NWB Nr. 22 vom Seite 1642

Haftungsrisiken des Steuerberaters beim Mindestlohn

Auf Abgrenzung der Verantwortung achten

Dr. Norbert H. Hölscheidt *

[i]Krusche/Ratzesberger/Steinheimer, Das neue Mindestlohngesetz (MiLoG), NWB Verlag Herne, 2015, ISBN: 978-3-482-65851-8Eine Bestandsaufnahme zur praktischen Handhabung des Mindestlohns zeigt erhebliche Unsicherheiten in der Beurteilung zahlreicher Einzelfragen. Nicht nur eine direkte Beratung des Mandanten zu Fragen des Mindestlohns, sondern auch bereits die Erstellung von Lohnbuchhaltung und Lohnabrechnungen bergen erhebliche Haftungsrisiken für den Steuerberater. Die Aufgabenverteilung zwischen Berater und Mandant zur notwendigen Klärung offener Fragen sollte ausdrücklich angesprochen, der Inhalt und Umfang und auch die Grenzen des dem Steuerberater erteilten Auftrags sollten unbedingt schriftlich dokumentiert werden.

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I. Gesetzlicher Mindestlohn

[i]Flächendeckend 8,50 € Mindestlohn ab 1. 1. 2015Das Mindestlohngesetz (MiLoG – Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns vom , BGBl 2014 I S. 1348) hat mit Wirkung zum einen allgemeinen Mindestlohn von 8,50 € brutto je Zeitstunde in Deutschland flächendeckend (mit wenigen Ausnahmen und Übergangsregelungen) eingeführt (§ 1 Abs. 1, 2 Satz 1 MiLoG).S. 1643 Erste praktische Erfahrungen mit dem neuen Gesetz liegen inzwischen vor. Der zusätzliche bürokratische Aufwand für Arbeitgeber ist nicht unerheblich, die Sanktionen bei Verstößen gegen das Gesetz ebenfalls.

Die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns an ihre im Inland beschäftigten Arbeitnehmer trifft Arbeitgeber mit Sitz im Inland oder Ausland (§ 20 MiLoG). Der Mindestlohn muss pünktlich an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden (§ 2 Abs. 1 MiLoG). Der Mindestlohn ist unabdingbar, der Arbeitnehmer kann darauf auch nicht verzichten, außer im Wege eines gerichtlichen Vergleichs (§ 3 MiLoG).

II. Kontrolle und Durchsetzung des Mindestlohns

[i]Dokumentationspflichten des ArbeitgebersDer Arbeitgeber muss Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertags aufzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufbewahren [i]Zu den Transitfällen Steinheimer/Krusche, NWB 12/2015 S. 851(§ 17 Abs. 1 Satz 1 MiLoG). Arbeitgeber mit Sitz im Ausland haben weitergehende Meldepflichten (§ 16 MiLoG). Die für die Prüfung der Einhaltung dieser Arbeitgeberpflichten zuständigen Behörden der Zollverwaltung (§ 14 MiLOG) haben weitgehende Kontroll- und Einsichtsrechte in Arbeitsverträge und andere Geschäftsunterlagen (§ 15 MiLoG).

Zivilrechtlich hat der Arbeitnehmer unmittelbar einen einklagbaren Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns gegen den Arbeitgeber (§ 1 Abs. 1 MiLoG). [i]Sanktionen bei Pflichtverstößen des ArbeitgebersArbeitgeber, die gegen die Pflichten zur Zahlung des Mindestlohns, zur Führung der Aufzeichnungen oder zur Mitwirkung bei Kontrollen und Prüfungen verstoßen, handeln ordnungswidrig und setzen sich damit der Verhängung von Geldbußen aus (§ 21 MiLoG). Sie sind außerdem von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen (§ 19 MiLoG).

III. Unsicherheiten bei der Ermittlung des Mindestlohns

[i]Welche Bezüge sind auf den Mindestlohn anrechenbar?Welche Teile der Bezüge, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ausgezahlt bekommt, auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden, ist in Teilbereichen abhängig von den konkreten Umständen und den Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und teilweise auch noch nicht abschließend geklärt. [i]Wörz, NWB 20/2015 S. 1481Zweifelsfragen können insbesondere bei der Zahlung von Zulagen und Zuschlägen, Einmalzahlungen, Sachbezügen, Jobtickets und Warengutscheinen, Trinkgeldern, Reisekostenerstattungen und Auslagenersatz, Erfolgsbeteiligungen und umsatzabhängigen Prämien, Entgeltumwandlungen zur betrieblichen Altersvorsorge, Arbeitszeitkonten mit Minusstunden etc. auftreten.

