Zur Schätzung ausländischer Kapitaleinkünfte
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Der Kläger ist Personalleiter und seine Ehefrau Beamtin. Die gemeinsame Tochter … ist am ……… geboren. Der Kläger erhielt für den Verlust des Arbeitsplatzes im Jahr 1998 eine Abfindung in Höhe von 310.000 DM. Die Eheleute sind Eigentümer zweier vermieteter Eigentumswohnungen in ……… und waren in den Streitjahren weiter an zwei Fondgesellschaften beteiligt. Sie erklärten für die Streitjahre inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen weitgehend unterhalb der Freibeträge.
Der Beklagte erhielt am vom Finanzamt ……… Informationen zu Anlegern der Liechtensteinischen Landesbank (LLB). Diese stammten aus Kontobelegen, die der Staatsanwaltschaft Rostock im Rahmen eines beim Landgericht Rostock geführten Hauptverfahrens übergeben worden seien. Die Anschrift stamme aus den vorliegenden Kontobelegen, Geburtsdaten seien generell nicht aus den Kontobelegen ersichtlich. Bei den unter den Depotdaten ausgewiesenen Depotwerten, Marchzinsen und Summenwerten handele es sich um ganze Zahlen ohne Nachkommastellen. Weitergehende Angaben bezüglich der Zuordnung der Erträge zu speziellen Einkunftsarten und zur konkreten Versteuerung und hier insbesondere zum Marktzins, Zinssatz, zur Zinsberechnung und zum Zinszeitraum seien den Kontobelegen nicht zu entnehmen, so dass dazu keine genaueren Informationen erfolgen könnten.
Dem beigefügt war eine Übersicht Kundendaten mit den Personendaten ……… weiter Depotdaten, Depotnummer und ZR Nummer ohne Angaben und folgende Angaben:
Kurse per 11/5 2002
bewertet per 11/5 2002
Depotwert 1.036.559
Marktzins: 35.263
Summe 1.071.822
Währung CHF.
Dem eigentlichen Depot-Ausdruck sind weiter das Kennwort ……… sowie Depoteröffnung und als Kundenbetreuer ……… zu entnehmen.
Die Unterlagen seien im Rahmen einer Hauptverhandlung wegen Erpressung der LLB vom Verteidiger als Konvolut übergeben worden. Die Auszüge seien bis 2003 durch einen in Liechtenstein verurteilten ehemaligen Mitarbeiter/Kundenberater der LLB wahllos gefertigt worden. Wie die Unterlagen in die Hand des Angeklagten gelangten, habe bislang nicht aufgeklärt werden können. Der von der Staatsanwaltschaft Rostock Angeklagte habe die Bank mit der Drohung erpresst, die Daten an die deutschen Finanzbehörden zu verkaufen. In dem Zusammenhang seien mehr als 100 Selbstanzeigen von Anlegern bei der LLB erfolgt.
Mit Schreiben vom leitete das
…gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung der Einkommensteuer 2002–2006 ein. Dem Kläger wurde vorgehalten, nach vorliegendem Kontrollmaterial bei der Liechtensteinischen Landesbank seit dem ein Depot (Nummer unbekannt, Kennwort ………unterhalten zu haben. Die aus diesen Kapitalanlagen erzielten Zinsen und Dividenden habe der Kläger ausweislich der Steuerakten in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002–2006 verschwiegen. Der Kläger wurde aufgefordert sich zum Tatvorwurf zu äußern sowie sämtliche, das o. g. und gegebenenfalls weitere Depots betreffende Unterlagen für die Jahre 1997–2006 vorzulegen. Der Kläger hat sich nicht zur Sache eingelassen.
Der Bevollmächtigte hat nach Akteneinsicht und Übersendung der von der Steuerfahndungsstelle beabsichtigten Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (Zinsen Depot LLB bzw. Einkünfte aus Kapitalvermögen der Jahre 1997 bis 2006) die Auffassung vertreten, die Sach- und Beweislage rechtfertige keine Korrektur der Steuerbescheide für die Zeiträume 1997 bis 2006. Im Übrigen werde wegen der zweifelhaften Herkunft rein vorsorglich ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht.
Nach dem Steuerlichen Bericht vom ermittelte das Finanzamt ……… Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen betreffend das Depot bei der LLB für die Jahre 1997–2006 im Schätzungswege ausgehend von einem durchschnittlichen Zinsertrag i. H. v. 5 %. Es sei davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige das Depot bereits seit 1997 unterhalten habe und auch heute noch unterhalte. Des Weiteren sei im Rahmen der Prüfung festgestellt worden, dass vom Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau im Prüfungszeitraum durch Kapitalanlagen bei inländischen Kreditinstituten weitere Zinseinnahmen erzielt worden seien. Dementsprechend erfolgten auch diesbezüglich Schätzungen für die Jahre 1997 bis 2000 bzw. die Berücksichtigung erklärter Kapitaleinkünfte.
