Betriebliche Krankenzusatzversicherung führt zu Sachbezügen
Freigrenze
Leitsatz
1. Arbeitslohn liegt vor, wenn der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer mit einem Versicherer Verträge über eine betriebliche Krankenzusatzversicherung abschließt, aufgrund derer der Arbeitnehmer als Versicherter einen unmittelbaren Anspruch auf Leistungen für zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen, stationäre Zusatzleistungen (Unterbringung in einem Zweibettzimmer, Chefarztbehandlung) und Zahnersatzleistungen erlangt.
2. Erlangt der Arbeitnehmer nur einen Leistungsanspruch, jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung, liegen Sachbezüge vor, die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit außer Ansatz bleiben, wenn die Freigrenze nach § 8 Abs. 2 S. 11 EStG in Höhe von 44 Euro pro Monat nicht überschritten ist.
3. Ein Wertungswiderspruch mit den Steuerfreistellungen nach § 3 Nr. 56 und Nr. 63 EStG liegt nicht vor.
Gesetze: EStG § 8 Abs. 2 S. 11, EStG § 3 Nr. 56, EStG § 3 Nr. 63
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Streitig ist, ob Beiträge des Arbeitgebers des Klägers zu einer Zusatzkrankenversicherung steuerpflichtiger Arbeitslohn sind.
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Sein Arbeitgeber schloss für die Mitarbeiter des Unternehmens bei zwei Versicherungen eine Zusatzkrankenversicherung für Vorsorgeuntersuchungen, Stationäre Zusatzversicherung und Zahnersatz ab. Der Arbeitgeber zahlte für diese Versicherungen für den Versicherungsschutz des Klägers monatlich Beträge in Höhe von EUR 10,04 und EUR 26,38, die er als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelte. Bei Festsetzung der Einkommensteuer für 2014 berücksichtigte der Beklagte die Versicherungsbeiträge bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte zurückwies.
Der Kläger bringt vor, es handele sich bei den Krankenversicherungsbeiträgen entsprechend der Rechtsprechung um Sachlohn, mit der Folge, dass die Freigrenze von EUR 44 Anwendung finde.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid und den Solidaritätszuschlagsbescheid für 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend abzuändern, dass die Beiträge zu den Krankenversicherungen in Höhe von EUR 10,04 und EUR 26,38 nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bringt vor, entsprechend dem seien die Zukunftssicherungsleistungen Barlohn und damit sei die Freigrenze nicht anzuwenden.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und die zu Gericht gereichten Behördenakten Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist hinsichtlich des Solidaritätszuschlages unzulässig und im Übrigen begründet.
I.
Die Klage gegen den Solidaritätszuschlagsbescheid ist unzulässig, da dieser als Folgebescheid (§ 1 SolZG) nicht mit der Begründung angegriffen werden kann, Entscheidungen in dem Grundlagenbescheid, hier dem Einkommensteuerbescheid, seien unrichtig (§ 351 Abs. 2 AO).
II.
Der Einkommensteuerbescheid für 2014 ist dahingehend zu ändern, dass die Beiträge zu den Krankenversicherungen nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu besteuern sind.
Arbeitslohn ist jeder geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalles, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung). Erlangt ein Arbeitnehmer durch die Beitragsleistungen seines Arbeitgebers einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen den Versicherer fließt ihm mit der Beitragsleistung Arbeitslohn zu (, BStBl II 2011, 767, BFHE 233, 246).
Die Leistungen des Arbeitgebers sind unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte vorliegend als Arbeitslohn zu behandeln. Der Arbeitgeber des Klägers hat nach den vorliegenden Unterlagen mit den Versicherungen 2013 Verträge über eine betriebliche Krankenzusatzversicherung abgeschlossen, die Leistungen für zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen, eine stationäre Zusatzversicherung (Unterbringung in einem Zweibettzimmer, Chefarztbehandlung) und Zahnersatzleistungen umfasste. Versicherungsnehmer war nach den Verträgen der Arbeitgeber und der Kläger als versicherte Person hatte einen unmittelbaren Leistungsanspruch. Die Beitragsleistungen hat der Arbeitgeber übernommen. Die Leistungen waren auch keine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung; für diesen Fall wäre der Vorteil kein Arbeitslohn (, BStBl II 2010, 763, BFHE 228, 505 und vom – VI R 74/14, DStR 2016, 298). Zwar ist die Bewahrung der Gesundheit des Arbeitnehmers auch im Sinn des Arbeitgebers. Hier handelt es sich jedoch um Versicherungsleistungen, die nicht betriebsnotwendig und in erster Linie im Interesse des Arbeitnehmers sind.