[i]Haftungsrisiko trägt der Arbeitgeber ...Das Risiko, durch eine unzutreffende Beurteilung von Vergütungsbestandteilen einen zu niedrigen Lohn an Arbeitnehmer zu zahlen und sich damit neben möglichen Nachforderungen der Arbeitnehmer auch den im Gesetz vorgesehenen Sanktionen (insbesondere der Verhängung von Geldbußen) auszusetzen, trägt – wie allgemein im Wirtschaftsleben – grds. der Unternehmer als Arbeitgeber.

[i]... und u. U. auch der SteuerberaterSteuerberater werden in großem Umfang mit der Lohnbuchhaltung ihrer Mandanten und der Erstellung der Lohnabrechnungen für die Arbeitnehmer beauftragt. Dazu beauftragen die Mandanten den Steuerberater vielfach auch mit der Klärung von offenen Fragen aus dem Bereich der Lohnbuchhaltung und der Sozialversicherung. Fragen des Mindestlohns kommen derzeit häufig hinzu. Die Unsicherheiten und Risiken aus einer im Nachhinein festgestellten unrichtigen Behandlung treffen damit nicht mehr nur den Mandanten als Arbeitgeber, sondern auch den steuerlichen Berater in eigener Person. Auch wenn der Steuerberater sich nicht unmittelbar den Sanktionen des Mindestlohngesetzes (insbesondere einer Geldbuße) ausgesetzt sieht, weil er bei der Tätigkeit für seine Mandanten nicht die im Gesetz geregelten Pflichten als eigene S. 1644(Arbeitgeber-)Pflichten einhalten muss, kommt doch eine Beteiligung des Beraters an einer Ordnungswidrigkeit des Mandanten im Wege einer Anstiftung oder Beihilfe in Betracht (und insoweit dann doch wieder die Verhängung einer Geldbuße gegen den Berater), außerdem droht eine zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters für die Vermögensschäden, die dem Mandanten in diesem Zusammenhang entstehen können.

Hinweis

In der Praxis herrscht daher derzeit große Unsicherheit bei der täglichen Anwendung der neuen Regelungen, da die gesetzlichen Vorschriften des Mindestlohngesetzes viele Einzelfragen [i] www.bstbk.de ungeklärt lassen. Für den Berufsstand der Steuerberater hat der Präsident der Bundessteuerberaterkammer sich in einem Schreiben vom an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales dafür eingesetzt, bestehende Probleme beim Mindestlohn zu beseitigen und verlässliche Grundlagen für den Bereich der Lohnsteuer und Sozialversicherung zu schaffen. Vorausgegangen war eine entsprechende Resolution der [i] www.dstv.de Bundeskammerversammlung vom selben Tag. Auch der Deutsche Steuerberaterverband e. V. hat im März 2015 im Rahmen einer Eingabe an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einige konkrete Punkte angesprochen, in denen das Gesetz geändert werden oder zumindest zusätzliche Klarstellungen erhalten sollte.

IV. Risiken des Steuerberaters bei der Beratung zum Mindestlohn

[i]Gilgan, NWB 18/2015 S. 1337Wenn der Mandant den Steuerberater mit der Klärung konkreter Fragen zum Mindestlohn beauftragt und der Steuerberater diesen Auftrag annimmt, haftet der Steuerberater nach allgemeinen Grundsätzen dafür, [i]Berufsrechtliche Grenzen bei der Beratung zum Mindestlohndass die von ihm erteilte Auskunft richtig und vollständig ist. Dabei wird der Steuerberater auch darauf achten müssen, wie weit eine Klärung von Fragen zum Mindestlohn ihm berufsrechtlich überhaupt erlaubt ist. Wo die Grenzen [i]infoCenter „Rechtsberatung durch Steuerberater“ NWB IAAAB-36691 der dem Steuerberater erlaubten Rechtsdienstleistungen nach § 5 Abs. 1 RDG verlaufen, ist eine Frage des Einzelfalls.

Hinweis

Grds. gehört die Beratung zu Fragen, die sich aus dem Mindestlohngesetz ergeben, nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen (§ 1 Abs. 1, 2 StBerG), die dem Steuerberater generell erlaubt ist.

