Finanzgericht Hamburg Beschluss v. - 3 KO 56/17 EFG 2017 S. 1620 Nr. 19

FGO: Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens - Erledigungsgebühr bei tatsächlicher Verständigung

Leitsatz

1. Kosten eines Privatgutachtens sind erstattungsfähig, wenn nur dadurch der Beteiligte sich eine ausreichende Grundlage für seinen Vortrag verschaffen und das Gericht zur Beweisaufnahme veranlassen kann.

2. Für die Erledigungsgebühr zeigt sich in der signifikant nachgebenden tatsächlichen Verständigung eine besondere und kausale Erledigungs-Mitwirkung.

Gesetze: FGO § 139, ZPO § 91, VwGO § 162

Gründe

A. Erinnerung der Klägerin wegen Privatgutachten

Die Erinnerung der Klägerin vom 12. (eingeg. 16.) Januar 2017 betreffend die begehrte Erstattung der Kosten für das am als "Stellungnahme" eingereichte Privatgutachten ist in der entsprechend JVEG angemessenen Höhe begründet.

I.

Dem Grunde nach sind Kosten für Privatgutachten (oder Parteigutachten) nur ausnahmsweise erstattungsfähig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Aufwendungen i. S. v. § 139 Abs. 1 FGO (wie § 91 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 1 VwGO).

1. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand fachlich über den Inhalt normaler Prozessführung und die übliche Sachkunde und Aufgabenverteilung unter Gericht und Beteiligten hinausgeht (vgl. , Datev, Juris); wie zum Beispiel in der Fallgruppe der Ermittlung anwendbaren ausländischen Rechts, im Unterschied zu einem überflüssigen Gutachten über deutsches Recht oder Steuerrecht (, BFHE 119, 14, BStBl II 1976, 574).

Denn ansonsten ist ein Privatgutachten überflüssig und ist es ohnehin nach deutschem Prozessrecht grundsätzlich Sache des Gerichts, nötige Beweise zu erheben und Sachverständigen-Gutachten einzuholen, sei es auf Antrag oder - evtl. auf Anregung - von Amts wegen (§§ 81, 15, 402 ff. ZPO; Beschlüsse , OLGR Naumburg 2007, 421; (II-E, EFG 1996, 34 betreffend Grundstücks-Verkehrswert).

2. Unter Umständen kann zur Wahrnehmung des Interesses am Prozesserfolg bei schwierigen Fragen und fehlender Sachkunde ein Privatgutachten für den Beteiligten erforderlich sein, wenn er sich nur so eine ausreichende Grundlage für den eigenen Vortrag, für eine Erwiderung oder für eine Auseinandersetzung mit einer bereits vorliegenden Äußerung eines Sachverständigen verschaffen kann; beispielsweise bei schwierigeren Fragen der Bewertung oder Wertentwicklung (, Datev, Juris); insbesondere bei der Beurteilung der Vermögensverhältnisse oder bei der Anteils- oder Unternehmensbewertung (, ZEV 2007, 536, Juris Rz. 13); und zwar auch bei bis zu einem gewissen Grad vorhandenen, aber nicht hinreichend spezialisierten eigenen wirtschaftlichen Kenntnissen des Prozessbevollmächtigten (, OLGR Naumburg 2007, 421), wie hier als Steuerberater.

3. Entsprechendes gilt umso mehr nach Aufforderung seitens des Prozessgegners oder erst recht des Gerichts an den Beteiligten zur weiteren Auseinandersetzung mit einem bereits vorgelegten Gutachten oder zur Einreichung eines Privatgutachtens (vgl. Beschlüsse , Datev, Juris Rz. 32; , EFG 1989, 140; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz. 26); wie hier mit dem gerichtlichen Hinweis vom

"Vielmehr müsste die Klägerseite konkret und objektiv nachprüfbar darlegen, warum die Unternehmensbewertung der Sozietät ... unzutreffend war ...";

zumal wenn dementsprechend nur durch ein entsprechendes Privatgutachten eine weitere inhaltliche Förderung des Prozesses zu erwarten war und nur dadurch das Gericht zur Beweisaufnahme durch gerichtliche Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens veranlasst werden konnte oder wurde (Beschlüsse Bay. 8 C 13.313; , ZEV 2007, 536, Juris Rz. 14 ff; ; Brandt in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 139 FGO Rz. 225 Fn. 881); wie hier gemäß Aktenlage mit Beweisbeschluss vom .

...

II.

Der Höhe nach sind die Kosten für das Privatgutachten in der mit Schriftsatz vom 18. (eingeg. 22.) Mai 2017 entsprechend § 9 JVEG i. V. m. mit Anlage 1 Nr. 6.1 neu spezifizierten Höhe begründet.

1. Dieser Betrag liegt unter dem bezahlten und ursprünglich geltend gemachten Betrag und stellt keine unzulässige Erweiterung der Erinnerung dar (vgl. , EFG 2012, 2157).

2. Im Finanzprozess ist die Vergütung entsprechend der gesetzlichen Honorierung gerichtlich bestellter Sachverständige angemessen; und zwar bei fehlender anderer Vereinbarung der Beteiligten oder sonstiger Gesichtspunkte der Waffengleichheit mit Rücksicht darauf, dass das beklagte Finanzamt gemäß § 139 Abs. 2 FGO keine außergerichtlichen Kosten ersetzt verlangen kann (Beschlüsse , Datev, Juris; , EFG 1989, 140; zu letzterer Vorschrift , Juris).

B. Erinnerung des Finanzamts wegen Erledigungsgebühr

Unbegründet ist die Erinnerung des beklagten Finanzamts gegen die von der Kostenbeamtin für den Prozessbevollmächtigten des Klägers berücksichtigte Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr, RVG Anlage 1 Nr. 1001 - 1003 (vgl. zur entsprechenden Bedeutung trotz unterschiedlicher Bezeichnung , DStRE 2011, 1159; EFG 2011, 468; NVwZ-RR 2011, 463, EFG 2011).

Wie bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss näher ausgeführt, zeigt sich die besondere auf Erledigung gerichtete und kausale Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten in der bei Erörterung des gerichtlich eingeholten Gutachtens getroffenen und gegenüber dem Klagebegehren signifikant nachgebenden tatsächlichen Verständigung (Protokoll vom ; vgl. FG Hamburg, Beschlüsse vom 3 KO 114/16, Juris; vom 3 KO 110/14, EFG 2014, 1818, Juris Rz. 26; zusammenfassend vom 3 KO 298/14, EFG 2015, 845, Juris Rz. 16).

C. Nebenentscheidungen

1. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens folgt aus § 136 Abs. 1, 2 FGO und berücksichtigt die Reduzierung der mit der Erinnerung der Klägerin geltend gemachten Kosten für das Privatgutachten (oben B).

Gerichtskosten für das Erinnerungsverfahren sieht das GKG nicht vor.

2. Die Unanfechtbarkeit folgt aus § 128 Abs. 2 FGO.

3. Die Entscheidung ergeht gemäß § 149 Abs. 3 und Abs. 4, § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO durch den Berichterstatter des nach der FG-Geschäftsverteilung zuständigen Kostensenats (vgl. Beschluss vom 3 KO 197/10, EFG 2011, 468).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
EFG 2017 S. 1620 Nr. 19
WAAAG-57202