 Satz 1 und 2 WDO erforderliche besondere Grund liegt ebenfalls vor.
15Das Erfordernis eines besonderen rechtfertigenden Grundes beruht darauf, dass das Gesetz nicht stets bei der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens die in § 126 Abs. 1 WDO vorgesehenen Maßnahmen anordnet, sondern dafür eine behördliche Einzelfallprüfung vorsieht. Aus § 126 Abs. 2 WDO, wonach eine Einbehaltensanordnung nur bei einer voraussichtlich zu verhängenden Höchstmaßnahme ergehen darf, folgt im Umkehrschluss, dass für den Erlass von Nebenentscheidungen nach § 126 Abs. 1 WDO die Höchstmaßnahme nicht zwingend zu erwarten sein muss (vgl. 2 WDB 6.05 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 27). Daher kommt ein besonderer Grund bei Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO regelmäßig bereits dann in Betracht, wenn eine Dienstgradherabsetzung oder die schwerste Disziplinarmaßnahme im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (vgl. 2 WDB 5.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen vor.
16aa) Der Soldat hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Dienstvergehen begangen. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass das vorgeworfene Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen und aufgeklärt ist. Da bei gerichtlichen Überprüfungen von Maßnahmen nach § 126 WDO für eingehende Beweiserhebungen kein Raum ist, beschränkt sich die Prüfung des Sachverhalts auf die Frage, ob anhand des bisherigen Ermittlungsergebnisses unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel und von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind, zumindest der hinreichend begründete Verdacht eines Dienstvergehens besteht (vgl. 2 WDB 2.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 11 Rn. 33 m.w.N). Dies ist der Fall:
17(1) In tatsächlicher Hinsicht ergeben sich aus den Aussagen des Zeugen Oberleutnant A vom und vom und des Zeugen Hauptfeldwebel C vom zureichende Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat im Rahmen der Ausbildung ..., die laut Akte vom 4. Mai bis stattfand, allerdings wohl vor dem - die in der Einleitungsverfügung genannten Daten (5. oder ) werden angesichts der Zeugenaussagen nochmals zu prüfen sein - bei einer Abschlussfeier in der Poolanlage des ... Hotels in ..., .../USA in Anwesenheit von Ausbildern und Lehrgangsteilnehmern auf der Innenbank des Whirlpools stehend den sogenannten Hitlergruß zeigte.
18Die beiden etwa ein halbes Jahr auseinanderliegenden Aussagen des Zeugen Oberleutnant A sind in sich stimmig und wirken auch nicht detailarm. Die von ihm geschilderten Rahmenumstände stimmen mit der Aussage des Zeugen Hauptfeldwebel C überein.
19Dass dieser den angeschuldigten Vorfall selbst nicht bemerkt hat, besagt nicht zwingend, dass es den Vorfall nicht gab. Denn der Zeuge Oberleutnant A hat erläutert, dass der Zeuge Hauptfeldwebel C dem Soldaten während des Vorfalls den Rücken zugewandt habe.
20Soweit der Soldat einwendet, es gebe Gesten, die mit dem Hitlergruß verwechselt werden könnten, hat der Zeuge Oberleutnant A bekundet, es habe sich eindeutig um den Hitlergruß mit ausgestrecktem Arm und ausgestreckter Hand gehandelt, man hätte es nicht falsch interpretieren können.
21Anhaltspunkte für eine möglicherweise verzerrte Wahrnehmung aufgrund Alkoholkonsums des Zeugen Oberleutnant A bestehen nicht. Vielmehr hat der Zeuge Hauptfeldwebel C ausgesagt, dass der Zeuge Oberleutnant A sehr diszipliniert sei, was den Alkoholkonsum angehe.
22Für einen Belastungseifer des Zeugen Oberleutnant A ist ebenfalls nichts ersichtlich. Vielmehr hat er den Soldaten insoweit entlastet, als dass er weiter ausgesagt hat, der Vorfall passe hinsichtlich des Soldaten nicht in ein Muster und er könne sich nicht erklären, weshalb der Soldat dies gemacht habe. Gegen einen Belastungseifer spricht ferner, dass der Zeuge den Vorfall erst in einer zwei Jahre späteren Vernehmung zu anderen extremistischen Vorfällen anzeigte. Für die Mutmaßungen des Soldaten, der Zeuge Oberleutnant A habe sich durch eine Falschaussage für ein Bewerbungsverfahren beim Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst profilieren wollen, liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor.