[i]Ditges, NWB 22/2014 S. 1670In Anlehnung an die aktuelle Rechtsprechung des BGH, dass der Steuerberater dann, wenn er mit einer insolvenzrechtlichen Prüfung nicht beauftragt ist und sich zu den insolvenzrechtlichen Fragen auch nicht äußert, nicht durch eine reine Weiterführung seiner laufenden Tätigkeiten (Buchhaltung, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen) eine Beihilfe zur Insolvenzverschleppung des Mandanten begeht ( NWB SAAAE-13004; [i]Steuerberater ist nicht verpflichtet, den Auftrag bezüglich Mindestlohn anzunehmen NWB TAAAE-39856; NWB UAAAE-59287), kann man hier feststellen, dass der Steuerberater nicht verpflichtet ist, von sich aus alle Fragen zum Mindestlohn für den Mandanten zu klären, und ebenfalls nicht verpflichtet ist, einen diesbezüglichen Auftrag des Mandanten anzunehmen. Wenn der Berater sich aber zu solchen Fragen gegenüber dem Mandanten äußert (gleich ob aufgrund eines Auftrags des Mandanten oder ungefragt), müssen diese Äußerungen inhaltlich zutreffend sein. Ist die Auskunft des Beraters unrichtig oder unvollständig, dann hat er dem Mandanten den dadurch entstehenden Schaden zu ersetzen.

[i]Anerkannte Pflicht des Steuerberaters: den Mandanten von einer Verletzung seiner steuerlichen Verpflichtung abhaltenNach der neueren Rechtsprechung des BGH (grundlegend: NWB MAAAD-43323) gehört es auch zu den Aufgaben des Steuerberaters, den Mandanten von einer Verletzung seiner steuerlichen Verpflichtungen abzuhalten. Demzufolge gehören zu dem Schaden, den der Steuerberater im Falle S. 1645einer unzutreffenden Beratung dem Mandanten zu ersetzen hat, auch die Kosten eines Verfahrens, das der Mandant zur Abwehr einer Geldbuße führen muss.

Hinweis

Es ist unbedingt anzuraten, einen vom Mandanten erteilten Auftrag und dessen genauen Inhalt (und Grenzen) schriftlich zu dokumentieren und gegenüber dem Mandanten auch schriftlich zu bestätigen. Sonst wird der Mandant nachträglich behaupten, der Berater hätte die Verantwortung für alle offenen Fragen übernommen, aber unzureichend beraten.

V. Risiken des Steuerberaters bei der Lohnbuchhaltung

[i]Übertragung z. B. der Dokumentationspflichten auf den Steuerberater begründet dessen Haftung für FehlerInsbesondere bei der Führung der Lohnbuchhaltung und der Erstellung der Lohnabrechnungen für den Mandanten besteht hinsichtlich der Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben zum Mindestlohn ein nicht unerhebliches Fehlerrisiko. Wenn der Mandant eigene Verpflichtungen als Arbeitgeber auf den Steuerberater überträgt (etwa die Dokumentation der Arbeitszeiten und die Aufbewahrung der Aufzeichnungen nach § 17 Abs. 1 MiLoG), gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, dass der Berater für Fehler bei diesen Tätigkeiten gegenüber dem Mandanten haftet, wenn diesem dadurch ein Schaden entsteht.

[i]Wann genau ist der Steuerberater zur Prüfung der Einhaltung der Vorschriften verpflichtet?Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, inwieweit der Steuerberater bei der Erstellung der Lohnabrechnungen auch ohne konkreten Auftrag des Mandanten prüfen muss, ob die Vorschriften zum Mindestlohn eingehalten werden. Zwar muss der Steuerberater grds. nur im Rahmen des ihm erteilten Auftrags tätig werden und muss deshalb nicht von sich aus umfassend alle Fragen des Mindestlohns prüfen. Der Berater darf sich grds. auch darauf verlassen, dass die ihm vom Mandanten erteilten Informationen zutreffend sind. Allerdings müssen die Arbeitsergebnisse des Steuerberaters (Lohnabrechnungen und Lohnbuchhaltung) den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, und der Berater darf nicht sehenden Auges daran mitwirken, dass inhaltlich fehlerhafte Abrechnungen erstellt werden.

[i]Höhe des Bruttolohns kein Anhaltspunkt für korrekten MindestlohnUnsicherheiten ergeben sich dabei zum einen aus der Höhe des Bruttolohns. Dieser wird in Höhe des Mindestlohns vom Arbeitgeber unmittelbar gegenüber dem Arbeitnehmer geschuldet. Ob der Mindestlohn von 8,50 € brutto je Zeitstunde gezahlt wird, lässt sich zumeist nicht unmittelbar aus dem gezahlten Arbeitsentgelt entnehmen, da für diese Prüfung einerseits die Zahl der Arbeitsstunden heranzuziehen ist und andererseits die Frage zu prüfen ist, welche Bestandteile der gezahlten Vergütung auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen sind und welche nicht. Damit ist in vielen Fällen nicht erkennbar, ob der Arbeitgeber mit der Lohnzahlung seine gesetzlichen Verpflichtungen aus dem Mindestlohngesetz erfüllt oder nicht.

