NWB-EV Nr. 12 vom Seite 429

Auskunftsansprüche in Zusammenhang mit einer Erbschaft

Anspruchsinhalte und ihre Durchsetzung

Dr. Ingeborg Haas *

Mit dem Tod eines Menschen können bei verschiedenen Personen Ansprüche entstehen, die diese nur dann durchsetzen können, wenn sie über die erforderlichen Informationen verfügen. Das Erbrecht hält eine Reihe von Auskunftsansprüchen bereit, die je nachdem, welche Position eine Person nach dem Todesfall einer anderen Person hat, variieren können. In der Regel unterliegen diese Ansprüche einer relativ kurzen Verjährungsfrist (drei Jahre seit Kenntnis vom Todesfall), so dass potentiell berechtigte Personen möglichst zeitnah mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche beginnen sollten. Nachfolgend finden Sie eine Zusammenstellung der in Betracht kommenden Ansprüche und der damit einhergehenden Besonderheiten.

I. Ansprüche des Erben

1. Anspruch gegen den Erbschaftsbesitzer

a) Anspruchsinhalt

Mit dem Erbfall wird der Erbe zwar Eigentümer sämtlicher Gegenstände, die sich im Vermögen des Verstorbenen befunden haben, dies bedeutet aber nicht, dass er auch tatsächlich auf diese Gegenstände zugreifen kann.

Haben andere Personen die Erbschaft im Besitz, weil sie sich auf ein vermeintliches Erbrecht berufen (Erbschaftsbesitzer), kann der Erbe zwar dahingehend Klage erheben, dass die Gegenstände an ihn herausgegeben werden, in der Klage muss er aber jeden einzelnen Gegenstand genau bezeichnen, damit in der Zwangsvollstreckung der Gerichtsvollzieher ggf. in der Lage ist, den Gegenstand zu identifizieren, der an den Erben zu übergeben ist. Kennt der Erbe nicht alle Gegenstände, die sich im Besitz einer anderen Person befinden, hat er zunächst die Möglichkeit, einen Auskunftsanspruch gegen den sogenannten Erbschaftsbesitzer geltend zu machen (§ 2027 Abs. 1 BGB). In diesem Verfahren muss der Erbschaftsbesitzer dann genau bezeichnen, welche Gegenstände aus dem Erbe sich in seinem Besitz befinden. Auf der Grundlage dieser Auskunft kann dann die Herausgabeklage geltend gemacht werden.

Im Rahmen des Auskunftsverfahrens wird dann ggf. geklärt, ob der Anspruchsteller tatsächlich Erbe geworden ist. Grundsätzlich ist die Person, die für sich in Anspruch nimmt, Erbe zu sein, beweispflichtig dafür, dass sie tatsächlich Erbe geworden ist. Dies kann bspw. durch die Vorlage eines Testaments geschehen. Kann der Erbschaftsbesitzer dann nicht nachweisen, dass das Testament durch eine andere letztwillige Verfügung überholt oder falsch ist, hat der Erbe den erforderlichen Nachweis erbracht. Wird dies im Verfahren bestätigt, so ist er verpflichtet, dem Erben ein schriftliches Verzeichnis zu erteilen, das auch so übersichtlich und konkret sein muss, dass die jeweiligen Gegenstände genau identifiziert werden können. Beispielsweise sind daher Fahrzeuge mit der Fahrgestellnummer zu versehen.

Um zu gewährleisten, dass auch tatsächlich sämtliche Gegenstände im Verzeichnis aufgeführt werden, kann der Erbe vom Erbschaftsbesitzer verlangen, dass dieser seine Angaben im Rahmen der Auskunft an Eides statt versichert (§ 260 Abs. 2 BGB). Der Erbschaftsbesitzer macht sich damit dann strafbar, wenn er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgibt.

b) Prozessuale Durchsetzung

Die Ansprüche auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung und ggf. die folgende Herausgabe des Erlangten (§ 2018 BGB) können in einer sogenannten Stufenklage miteinander verbunden werden (§ 254 ZPO). Dabei wird zunächst nur der Auskunftsanspruch geltend gemacht. Erst wenn die erforderliche Auskunft erteilt wird, kann dann ggf. mit der Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die nächste Stufe eröffnet werden und gleichzeitig oder nach der Erledigung der zweiten Stufe die Herausgabeklage anhängig gemacht werden. Erteilt der Erbschaftsbesitzer trotz entsprechender Verurteilung die Auskunft nicht, kann der Anspruch durch Zwangsgeld oder Zwangshaft erzwungen werden.

