FG München Urteil v. - 7 K 1242/13

Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten

Steuerermäßigung im Zusammenhang mit Handwerkerleistungen

Leitsatz

1. Nach nunmehriger Rechtsprechung fällt ein einmal begründeter (und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallener) wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang zwischen Darlehen und Vermietungseinkünften durch die Veräußerung der Immobilie nicht allein deshalb weg, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird (, DStR 2014, 996).

2. Der Austausch der renovierungsbedürftigen Haustür des Klägers stellt eine begünstigte Renovierungsmaßnahme i. S. d. § 35a Abs. 4 EStG dar. Es handelt sich dabei um Leistungen, die in unmittelbaren Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung des Klägers dienen.

Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 S. 1, EStG § 35a Abs. 2 S. 2

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Gründe

I.

Streitig ist, ob Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch nach einer Veräußerung der Immobilie außerhalb der Spekulationsfrist berücksichtigt werden können und ob Arbeitskosten eines Schreiners im Zusammenhang mit dem Austausch einer Haustür als Handwerkerleistung i.S.d. § 35a Einkommensteuergesetz (EStG), anzuerkennen sind.

Der Kläger wurde in den Streitjahren 2011 und 2012 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom hatte der Kläger an dem Grundstück L Miteigentumsanteile von 29,8/1000 und 1/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nummer 19 und dem Tiefgaragenstellplatz Nummer 54 erworben. Der Kaufpreis war durch ein Darlehen der Sparkasse in Höhe von 345.496,47 DM (ca. 176.650 EUR) finanziert worden. Der Kläger hatte die Immobilie nach dem Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten bis zum späteren Verkauf durch notariellen Vertrag vom zu Wohnzwecken vermietet. Da der erzielte Veräußerungspreis von 85.000 EUR nicht ausreichte, um die zum noch bestehende Restschuld des Immobiliendarlehens von 146.000 EUR in voller Höhe zu tilgen, beantragte der Kläger in den Anlagen V zu den Einkommensteuererklärungen 2011 und 2012 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Berücksichtigung der an die Sparkasse entrichteten Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 EUR sowie im Jahr 2011 weitere Schuldzinsen aus einem bei der Bank aufgenommenem Darlehen in Höhe von 189,93 EUR und einem Mietenkonto in Höhe von 66,09 EUR. Die Restschuld des bei der Sparkasse aufgenommenen Darlehens betrage zum noch 67.000 EUR. Außerdem machte der Kläger im Jahr 2012 20 v.H. der in der Rechnung einer Schreinerei vom ausgewiesenen Arbeitskosten von brutto 2.200,44 EUR für die Herstellung, Lieferung und Montage einer Haustür als Handwerkerleistung i.S.d. § 35a EStG, d.h. einen Betrag von 467 EUR, geltend.

Das Finanzamt ließ in den Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 die geltend gemachten Schuldzinsen unberücksichtigt, die im Jahr 2012 geltend gemachten Handwerkerleistungen im Zusammenhang mit der Rechnung der Schreinerei wurden berücksichtigt (vgl. Einkommensteuerbescheid für 2011 vom bzw. für 2012 vom ). Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter und vertieft sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Er begehre allerdings nur noch die Berücksichtigung der auf das Darlehen bei der Sparkasse entfallenden Schuldzinsen. Nach dem könnten die Schuldzinsen für ein zur Anschaffung eines Mietobjekts aufgenommenes Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn und soweit der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der Darlehensverbindlichkeit ausreiche. Die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 28. März 2013 geäußerte Einschränkung, dass der Werbungskostenabzug in den Fällen einer nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) nichtsteuerbaren Immobilienveräußerung zu versagen sei, widerspreche diesem Urteil. Der nachträgliche Schuldzinsenabzug sei deshalb auch bei Immobilienobjekten möglich, die erst nach der zehnjährigen Veräußerungsfrist verkauft würden.

