Erbschaft- und Schenkungsteuer
Unverzügliche Selbstnutzung eines Familienheims
Leitsatz
1) Ein Familienheim i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG setzt voraus, dass sich dort der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet.
2) Ein Familienheim ist regelmäßig unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken des Erwerbers bestimmt, wenn der Erwerber innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten nach Erwerb die Absicht zur Selbstnutzung fasst und umsetzt.
3) Ausnahmsweise kann dies auch noch nach Ablauf von sechs Monaten der Fall sein, wenn hierfür Umstände verantwortlich sind, die nicht im Einflussbereich des Erwerbers liegen.
Gesetze: ErbStG § 13 Abs 1 Nr 4c
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob für das von Todes wegen auf den Kläger übergegangene Familienwohnheim des Erblassers die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) zu gewähren ist.
Der Kläger beerbte seinen am 00.00.0000 verstorbenen Vater neben seinem Bruder zu einem Anteil von 72/100. Der beim Tod seines Vaters 58jährige Kläger ist mit seiner Familie in R ansässig. Seine langjährige Arbeitsstelle als Programmierer befand sich in S. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten seines Arbeitgebers beendete der Kläger zum Jahresende 2015 das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung. Seitdem ist er arbeitslos.
Ausweislich des Testaments vom sollte der Kläger den Grundbesitz A-Straße 1 in N, der dem Erblasser als Familienwohnheim gedient hatte, zu Alleineigentum erhalten (vgl. §§ 2 und 5 Ziffer 1 des Testaments, Blatt 7/8 und 9 der Erbschaftsteuerakte). Außerdem war der Kläger hinsichtlich des seinem Bruder, der in einer Einrichtung für behinderte Menschen lebt, zugewendeten Erbanteils als Testamentsvollstrecker eingesetzt.
Nach Abgabe der Erbschaftsteuererklärung am setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer gegenüber dem Kläger durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom auf X Euro fest. Der Grundbesitz A-Straße wurde mit einem geschätzten Wert von X Euro als Nachlassgegenstand erfasst.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am Einspruch ein mit dem Begehren, die Übertragung des Grundbesitzes A-Straße gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerfrei zu belassen. Der Grundbesitz, ein Zweifamilienhaus mit ca. 120 qm Wohnfläche, sei von seinem Vater vollständig zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden. Er selbst wolle diesen Grundbesitz renovieren und ebenfalls selbst nutzen. Ein Verkauf oder eine Vermietung seien nicht beabsichtigt. Die notarielle Eigentumsumschreibung auf ihn als Alleineigentümer habe sich langwierig gestaltet. Er habe auf Seiten seines Bruders als Betreuer nicht allein handeln können, sondern ein Ergänzungsbetreuer habe eingeschaltet und die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts eingeholt werden müssen.
Der notarielle Vermächtniserfüllungsvertrag datiert vom (Vorhefter Erbschaftsteuerakte). Die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch auf den Kläger erfolgte am . Im Übrigen sei für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ausreichend, dass der Grundbesitz zu eigenen Wohnzwecken bestimmt werde. Der Gesetzeswortlaut fordere keine Verlegung des Hauptwohnsitzes. Es genüge, dass der Grundbesitz unverzüglich in Besitz genommen werde, was vorliegend erfolgt sei. Darüber hinaus seien Renovierungs- und Reparaturmaßnahmen vorgenommen worden (vgl. Schriftsatz vom nebst Anlagen in der Erbschaftsteuerakte).
Nach Feststellung des Grundbesitzwertes durch Bescheid vom auf X Euro änderte der Beklagte die Erbschaftsteuerfestsetzung dementsprechend durch Bescheid vom und setzte die Erbschaftsteuer weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf X Euro fest. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid in der Erbschaftsteuerakte Bezug genommen.
Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG reiche die bloße Widmung der Wohnung durch den Erben nicht aus. Vielmehr sei eine tatsächliche Umsetzung durch Einzug in das Familienheim erforderlich. Diese müsse unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, geschehen. Daran fehle es hier, denn der Kläger lebe weiterhin mit seiner Familie in R. Selbst wenn der Kläger den Grundbesitz weder veräußern noch vermieten wolle, sei Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung, dass die Wohnung den Lebensmittelpunkt der Familie des Klägers bilde. Davon sei angesichts des Vortrags des Klägers, der von einer Wochenendnutzung spreche, nicht auszugehen. Von einer unverzüglichen Selbstnutzung sei im Übrigen nach der Rechtsprechung dann auszugehen, wenn der Erbe die Wohnung im Lauf von sechs Monaten nach dem Erbfall tatsächlich selbst als Lebensmittelpunkt nutze. Diese Frist sei bereits lange verstrichen, ohne dass der Kläger gravierende Hinderungsgründe vorgetragen habe. Bei den belegmäßig nachgewiesenen Reparatur- und Renovierungsmaßnahmen handele es sich lediglich um kleinere, einen unverzüglichen Umzug nicht ausschließende Maßnahmen.
Mit seiner Klage vom verfolgt der Kläger sein Begehren auf Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG weiter und wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Die Eigentumsumschreibung habe sich auch deshalb so lange hingezogen, weil zunächst das Sozialamt, das seinem behinderten Bruder Leistungen gewähre, das Testament angefochten habe. Es habe längerer Zeit bedurft, diese Angelegenheiten zu regeln. Die Eigentumsumschreibung sei am erfolgt. Darüber hinaus seien umfangreiche Renovierungs- und Reparaturmaßnahmen (Entkernung) vorzunehmen. Erst nachdem hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse Klarheit bestanden habe, habe er weiter planen können. Er führe die Renovierungsmaßnahmen in Eigenregie durch. Aus den mit Schriftsatz vom und dann am vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass mit den wesentlichen Arbeiten im Sommer 2016 begonnen wurde.