23Dass der Zeuge Oberleutnant A bereits in einem einen anderen Soldaten betreffenden Verfahren als Belastungszeuge aufgetreten ist, steht seiner Glaubwürdigkeit im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Es liegen auch keine Hinweise für ein absprachegemäßes Vorgehen mit dem weiteren Zeugen Oberleutnant B vor, der in jenem anderen Verfahren ebenfalls als Zeuge aufgetreten sein soll. Vielmehr hat dieser im vorliegenden Verfahren ausgesagt, den Soldaten nicht beim Ausführen des Hitlergrußes gesehen zu haben, weil er die Party früh verlassen habe; er hat bei seiner Vernehmung auch keine Ausführungen dazu gemacht, dass ihm von dem Vorfall seitens des Zeugen Oberleutnant A berichtet worden sei.
24Das sachgleiche Strafverfahren gegen den Soldaten wurde nicht wegen erwiesener Unschuld eingestellt, sondern weil ein hinreichender Tatverdacht eines "öffentlichen" Verwendens eines verbotenen Kennzeichens wegen des internen Charakters der Abschlussfeier verneint wurde.
25Das vom Truppendienstgericht angeführte mögliche Motiv des Soldaten für die Tat - eine vom Zeugen Hauptfeldwebel C beobachtete Provokation von ebenfalls im Whirlpool befindlichen Angehörigen der 2./Kommandokräfte durch Anspielungen auf die sogenannte "Schweinekopf-Party" - ist nicht abwegig, sondern könnte eine schlüssige Erklärung für die Tathandlung sein.
26Das Truppendienstgericht hat auch zutreffend aufgezeigt, dass sich aus dem Bericht über die Auswertung der Chatverläufe auf dem bei der Durchsuchung beim Soldaten sichergestellten Handy Hinweise auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung des Soldaten ergeben, welche die Tat als Ausdruck einer bereits über Jahre hinweg verfestigten rechtsextremen Überzeugung erscheinen lassen könnten. So sandte er u.a. am die Nachricht "GruSS aus der 3.", am ein "Bob der Gauleiter-Bild", am die Bemerkung "Braun wie unsere Gesinnung" und am den Text "Nachts, in ihre Scheiss kanacken Köpfe schießen!!! Und ab in dein See.". Diese Chatinhalte unterliegen entgegen der Annahme des Soldaten aller Voraussicht nach keinem Beweisverbot, weil für eine grobe Verkennung oder bewusste Missachtung der Rechtslage (vgl. - juris Rn. 41 f.) bei der richterlichen Anordnung der Durchsuchung vom oder ihrer Durchführung am nichts ersichtlich ist. Vielmehr hat der Soldat in seiner Vernehmung unmittelbar vor der Durchsuchung nach Belehrung über die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers erklärt, bereit zu sein, freiwillig sein Handy und seine private IT für eine Beschlagnahme und Untersuchung durch Fachpersonal zur Verfügung zu stellen und einer Durchsuchung seiner Unterkunft und weiterer Orte zuzustimmen. Da bislang keiner der Zeugen eine verfassungsfeindliche Einstellung des Soldaten bestätigt hat, wird allerdings bei den weiteren Ermittlungen zu klären sein, ob sich die vorliegenden Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Gesinnung zu einer hinreichenden Gewissheit erhärten. Bislang ist nicht aufgeklärt, inwiefern die Äußerungen ernsthaft gemeint und Ausdruck einer entsprechenden inneren Gesinnung sind.
27(2) Der Soldat hätte im Fall der Erweislichkeit des Vorwurfs ein Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hätte.
28(a) Darin läge, wenn das Zeigen des Hitlergrußes Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung war, eine vorsätzliche Verletzung seiner Pflicht nach § 8 Alt. 1 SG, die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen, und der Pflicht nach § 8 Alt. 2 SG, durch sein gesamtes Verhalten für deren Einhaltung einzutreten. Damit einher ginge ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 SG. Sollte das Zeigen des Hitlergrußes nicht Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung gewesen sein, läge darin ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 8 Alt. 2 SG und § 17 Abs. 2 SG. Denn die Pflicht nach § 8 Alt. 2 SG wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Wer auf einer bundeswehrinternen Feier den Hitlergruß ausführt, verherrlicht aus Sicht eines neutralen Betrachters die Gewalt- und Willkürherrschaft des Nazi-Regimes, begründet objektiv den Anschein, er stehe nicht mehr hinter dem Staat des Grundgesetzes, und verletzt damit die Pflicht, sich von derartigen Bestrebungen zu distanzieren (vgl. 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28 m.w.N.).