Der Beklagte erließ am entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997–2006 und wies die dagegen eingelegten Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Das Vorhandensein ausländischer Kapitalerträge stelle eine dem Finanzamt nachträglich bekannt gewordene Tatsache dar, die zu einer höheren Steuer führe. Aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Bericht der Steuerfahndung, sei ersichtlich, dass der Kläger in den Streitjahren über erhebliches Kapitalvermögen im Ausland verfügt habe, dessen Erträge er nicht zum Gegenstand seiner Steuererklärung gemacht habe. Es stehe zweifelsfrei fest, dass das Depot bei der LLB mit dem Kennwort … dem Kläger zuzurechnen sei, zumal es sich bei dem Kennwort um den Namen der Tochter handele. Angesichts der vorstehenden Umstände sei das Finanzamt berechtigt gewesen, gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) die Einkünfte aus Kapitalvermögen für die Streitjahre zu schätzen, deren Entstehung nach den Feststellungen der Steuerfahndung dem Grunde nach feststehe, deren Höhe aber nach wie vor ungewiss sei. Es sei insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung gäbe oder weitere Auskünfte verweigere, insbesondere auch dann wenn er seiner gesteigerten Beweisbeschaffungs- und Vorsorgepflicht zu Auslandssachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO nicht nachkomme. Da bei Verletzung der steuerlichen Mitwirkungspflichten der Schätzungsrahmen nach § 162 AO ausgefüllt werden könne und ein Steuerpflichtiger keinen Vorteil daraus erlangen solle, dass er gegenüber steuerehrlichen Steuerpflichtigen aufgrund der Nichterklärung steuerrelevanter Tatsachen finanzielle Vorteile ziehe, erschienen die vorgenommenen Schätzungen auch der Höhe nach angemessen. Es stehe fest, dass Steuern nicht in voller Höhe festgesetzt, also verkürzt worden seien (§ 370 Abs. 4 AO). Im Streitfall träten die Höhe der auf die Jahre 1997–2006 entfallenden Erträge aus Kapitalanlagen in Liechtenstein des Klägers und ihr Charakter als Einnahmen so klar hervor, dass eine unterhalb des bedingten Vorsatzes liegende subjektive Verantwortung des Klägers für die Nichterklärung dieser Einnahmen ausscheide. Die Kläger hätten bei zahlreichen Kreditinstituten vielfältige Kapitalanlagen getätigt. Somit könne zumindest beim Kläger von hinreichender Gewandtheit – sowohl bei der Anlage wie auch im Hinblick auf die Fragen der Versteuerung – ausgegangen werden, zumal in den Steuererklärungsformularen ausdrücklich nach ausländischen Kapitalerträgen gefragt werde. Das Finanzamt sei nach den dargestellten Erwägungen in vollem Umfang davon überzeugt, dass der Kläger für jedes der Streitjahre steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen und diese dem Finanzamt absichtlich verschwiegen habe.
Das Steuerstrafverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung für die Jahre 2002 bis 2006 wurde mit Verfügung vom gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt. Außer dem vorliegenden Beleg, der einen Depotwert per in Höhe von 1.071.822 CHF ausweise, lägen keine weiteren Erkenntnisse vor. Mit der für im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit könnten dem Beschuldigten Einkünfte aus diesem Depot für die Jahre 2003 bis 2006 nicht nachgewiesen werden. Es sei nicht bekannt, ob das Depot in den Jahren 2003 ff. noch bestanden habe oder ggf. aufgelöst worden sei. Hinsichtlich des Jahres 2002 werde es aufgrund des vorliegenden Beleges und dem übrigen Inhalt der Strafakte als erwiesen angesehen, dass ein Depot bei der Liechtensteinischen Landesbank AG bestanden habe. Die Höhe der ausländischen Kapitalerträge könne jedoch mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht ermittelt werden. Der Ansatz mit einem durchschnittlichen Zinsertrag von 5 % genüge nicht den strafrechtlichen Grundsätzen. Ein Rückhalt durch Erfahrungswerte sei nicht gegeben, da nicht bekannt sei, welcher Art die dem Depot zugrunde liegenden Anlagen gewesen seien.