[i]Entstehungsprinzip bei Berechnung der SozialversicherungsbeiträgeUnsicherheiten resultieren darüber hinaus auch aus der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge. Denn für die Berechnung dieser Beiträge wird nicht nur der tatsächlich gezahlte Lohn herangezogen, sondern der nach Vertrag und Gesetz geschuldete Arbeitslohn, auch soweit er nicht ausgezahlt wird. Dieses „Entstehungsprinzip“ (oder „Anspruchsprinzip“), das vom BSG in st. Rspr. angewendet wird ( NWB BAAAC-14848, B 12 KR 7/03 R NWB JAAAC-14961, B 12 KR 10/03 R NWB LAAAC-14849, B 12 KR 1/04 R NWB NAAAC-14844, B 12 KR 7/04 R NWB TAAAC-14962), führt dazu, dass Sozialversicherungsbeiträge auch auf Lohnbestandteile („Phantomlohn“ oder „Fiktivlohn“) abgeführt werden müssen, auf die der Arbeitnehmer einen Anspruch hat, die er aber nicht ausgezahlt erhält. Wird in diesen Fällen die Lohnabrechnung entgegen den tatsächlichen Lohnansprüchen nach dem Mindestlohngesetz so erstellt, als hätte der Arbeitnehmer keine weitergehenden Lohnansprüche gegen den Arbeitgeber, werden damit insbesondere auch die Sozialversicherungsbeiträge zu niedrig berechnet und abgeführt. S. 1646

Hinweis

[i]Möglicherweise bedingt vorsätzliche Beihilfe des SteuerberatersWenn der Steuerberater aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen erkennt (oder ohne Weiteres erkennen kann), dass ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz vorliegen kann und damit möglicherweise auch zu niedrige Sozialversicherungsbeträge angemeldet und abgeführt werden, und er nichts zur Aufklärung dieser Unsicherheiten unternimmt, kann daraus bereits eine bedingt vorsätzliche Beihilfe des Steuerberaters (billigende Inkaufnahme eines als möglich erkannten Taterfolgs) zu einem bedingt vorsätzlichen Verstoß des Mandanten gegen die Vorschriften des Mindestlohngesetzes und – wesentlich gravierender – zu einer vom Mandanten begangenen Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen hergeleitet werden. Das kann auch zu einer Haftung des Steuerberaters für die Zahlung der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge führen.

[i]Schritte zur Aufklärung, ob alle gesetzlichen Anforderungen zum Mindestlohn erfüllt sindEs liegt also im eigenen Interesse des Steuerberaters, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um im Einzelfall aufzuklären, ob alle gesetzlichen Anforderungen nach den Vorschriften des Mindestlohngesetzes eingehalten sind. Dies kann nur in Zusammenarbeit mit dem Mandanten geschehen und könnte insbesondere die folgenden Maßnahmen beinhalten:

  • Anforderung einer schriftlichen Bestätigung des Mandanten, dass er die Regelungen des Mindestlohngesetzes in eigener Verantwortung überprüft und dass alle gesetzlichen Voraussetzungen des Mindestlohns eingehalten werden;

  • Hinweise an den Mandanten zu den Anforderungen an die Dokumentation der Arbeitszeiten und die Aufbewahrung der betreffenden Unterlagen;

  • Benennung aller einzelnen Bestandteile der Vergütung durch den Mandanten und Klärung der Frage, welche Bestandteile der Vergütung auf den Mindestlohn anzurechnen sind und welche nicht;

  • Aufklärung des Mandanten durch den Steuerberater über die Sanktionen bei Verstößen gegen die Vorschriften des Mindestlohngesetzes: unverzichtbarer zivilrechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachzahlung von Arbeitslohn bis zur Höhe des Mindestlohns (§ 1 Abs. 1, § 3 MiLoG); Ordnungswidrigkeiten und Geldbußen (§ 21 MiLoG); Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge auch auf den „Phantomlohn“, den der Arbeitnehmer nicht ausgezahlt erhält, obwohl er darauf einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch hat; strafrechtliche Folgen solcher Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Hinweis

In jedem Fall muss mit dem Mandanten abgesprochen werden, welche Fragen vom Steuerberater zu klären sind und welche Fragen der Mandant in eigener Verantwortung zu klären hat. Diese Abgrenzung der Verantwortung zwischen Steuerberater und Mandant sollte unbedingt schriftlich festgehalten werden.

