BFH Beschluss v. - VI R 8/22

Fristberechnung

Leitsatz

1. NV: Der Umstand, dass der für den Beginn einer Frist maßgebliche Tag bei der Bemessung der Monatsfrist „nicht mitgerechnet“ wird (§ 187 Abs. 1 BGB), bedeutet nicht, dass sich die Frist entsprechend verlängert.

2. NV: Ein Fehler bei der Fristberechnung durch einen rechtskundigen Pro-zessbevollmächtigten ist regelmäßig als fahrlässig einzustufen und stellt ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden dar.

Gesetze: FGO § 54 Abs. 2; FGO § 56; FGO § 120 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 222 Abs. 1; BGB § 187 Abs. 1; BGB § 188 Abs. 2;

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wegen Einkommensteuer 2018 mit Urteil vom ab. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt. Mit am (Telefax) beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenem Schreiben hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Revision eingelegt. In einer am nachgereichten Anlage führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, das Urteil beruhe ausschließlich auf „dem Nachbeten bisheriger Rechtsprechung zugunsten des Fiskus“, eine Auseinandersetzung mit seinen Schriftsätzen habe nicht stattgefunden. Am begründete er die Revision kurz und kündigte eine weitere Stellungnahme an.

2 Mit Schreiben vom wies der Senatsvorsitzende den Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hin, dass die Revisionsbegründungsfrist nach § 120 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) am abgelaufen und die Begründung der Revision somit verspätet eingegangen sei.

3 Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin äußerte hierauf, der mitgeteilte Ablauf der Revisionsbegründungsfrist entspräche nicht der Rechtslage. Der Fristenverlauf habe am Tag nach der Zustellung des FG-Urteils begonnen. Der Februar 2022 habe jedoch keinen Tag nach Zustellung gehabt, da der Monat am geendet habe. Somit habe der Lauf der Begründungsfrist am begonnen und demzufolge am (einem Montag) geendet.

4 Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass weitere haushaltsnahe Dienstleistungen in Höhe von 262,98 € berücksichtigt werden.

5 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt) beantragt sinngemäß,

die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

6 Die Revision der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO). Die Klägerin hat die Revision nicht rechtzeitig begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) kommt nicht in Betracht.

7 1. Die Revisionsbegründung ist verspätet beim BFH eingegangen.

8 Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen.

9 Vorliegend wurde das angefochtene Urteil des FG dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt. Die Frist zur Begründung der Revision begann somit gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzesbuchs (BGB) mit Ablauf des (Montag) und endete nach § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des (Donnerstag).

10 § 188 Abs. 2 BGB bestimmt, dass eine nach Monaten bestimmte Frist im Falle des § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats endigt, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis (hier die Zustellung) fällt. Dass der für den Beginn einer Frist maßgebliche Tag bei der Bemessung der Monatsfrist „nicht mitgerechnet“ wird (§ 187 Abs. 1 BGB), bedeutet nicht, dass sich die Frist entsprechend verlängert (, BFH/NV 1998, 725).

11 Die erst am beim BFH eingegangene Revisionsbegründung des Prozessbevollmächtigen der Klägerin war mithin verspätet. Insbesondere genügten die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf der noch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Anlage nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO, wonach die Revisionsbegründung u.a. die Umstände bezeichnen muss, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Bei der Anmerkung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin handelt es sich indes nicht ansatzweise um eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils (hierzu s. z.B. , Rz 17 f.).

12 2. Wiedereinsetzung nach § 56 FGO in die versäumte Revisionsbegründungsfrist ist der Klägerin nicht zu gewähren.

13 Wiedereinsetzung ist nach § 56 Abs. 1 FGO zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war. Hiernach schließt jedes Verschulden —also auch einfache Fahrlässigkeit— die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (, Rz 10). Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

14 Ein Fehler bei der Fristberechnung durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten —wie im Streitfall— ist regelmäßig als fahrlässig einzustufen und stellt ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden dar. Denn die Berechnung einer Rechtsmittelfrist gehört zu den Aufgaben eines Prozessbevollmächtigten, die von ihm zuverlässig ausgeführt werden muss und bei der er hohe Sorgfaltsanforderungen walten lassen muss (, Rz 11).

15 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2022:B.010922.VIR8.22.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2022 S. 344 Nr. 11
AO-StB 2022 S. 344 Nr. 11
BFH/NV 2022 S. 1190 Nr. 11
FAAAJ-22567