29(b) Hinreichende Anhaltspunkte für eine zum Ausschluss der Schuld führenden Alkoholisierungsgrad liegen nicht vor. Zwar war der Soldat nach den übereinstimmenden Aussagen der dazu vernommenen Zeugen bei der betreffenden Feier stark alkoholisiert. Er hat aber nach den Angaben des Zeugen Hauptfeldwebel C aufrecht und selbständig zu Bett gehen können und sei weder "im Delirium" noch "total besoffen" gewesen.
30bb) Für das Dienstvergehen stünde jedenfalls eine Dienstgradherabsetzung im Raum. Der Senat geht bei der Verletzung der politischen Treuepflicht nach § 8 SG durch das Zeigen eines Hitlergrußes grundsätzlich von der Höchstmaßnahme aus, wenn es Ausdruck einer nationalsozialistischen Gesinnung ist (vgl. 2 WD 17.19 - Rn. 44 m.w.N.). Erweist ein Soldat den Hitlergruß, ohne dass damit eine entsprechende Gesinnung einhergeht, hält der Senat regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung für geboten (vgl. 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 35 m.w.N.).
31Mildernde Umstände solchen Gewichts, dass auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen ein Übergang zu einer milderen Maßnahmeart veranlasst wäre, sind bislang nicht ersichtlich. Zwar wäre die enthemmende Wirkung einer Alkoholisierung auch schon im Vorstadium des § 21 StGB schuldmildernd zu berücksichtigen, wenn der Soldat wegen einer Alkoholerkrankung schuldlos Alkohol konsumiert und wegen dieses Zustandes das Dienstvergehen begangen hätte (vgl. 2 WD 21.18 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 65 Rn. 35). Aus den Akten ergeben sich aber keine Hinweise auf eine Alkoholerkrankung. In einem solchen Fall verbleibt es bei dem Grundsatz, dass ein Soldat, der sich schuldhaft alkoholisiert und sich damit in einen zum Dienstvergehen führenden Zustand versetzt, dafür verantwortlich bleibt (vgl. 2 WD 2.21 - juris Rn. 43 m.w.N.).
32cc) Der Dienstbetrieb würde bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst auch empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet. Zwar hat der Soldat mehr als zwei Jahre nach dem angeschuldigten Vorfall seinen Dienst weiter in dem ... verrichtet, ohne dass gewichtige Spannungen in seiner Einheit festgestellt worden wären. Durch das Bekanntwerden des Vorfalls hat der Soldat jedoch das Vertrauen seiner Vorgesetzten in seine Integrität verloren. Ein Belassen des Soldaten in seiner dienstlichen Verwendung schadet zum einen dem Ansehen der Bundeswehr, die sich in der letzten Zeit - insbesondere im Zusammenhang mit dem ... - des Vorwurfs erwehren muss, rechtsradikalen Umtrieben nicht energisch genug entgegenzutreten; zum anderen bewirkt er nach innen eine Gefährdung bzw. Störung des Dienstbetriebs, weil dadurch der Eindruck einer Bagatellisierung entsteht (vgl. 2 WDB 5.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 45).
33c) Die Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots sind schließlich auch ermessensfehlerfrei. Die Entscheidung, einen Soldaten, dessen Verfassungstreue ernsthaft in Zweifel steht, vorübergehend auf keinem Dienstposten einzusetzen und ihn vorübergehend keine Uniform tragen zu lassen, ist nicht sachwidrig. Dem Soldaten werden dadurch auch keine Nachteile zugefügt, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, den Soldaten, der eines schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung des Vorwurfs von der Dienstausübung und dem Tragen der Uniform auszuschließen ( 2 WDB 3.19 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 8 Rn. 27).
343. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens mit erfasst.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:260422B2WDB4.22.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-23048