2. Ansprüche gegen sonstige Besitzer

Gelegentlich befinden sich Erbschaftsgegenstände auch im Besitz von Personen, die nicht Erbschaftsbesitzer sind. Das sind die Personen, die beispielsweise aufgrund eines Leih- oder Mietverhältnisses oder wegen einer Reparatur Gegenstände des Erblassers besitzen. Anders als der Erbschaftsbesitzer (s. o. I. 1.) besitzen sie diese nicht deshalb, weil sie sich auf ein Erbrecht berufen.S. 430

  • Soweit diese Personen die Gegenstände nach dem Erbfall in ihren Besitz gebracht haben, besteht gegen sie ein Auskunftsanspruch des Erben (§ 2017 Abs. 2 BGB).

  • Personen, die die Gegenstände schon vor dem Erbfall in ihren Besitz gebracht haben oder denen sie überlassen wurden, sind dem Erben gegenüber nicht auskunftspflichtig.

Bei denjenigen, die die Gegenstände nach dem Erbfall in ihren Besitz gebracht haben, besteht der Auskunftsanspruch des Erben völlig unabhängig davon, ob sie bösgläubig waren oder gutgläubig, ob sie aus eigennützigen Interessen oder im Interesse des Erben gehandelt haben, z. B. um zu verhindern, dass diese Gegenstände anderweitig verschwinden. Selbst dann, wenn ihnen gar nicht bekannt ist, dass es sich um Nachlassgegenstände handelt, sind sie auskunftspflichtig, und zwar im gleichen Umfang wie die Erbschaftsbesitzer.

Die Ansprüche des Erben können ebenfalls genauso wie bei den Erbschaftsbesitzern im Rahmen einer Stufenklage auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung und sodann Herausgabeklage geltend gemacht werden.

3. Ansprüche gegen Hausgenossen

Hausgenossen sind all die Personen, die mit dem Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls in häuslicher Gemeinschaft lebten. Es ist nicht entscheidend, dass es sich um Familienangehörige oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder ähnliches handelt. Alle Personen, die zum Zeitpunkt des Todes mit dem Erblasser unter einem Dach lebten, sind hiervon betroffen. Dies können also auch das Pflegepersonal oder Mieter im Haushalt des Erblassers sein.

Der Anspruch gegen diese Personen (§ 2028 BGB) richtet sich auf Auskunft über sämtliche Handlungen, die der Hausgenosse in Bezug zum Nachlass ausgeführt hat. Hat beispielsweise das Pflegepersonal gleichzeitig auch Zahlungen für den Erblasser veranlasst oder eine Barkasse verwaltet, sind darüber Auskünfte zu erteilen.

Unter Umständen ist parallel ein Auskunftsanspruch gegen die gleiche Person als Erbschaftsbesitzer oder sonstiger Besitzer denkbar.

Der Anspruch gegen den Hausgenossen richtet sich „nur“ auf Erteilung der Auskunft. Er hat gerade im Unterschied zum Erbschaftsbesitzer und sonstigen Besitzern ja nichts herauszugeben. Dementsprechend kann im Rahmen der Stufenklage die eidesstattliche Versicherung auch nur dahingehend gefordert werden, dass er erklärt, dass die erteilte Auskunft vollständig ist.

Auch hier ist im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Festsetzung eines Zwangsgeldes oder sogar eine Zwangshaft denkbar (§ 888 ZPO).

4. Auskunftsanspruch zwischen Erben

Wenn mehrere Personen erben, so bestehen auch zwischen ihnen Auskunftsansprüche, die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ableiten. Sie sind nicht gesetzlich geregelt. Der Anspruchsteller muss neben dem Nachweis seiner Erbenstellung auch vortragen und beweisen, dass er auf die Auskunft dringend angewiesen ist und dass seine Unkenntnis unverschuldet ist. Weiter ist Voraussetzung, dass der in Anspruch genommene Miterbe seinerseits ohne große Mühe Auskunft erteilen kann.