[i]Schriftliche Dokumentation der Abgrenzung der Verantwortung empfehlenswertGerade in einem Umfeld, das derzeit zahlreiche Unsicherheiten in der rechtlichen Beurteilung einzelner Fragen enthält, ist es für den Steuerberater besonders gefährlich, die Abgrenzung der Verantwortung zwischen Berater und Mandant unausgesprochen offen zu lassen, anstatt sie klar und deutlich anzusprechen und auch schriftlich zu dokumentieren. Denn im Nachhinein wird der Mandant immer behaupten, er hätte den Berater doch mit der Prüfung sämtlicher Fragen beauftragt, und damit liege die Verantwortung für mögliche Fehler ausschließlich bei dem Steuerberater.

Hinweis

Außerdem sollte der Steuerberater den Mandanten auch deutlich auf bestehende Unsicherheiten in der Beurteilung einzelner Fragen hinweisen, damit der Mandant sich darauf einstellen kann, dass die ihm erteilte Auskunft möglicherweise nicht abschließend zutreffend und vollständig ist.S. 1647

VI. Haftung des Auftraggebers nach § 13 MiLoG, § 14 AEntG

Das Gesetz bestimmt in § 13 MiLoG kurz und knapp:

§ 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes findet entsprechende Anwendung.“

[i]Haftungsregelungen ...Hier ist geregelt, dass ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers oder eines von diesem weiter beauftragten Unternehmers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer haftet (§ 14 Satz 1 AEntG). Diese Haftung beschränkt sich auf das an den Arbeitnehmer auszuzahlende Nettoentgelt (§ 14 Satz 2 AEntG).

[i]... besonders für den Fall der Beauftragung von SubunternehmernDurch die Verweisung in § 13 MiLoG auf diese Auftraggeberhaftung soll für den Bereich des Mindestlohns die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften auch dort sichergestellt werden, wo sich ein Unternehmer zur Erbringung seiner Leistungen eines Subunternehmers bedient und damit als Auftragnehmer hinsichtlich der von ihm geschuldeten Leistung gleichzeitig zum Auftraggeber des Subunternehmers wird. Der Unternehmer am Anfang der Leistungskette, die auch aus mehr als zwei Unternehmen bestehen kann, trägt damit das Risiko aus einer Nichteinhaltung der Vorschriften zum Mindestlohn durch alle nachfolgenden Subunternehmer (begrenzt auf die Haftung für das an die Arbeitnehmer der Subunternehmer auszuzahlende Nettoentgelt).

In der Praxis sind Fälle bekannt geworden, in denen Mandanten von ihrem Steuerberater eine Bestätigung darüber gefordert haben, dass der Steuerberater bei seinen Arbeitnehmern den Verpflichtungen aus dem Mindestlohngesetz nachkommt. Bei einer weiten wörtlichen Auslegung der Vorschrift zur Auftraggeberhaftung könnte in der Tat eine Haftung des Mandanten für die Einhaltung der Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns des Steuerberaters an seine Arbeitnehmer angenommen werden. Mit dem Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist eine solche Interpretation allerdings nicht zu vereinbaren. Die Vorschrift soll Anwendung finden auf Generalunternehmer, die einen Teil ihrer Arbeiten von Subunternehmern erbringen lassen wollen, nicht aber auf jeden Auftraggeber, der einen Werkvertrag oder Dienstvertrag vergibt. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BAG zu der entsprechenden Vorschrift im Entsendegesetz ( NWB HAAAB-94382).

Konkret für die Vorschrift des § 13 MiLoG ist diese Frage allerdings bis auf Weiteres nicht höchstrichterlich geklärt. Es wäre daher zu wünschen, dass der Gesetzgeber diese und weitere Unklarheiten zur praktischen Handhabung des Mindestlohns durch entsprechende Klarstellungen im Gesetz beseitigen würde. Die Erfahrung zeigt leider, dass dieser Wunsch wohl so bald nicht in Erfüllung gehen wird.

FAZIT

In der praktischen Handhabung des Mindestlohns sind derzeit noch zahlreiche Fragen ungeklärt. Dies wird auch auf absehbare Zeit so bleiben. Damit sind auch für den Steuerberater erhebliche Haftungsrisiken verbunden, die zwar eingegrenzt, aber wohl nicht abschließend vermieden werden können.

Autor

Dr. Norbert H. Hölscheidt
ist als Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in eigener Kanzlei tätig, insbesondere in steuerlichen Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung (FG, BFH, BVerfG). Tätigkeitsschwerpunkt: Abwehr von Haftungsansprüchen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, Haftungsprävention (www.hoelscheidt.de).

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 1642 - 1647
NWB VAAAE-90440