Leitsatz
1. Eine chinesische Limited Liability Company ist mit einer Kapitalgesellschaft vergleichbar, offene und verdeckte Gewinnausschüttungen
an den unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter sind daher nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz
2 EStG steuerbar; eine Anrechnung von chinesischer Quellensteuer nach § 32d Abs. 5 Satz 1 EStG und § 32d Abs. 5 Satz 2 EStG
ist nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge in China nicht besteuert worden sind.
2. Art. 4 Abs. 1 DBA-China definiert die Voraussetzungen der Ansässigkeit nicht abkommensautonom, sondern durch ausdrückliche
Anknüpfung an das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats. Die Aufzählung der Kriterien, aus denen sich die Steuerpflicht
ergeben kann, verdeutlicht, dass sich die unbeschränkte Steuerpflicht aus ortsbezogenen Merkmalen des nationalen Steuerrechts
ableitet. Auf die tatsächliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat kommt es dagegen nicht an.
3. Eine Anwendung von Art. 4 Abs. 2 DBA-China (tie-breaker-rule) scheidet aus, wenn der Steuerpflichtige schon nach Art. 4
Abs. 1 DBA-China nur in einem Vertragsstaat ansässig ist.
4. Hat der langjährig in China berufstätige und sich deswegen überwiegend in China aufhaltende, aber regelmäßig jährlich jeweils
für mehr als 90 Tage zu seiner Familie in Deutschland heimkommende Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in Deutschland und unterliegt
er damit der unbeschränkten Steuerpflicht, ist er nach Art. 4 Abs. 1 DBA-China nur im Inland und nicht gleichzeitig in China
ansässig. Ausländische Bürger, die sich nur aufgrund ihrer Tätigkeit in China aufhalten, haben nach chinesischem Recht grundsätzlich
keinen Wohnsitz in China, weil ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht in China liegt.
5. Die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person in China setzt nach der vor 2019 gültigen Gesetzeslage voraus,
dass sie in China entweder, in Anlehnung an das Prinzip des „domicile” aus dem Common Law nach Art. 1 Abs. 1 Alt. 1 des Individual
Income Tax Law of the PRC in Verbindung mit Art. 2 der chinesischen Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (chin. EStDV;
Rules for the Implementation of the Individual Income Tax Law) einen (dauerhaften) Wohnsitz (sog. Domizil) hat, oder, dass
sie sich ein Jahr oder länger in China aufhält. Der Begriff Domizil ist im Sinne einer dauerhaften Absicht, in dem jeweiligen
Land zu verweilen, zu verstehen, ist einem qualifizierten Wohnsitz vergleichbar und kann nur an einem Ort bestehen.
6. Natürliche Personen, die nach chinesischem Recht kein Domizil oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt in China haben, weil
sie sich weniger als 365 Tage in einem Steuerjahr in China aufhalten, sind in China nur mit ihren chinesischen Einkünften
beschränkt steuerpflichtig.
7. Aufgrund des Erfordernisses eines nur durch vorübergehende Abwesenheiten unterbrochenen Aufenthaltes in China von mindestens
365 Tagen können Ausländer die unbeschränkte Steuerpflicht in China durch sogenannte Unterbrechungsreisen vermeiden, in dem
entweder ein Auslandsaufenthalt von mehr als 30 Tagen oder mehrere Auslandsaufenthalte von insgesamt mehr als 90 Tagen je
Steuerjahr unternommen werden.
8. Zu den Anforderungen an eine „ständige Wohnstätte” im Sinne von Art. 4 Abs. 2 DBA-China.
9. Zum Vorliegen eines Wohnsitzes im Sinne des § 8 AO in Deutschland, wenn der Steuerpflichtige aufgrund seiner Berufstätigkeit
sich überwiegend ohne seine Familie in China aufhält, aber die eheliche Lebensgemeinschaft trotz der beruflichen bedingten
räumlichen Trennung fortbesteht, die Eheleute wichtige Feste zusammen begehen, die Ferienzeit der Kinder gemeinsam entweder
in China oder in Deutschland verbringen, über größere Anschaffungen wie Immobilien gemeinsam entscheiden und jeweils gemeinsames
Eigentum erwerben.