Weiter besteht ein Anspruch zwischen den Abkömmlingen des Erblassers, Auskunft darüber zu erteilen, welche Zuwendungen sie zu Lebzeiten des Erblassers als Ausstattung erhalten haben (§ 2057 BGB). Dies gilt auch für „Zuschüsse“, die der einzelne Abkömmling zu dem Zweck erhalten hat, dass sie als Einkünfte bei ihm verwendet werden oder die im Rahmen einer Ausbildung für einen Beruf geflossen sind.

5. Auskunftsanspruch gegen den vorläufigen Erben

Der Erbe hat auch gegenüber der Person, die vorläufig als Erbe angesehen wird, Ansprüche. Diese Situation kann beispielsweise eintreten, wenn zunächst nicht klar ist, ob der Erbe die Erbschaft annimmt.

Der vorläufige Erbe darf, solange die Erbschaft nicht endgültig bei dem Erben angefallen ist, über den Nachlass verfügen. Seine Berechtigung verliert er erst rückwirkend mit dem Anfall der Erbschaft bei einer anderen Person. Anders als der Erbschaftsbesitzer haftet er für Verfügungen nicht, da er bis zum Anfall der Erbschaft bei den tatsächlichen Erben davon ausgehen durfte, selbst Erbe zu sein (§ 1959 Abs. 3 BGB). Er ist aber dem Erben gegenüber zur Herausgabe und zur Auskunft nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet (§§ 1959 Abs. 1, 681 S. 2, 667, 666 BGB). Dabei muss er Auskunft über die von ihm getätigten Geschäfte geben, die sich auf den Nachlass beziehen.

Auch ihm gegenüber können die Ansprüche durch eine Stufenklage auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Herausgabe durchgesetzt werden.

6. Auskunftsanspruch gegen den Scheinerben

Der Erbe hat auch einen Anspruch gegenüber demjenigen, dem aufgrund eines Fehlers ein Erbschein erteilt worden ist (§ 2362 Abs. 2 BGB). Der sogenannte Scheinerbe muss Auskunft über den Bestand und den Verbleib der Erbschaftsgegenstände geben. Wie der Erbschaftsbesitzer muss auch der Scheinerbe ein Bestandsverzeichnis erstellen und ggf. dessen Richtigkeit an Eides statt versichern.

7. Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker

Wenn der Erblasser einen Testamentsvollstrecker eingesetzt hat (§ 2197 BGB), verwaltet dieser in einem bestimmten Umfang den Nachlass. Er muss unverzüglich nach Amtsantritt ein Nachlassverzeichnis errichten (§ 2215 BGB).

Das Verzeichnis muss der Testamentsvollstrecker auf Verlangen des Erben in öffentlich beglaubigter Form unterzeichnen (§ 2215 Abs. 2 BGB). Er hat auch das Recht, bei der Aufnahme des Verzeichnisses zugezogen zu werden (§ 2215 Abs. 3 BGB). Der Erbe kann auch verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird (§ 2215 Abs. 4 BGB).S. 431

Darüber hinaus muss der Testamentsvollstrecker dem Erben – sogar ohne entsprechende Aufforderung – über alle für den Nachlass im rechtlichen und wirtschaftlichen Sinne erheblichen Vorgänge berichten (§§ 2218 Abs. 1, 666 BGB). Verletzt er diese Pflicht, kann das Nachlassgericht ihn auf Antrag des Erben entlassen (§ 2227 BGB).

8. Ansprüche gegen den Nachlassverwalter

Wenn der Erbe nicht bekannt ist oder nicht klar ist, ob der Erbe das Erbe annimmt, muss das Nachlassgericht zur Sicherung des Nachlasses einen Pfleger bestellen (Nachlassverwalter, § 1960 BGB). Er ist dem oder den Erben gegenüber dann auskunftsverpflichtet. Dazu muss er über den Bestand des Nachlasses ein Verzeichnis errichten (§ 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB). Auch er ist verpflichtet, ggf. die Richtigkeit des Verzeichnisses an Eides statt zu versichern.

Wie alle anderen Auskunftsverpflichteten, die Verzeichnisse errichten müssen, ist auch hier die Zwangsvollstreckung durch die Festsetzung eines Zwangsgeldes oder sogar die Zwangshaft möglich.

II. Ansprüche des Nacherben

Der Nacherbe ist Erbe des Erblassers, nicht des Vorerben (§ 2100 BGB). Er hat gegenüber diesem einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand der Erbschaft in Form eines Verzeichnisses der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände (§§ 2121, 2127 BGB).