Soweit das Finanzamt hilfsweise die Rückgängigmachung der anerkannten Steuerermäßigung nach § 35a EStG beantrage, wendet der Kläger ein, dass es sich bei dem Austausch einer über 60 Jahre alten Haustüre eindeutig um eine begünstigte Handwerkerleistung handle.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom und sowie der Einspruchsentscheidung vom bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 EUR für die Jahre 2011 und 2012 zum Abzug zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Fall einer Klagestattgabe, den bei der Einkommensteuerfestsetzung 2012 bisher berücksichtigten Ermäßigungsbetrag für Handwerkerleistungen in Höhe von 467 EUR zu kürzen und insoweit mit der sich aus dem Klageantrag ergebenden Steuerminderung zu saldieren.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 versehentlich die Arbeitskosten laut Rechnung der Schreinerei vom als Handwerkerleistung anerkannt worden seien. Die Steuerermäßigung könne jedoch hinsichtlich der Lohnkosten nicht gewährt werden, weil die Fertigung der Haustür wegen der dazu notwendigen Maschinen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Schreinerwerkstatt und nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Absatz 2 der FinanzgerichtsordnungFGO –).

Gründe

II.

Die Klage ist begründet.

1. Der Kläger hat in Höhe der Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 EUR in den Jahren 2011 und 2012 steuerlich abziehbare Werbungkosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Ein steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen (d.h. tatsächlichen) Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjektes wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt (vgl. , BStBl II 2013, 275, m.w.N.).

Der BFH hat mit dem genannten Urteil in BStBl II 2013, 275 die in der früheren Rechtsprechung vertretene Auffassung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. etwa , BFH/NV 1995, 966) aufgegeben. Nach nunmehriger Rechtsprechung fällt ein einmal begründeter (und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallener) wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang zwischen Darlehen und Vermietungseinkünften durch die Veräußerung der Immobilie nicht allein deshalb weg, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird (, DStR 2014, 996). Die gesetzgeberische Grundscheidung im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, Wertsteigerungen im privaten Vermögensbereich in erweitertem Umfang steuerlich zu erfassen, gebiete vielmehr die Erweiterung der Surrogationsbetrachtung auch bei Veräußerung der Immobilie, auch wenn diese nicht steuerbar erfolgt. Ebenso verhält es sich bei einer Umschuldung des Darlehens. Auch insoweit setzt sich der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zwischen dem Darlehen und den Einkünften aus der Vermietung –unabhängig von der Veräußerung und mithin auch unabhängig von der Frage ihrer Steuerbarkeit– am Veräußerungspreis fort. Daher sind nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen entfallen, grundsätzlich auch nach einer Veräußerung der Immobilie außerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG weiter als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2013, 275), da sie dem Grunde nach durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sind (so schon , BFH/NV 1999, 594).

Die genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, da die maßgeblichen Schuldzinsen weiterhin auf das Darlehen bei der Sparkasse gezahlt worden sind, das zur Finanzierung der Anschaffung der einer Vermietung dienenden Immobilie aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist. Der einmal begründete und zwischenzeitlich auch nicht aus anderen Gründen weggefallene wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang zwischen Darlehen und Vermietungseinkünften ist durch die Veräußerung der Immobilie nicht entfallen. Die streitigen Schuldzinsen von jeweils 2.478,96 EUR sind somit durch die frühere Einkünfteerzielung veranlasst und als Werbungskosten in den Jahren 2011 und 2012 abzugsfähig. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuerbeträge nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung wird dem Finanzamt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO übertragen.

2. Darüber hinaus ist die Steuerermäßigung im Zusammenhang mit den Handwerkerleistungen für den Austausch der Haustür nicht rückgängig zu machen.

Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, um 20 %, höchstens um 600 EUR. Nach § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.

Handwerkerleistungen werden vom BFH als einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten definiert, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. , BStBl II 2014, 882 m.w.N.). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten (BTDrucks 16/643, 10, und BTDrucks 16/753, 11), aber auch die Reparatur, Wartung und Austausch von Gas- und Wasserinstallationen (Barein in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 35a Rz 25).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den geltend gemachten Arbeitskosten um Handwerkerleistungen i.S.d. § 35a Abs. 4 EStG. Der Austausch der renovierungsbedürftigen Haustür des Klägers stellt eine begünstigte Renovierungsmaßnahme i.S.d. § 35a Abs. 4 EStG dar. Es handelt sich dabei um Leistungen, die in unmittelbaren Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung des Klägers dienen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Fundstelle(n):
GStB 2015 S. 387 Nr. 11
KÖSDI 2015 S. 19593 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2017 S. 4
XAAAF-04860