Der Kläger beantragt,
die Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG neu festzusetzen. Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Der Senat hat in der Sache am mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG liegen nicht vor.
Nach dieser Vorschrift bleibt steuerfrei der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem bebauten Grundstück u. a. durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
Ein Haus ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, das Haus selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung der Wohnung lässt sich als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Dies erfordert, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt (vgl. , BStBl. II 2016, 223, und II R 39/13, BStBl. II 2016, 225 mit Hinweis auf die Literatur). Eine bloße Widmung zur Selbstnutzung ist nicht ausreichend (vgl. , BStBl. II 2016, 223). Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass ein Familienheim im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nur dann gegeben ist, wenn sich dort der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet. Dies hat der BFH bereits für den Begriff des Familienwohnheims gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG in der bis zum gültigen Fassung entschieden, weil nach der Vorstellung des Gesetzgebers durch die Zuwendung eines Familienwohnheims der engere Kernbereich der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft privilegiert werden solle, zu dem das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Haus gehöre, in dem durch das familiäre Zusammenleben der Lebensmittelpunkt der Familie begründet werde. Diesem engeren Kernbereich sei eine Zweitwohnung nicht zuzuordnen (vgl. , BStBl. II 2013, 1051). Der Begriff des Familienheims gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG unterscheidet sich in der Sache nicht vom Begriff des Familienwohnheims im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG. Auch der gegenüber § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a. F. andere Erwerberkreis (nicht Ehegatten, sondern Kinder und Kinder verstorbener Kinder) macht eine andere Auslegung des Begriffs nicht erforderlich. Denn der Gesetzgeber wollte ersichtlich das Familiengebrauchsvermögen krisenfest erhalten und hat im Zusammenhang mit der Regelung des Wegfalls der Steuerbefreiung zum Ausdruck gebracht, dass er von einem Familienheim ausgeht, wenn es den Lebensmittelpunkt des Erwerbers bildet (BT/DrS 16/11107 zu Nr. 4c, Seite 9).
Der Senat hat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel daran, dass der Kläger den Grundbesitz A-Straße tatsächlich als Familienheim in dem beschriebenen Sinne nutzen will. Denn ersichtlich ist ein Umzug nach N geplant, sobald der Grundbesitz entsprechend hergerichtet ist. Nach dem Wegfall der Arbeitsstelle in S stehen dem auch keine Hinderungsgründe im Wege.
Jedoch fehlt es im vorliegenden Fall an der vom Gesetz geforderten Unverzüglichkeit. Unverzüglich erfolgt eine Handlung dann, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Das bedeutet, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall, damit der Erwerber den Entschluss zum Einzug bedenken und im Anschluss dann ggfs. erforderliche Renovierungs- und Gestaltungsmaßnahmen durchführen kann. Auch nach Ablauf von sechs Monaten kann eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung gegeben sein, wenn der Erwerber darlegt und glaubhaft macht, warum ein Einzug in die Wohnung nicht früher möglich ist und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Dabei sind Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten (vgl. , BStBl. II 2016, 225). Als Umstände im Einflussbereich des Erwerbs sieht der Senat dabei die Gründe an, die der Entscheidungsgewalt des Erwerbers unterliegen.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze, denen sich der Senat auch für den vorliegenden Fall anschließt, kann von einer unverzüglichen Bestimmung zur Selbstnutzung nicht ausgegangen werden. Der Senat hält zwar den Zeitraum, in dem der Kläger sowohl mit dem Sozialamt als auch mit seinem Bruder unter Einschaltung der dazu notwendigen Personen und Institutionen (Ergänzungsbetreuer und Vormundschaftsgericht) seine Eigentümerposition klären musste, für unschädlich. Denn solange sich der Kläger seiner Eigentümerposition nicht sicher sein konnte, können von ihm Maßnahmen zur Umsetzung einer Entscheidung zur Selbstnutzung nicht verlangt werden. Jedoch sind seit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch am weit mehr als sechs Monate verstrichen, ohne dass Maßnahmen ersichtlich sind, die auf eine unverzügliche Bestimmung des Klägers zur Selbstnutzung des Grundbesitzes A-Straße schließen lassen. Denn ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen sind für die anstehende umfassende Renovierung frühestens ab April 2016 Angebote entsprechender Handwerker eingeholt worden. Selbst wenn zuzugestehen ist, dass vor Einholung konkreter Angebote ohne die Beauftragung eines Architekten oder Bauleiters zunächst eine gewisse Recherchearbeit zu leisten ist, kann der Senat bei einem mehr als sechsmonatigem Zeitraum (Eigentumsumschreibung im September 2015, Angebot Firma F vom ) und einem noch späteren tatsächlichen Beginn der Baumaßnahmen (ab Juni 2016) nicht mehr von einer Unverzüglichkeit im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ausgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revisionszulassung erfolgt zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und im Hinblick auf das bereits anhängige Revisionsverfahren II R 32/15.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR 2017 S. 8 Nr. 50
DStRE 2018 S. 233 Nr. 4
DStZ 2017 S. 9 Nr. 1
EFG 2016 S. 2079 Nr. 24
ErbBstg 2017 S. 4 Nr. 1
ErbStB 2017 S. 2 Nr. 1
NWB-EV 2016 S. 408 Nr. 12
UVR 2017 S. 44 Nr. 2
LAAAF-87112