Der Nacherbe hat ebenso wie der Vorerbe einen Auskunftsanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer (s. o. I. 1.). Ihm steht auch ein Auskunftsanspruch gegen den sonstigen Besitzer (s. o. I. 2.) und den Hausgenossen (s. o. I. 3.) zu. Wenn mehrere Personen Nacherben werden haben sie auch gegeneinander Auskunftsansprüche (s. o. I. 4.).

Auch im Fall der Nacherbschaft kann die Situation eintreten, dass zunächst nicht klar ist, ob die Erbschaft angenommen wird. Tritt dieser Fall dann ein, hat der Nacherbe gegenüber einem eventuellen vorläufigen Erben die gleichen Ansprüche, wie sie der Erbe hat (s. o. I. 5.). Gleiches gilt auch für den Fall der Scheinerbschaft (s. o. I. 6.).

In den Fällen, in denen die Testamentsvollstreckung auch noch auf den Nacherbfall nachwirkt, hat auch der Nacherbe die entsprechenden Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker (s. o. I. 7.). Auch wenn ein Fall von Nachlassverwaltung vorliegt, stehen dem Nacherben die entsprechenden Auskunftsansprüche, wie sie dem Vorerben zugestanden haben, zu (s. o. I. 8.).

III. Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten

1. Ansprüche gegen die Erben

Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge, die Eltern und der Ehegatte des Erblassers (§ 2303 BGB), die aufgrund testamentarischer Verfügung enterbt worden sind. Gleichwohl steht ihnen ein Anspruch gegen die Erbmasse zu.

Um diesen Anspruch in Höhe seines Pflichtteils geltend machen zu können, räumt das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten einen Auskunftsanspruch gegen den oder die Erben ein (§ 2314 BGB). Diese müssen ein Bestandsverzeichnis über den Nachlass fertigen (§ 260 BGB) und ggf. gemeinsam mit dem Pflichtteilsberechtigten eine Wertermittlung durchführen. Diese ist auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten durch einen unparteiischen Sachverständigen herbeizuführen. Dem Pflichtteilsberechtigten steht das Recht zu, bei der Anfertigung des Verzeichnisses anwesend zu sein. Alternativ kann er verlangen, dass das Verzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird.

2. Ansprüche gegen Beschenkte

Da der Pflichtteilsberechtigte auch Ansprüche hinsichtlich Vermögensgegenständen geltend machen kann, die zum Zeitpunkt des Todesfalls durch Schenkungen dem Nachlass bereits entzogen waren, erstreckt sich der Auskunftsanspruch auch auf die Informationen über sämtliche Schenkungen, die der Erblasser an Dritte innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall getätigt hat. Auch Schenkungen, die im Ergebnis bei dem Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht berücksichtigt werden, sind in diese Auskunft mit aufzunehmen. Daher sind auch die ehebedingten Zuwendungen, die nicht als Schenkungen im klassischen Sinne verstanden werden, zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Schenkungen richtet sich der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten direkt gegen den Beschenkten.

3. Durchsetzung der Ansprüche

Gegebenenfalls kann die pflichtteilsberechtigte von der auskunftsberechtigten Person die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Bestandsverzeichnisses verlangen.

IV. Auskunftsanspruch des Vermächtnisnehmers

Da der Vermächtnisnehmer nicht Erbe ist, hat er nicht unmittelbar Kenntnis über den Nachlass. Um seinen Anspruch gegen den Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses geltend zu machen, ist er daher unter Umständen auf entsprechende Auskünfte des Erben angewiesen. Dieser Auskunftsanspruch wird aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben abgeleitet, da das Gesetz keinen ausdrücklichen Auskunftsanspruch für den Vermächtnisnehmer vorsieht. Dies hat zur Folge, dass der Auskunftsanspruch des Vermächtnisnehmers lediglich auf die Informationen gerichtet ist, die für die Durchsetzung seines konkreten Anspruchs notwendig sind. Ein Verzeichnis über den gesamten Nachlass beispielsweise muss ihm nicht erteilt werden.

Autorin

Dr. Ingeborg Haas
ist als Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht in Ingelheim am Rhein und als Partnerin der Kanzlei Prof. Dr. Schmorleiz & Partner in Mainz tätig.

Fundstelle(n):
NWB-EV 12/2014 Seite 429
NWB XAAAE-79974