Bei den Leistungen des Arbeitsgebers handelt es sich um Sachbezüge. Da die Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG in Höhe von EUR 44 pro Monat nicht überschritten ist, bleiben sie bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit außer Ansatz. Nach der Rechtsprechung des , BStBl II 2011, 767, BFHE 233, 246) ist für die Abgrenzung von Bar- und Sachlohn der Rechtsgrund des Zuflusses entscheidend. Auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist zu ermitteln, welche Leistung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Ein Sachbezug unterscheidet sich von Barlohn durch die Art des arbeitgeberseitig zugesagten und daher arbeitnehmerseitig zu beanspruchenden Vorteils selbst und nicht durch die Art und Weise der Erfüllung des Anspruches. Kann der Arbeitnehmer lediglich die Sache selbst beanspruchen, liegen daher Sachbezüge vor. Unerheblich ist dann, ob der Arbeitnehmer die Sache unmittelbar vom Arbeitgeber erhält oder ob der Arbeitnehmer die Sache von einem Dritten auf Kosten des Arbeitgebers bezieht. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer selbst Vertragspartner des Dritten geworden ist oder der Arbeitgeber die Sachleistung beim Dritten bezieht. Hat der Arbeitnehmer dagegen auch einen Anspruch darauf, dass sein Arbeitgeber ihm anstelle der Sache den Barlohn in Höhe der Werte des Sachbezuges ausbezahlt, liegen auch dann keine Sachbezüge, sondern Barlohn vor, wenn der Arbeitgeber die Sache zuwendet.
Der Kläger hat hier lediglich einen Anspruch auf Gewährung der vertraglich vereinbarten Versicherungsleistungen in Form von Zahnersatz, verschiedenen Vorsorgeuntersuchungen, Chefarztbehandlung u.ä., jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung. Damit hat er nach den Grundsätzen der genannten Rechtsprechung lediglich Sachlohn bezogen. Das (IV C 5-S 2334/13/1001, BStBl I 2013, 1301) widerspricht dieser Rechtsprechung und der Verwaltungsvorschrift ist daher nicht zu folgen. Nach Ansicht des BMF fließt dem Arbeitnehmer Barlohn auch immer dann zu, wenn der Arbeitgeber Versicherungsnehmer ist und die versicherte Person der Arbeitnehmer, denn wirtschaftlich betrachtet stelle der Arbeitgeber Beiträge zur Verfügung, was eine Qualifizierung von Barlohn rechtfertige. Danach liegt anders als nach der Rechtsprechung des BFH Barlohn auch dann vor, wenn der Arbeitgeber nur Anspruch auf die Gewährung von Versicherungsleistungen gegenüber dem Versicherer hat.
Die Ansicht des BMF wird auch nicht durch die Ausführungen des , BStBl II 2013, 190, BFHE 238, 408) gestützt. In dem Urteil führt der BFH aus, dass Ausgaben des Arbeitgebers für eine Rückdeckungsversicherung Arbeitslohn sind, wenn der Arbeitgeber die Ansprüche aus einer von ihm mit einem Versicherer abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung an den Arbeitnehmer abtritt und der Arbeitgeber im Anschluss hieran Beiträge an den Versicherer leistet. Er nimmt in dem Urteil jedoch keine Abgrenzung zwischen Sach- und Barlohn vor, da dies für die Entscheidung nicht von Belang war.
Ein Wertungswiderspruch mit den Steuerfreistellungen nach § 3 Nr. 56 und Nr. 63 EStG liegt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht vor. Dass nach diesen Vorschriften bestimmte betriebliche Altersvorsorgeleistungen steuerfrei sind und in eine nachgelagerte Besteuerung nach § 22 Nr. 5 EStG münden, bedeutet nicht, dass Vorsorgeleistungen in Form von Krankenversicherungsbeiträgen als Sachleistungen Arbeitslohn sind, aber nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG steuerfrei sein können. Das Besteuerungssystem von Altersvorsorgeleistungen hat nichts mit der Frage zu tun, ob Steuerfreiheit für eine Sachleistung wegen Unterschreitens der Freigrenze besteht. Ein Wertungswiderspruch liegt nicht vor.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen der Auffassung der Verwaltung zuzulassen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EFG 2016 S. 1087 Nr. 13
KÖSDI 2016 S. 19872 Nr. 7
PAAAF-75772