Zur Begründung der fristgerecht erhobenen Klage wird vorgetragen, bei den Akten (Strafakten bzw. Steuerakten) befänden sich keine authentischen Daten dahingehend, dass der Kläger ein Konto bei der LLB gehabt habe. Es läge kein Originalschriftverkehr, wie zum Beispiel Kontoauszüge, Vermögensübersichten etc. in den Akten. Vielmehr handele es sich lediglich um ein Sammelsurium von Daten, die auch noch unzutreffend seien. Werde beispielsweise die ……… straße mit der Hausnummer. 0 bezeichnet. Diese diffusen Unterlagen, die möglicherweise aus dem Zusammenhang gerissen und in unzulässiger Weise mit anderen Daten kombiniert worden seien, könnten einem Besteuerungsverfahren nicht zugrunde gelegt werden. Der Kläger habe gegenüber dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen keine Angaben zum Sachverhalt machen können, da er über keine näheren Informationen über ein angebliches Konto in Liechtenstein bei der LLB verfüge. Mangels Authentizität der Daten könnten diese nicht als neue Tatsachen im Sinne von § 173 AO ausgewertet werden, hilfsweise unterlägen sie einem Verwertungsverbot. Es sei umstritten, ob auf strafbare Weise in den Besitz des Staates gelangte Daten sowohl im Besteuerungs- als auch im Steuerstrafverfahren verwertet werden dürften. Aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Verfahren VIII R I/13 könnten für das hiesige Verfahren keine Schlüsse gezogen werden. Dort habe der Steuerpflichtige selbst eingeräumt und dokumentiert, dass er entsprechende Konten bei einer Luxemburger Bank gehabt und entsprechende Einnahmen erzielt habe. Im Verfahren VIII R 12/12 habe die Vorinstanz den Sachverhalt im Hinblick auf die Zuordnung auf bestehende Konten nicht ausreichend geprüft und sei entsprechenden Beweisanträgen nicht nachgegangen bzw. habe sie in unzulässiger Weise versucht zu unterlaufen. Vorliegend solle sich aus einem Blatt Papier angeblich ergeben, dass der Kläger bei der LLB ein Konto unterhalten habe. Dabei seien die Angaben sehr spärlich, sie enthielten allgemein gehaltene Personendaten des Klägers, Depotdaten, Marchzinsen Anlagesumme, Tag der Depoteröffnung und nicht mehr. Da die angeblich erworbenen Daten/Zahlen keine Depot- und Kontonummern und keine Anlageform enthielten, gäbe es keinen Hinweis oder Beleg dafür, dass es sich bei dem angeblich erworbenen Zahlenmaterial um Angaben zu Vermögenswerten handele. Desgleichen sei die originäre Zuordnung von etwaigen Zahlen zu Personen nicht nachgewiesen. Auch sei vom Beklagten nicht dargelegt, aufgrund welcher Tatsachen gegebenenfalls ausgeschlossen werden könne, dass Personen ohne Kapitalanlagen (zum Beispiel potentielle Zielpersonen für einen Kapitalanlageerwerb oder ähnliches) in dem Datenkonvolut enthalten gewesen seien. Das dem Beklagten vorliegende Papier habe somit keinerlei Beweiswert. Im Rahmen einer Vortragsveranstaltung habe der Leitende Regierungsdirektor Max Rau vom Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Köln bejaht, dass angeblich von einer angekauften Daten-CD stammende Angaben falsch sein könnten. Dem Finanzamt obliege die volle Beweislast hinsichtlich der steuerbegründenden Tatsachen. Insoweit liege dem Beklagten lediglich ein, von wem auch immer fabriziertes Papier vor, das auf die Angaben eines Anonymus zurückgehen solle. Es handele sich also nicht mehr als um eine Behauptung. Der Steuerpflichtige könne das Nichtvorhandensein einer bei einer ausländischen Bank unterhaltenen Kapitalanlage nicht nachweisen. Für einen Negativbeweis bestehe auch keine Mitwirkungspflicht nach § 90 AO (). Im Übrigen werde auf die Anmerkung von Schönberger in NWiSt 2013, 476 zum 46 Ds 513 JAS 1382/11 verwiesen, wonach zahlreiche Konstellationen bekannt seien, in denen sich zumindest erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Datensätze aufdrängten.
Der Kläger beantragt,
die geänderten Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2006 vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben
und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt der Beklagte im Wesentlichen die Gründe der Einspruchsentscheidung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs () bestehe kein Beweisverwertungsverbot.
Der Kläger bestreite weiterhin das Vorhandensein einer bei der LLB unterhaltenen Kapitalanlage. Es werde daher die Vernehmung des Herrn ……… (damaliger) Kundenbetreuer bei der LLB beantragt und zwar zu der Frage ob das streitige Konto dem Kläger zuzurechnen sei oder die Bank keinerlei Geschäftsverbindungen mit dem Kläger gehabt habe und weder Namenskonten, Nummernkonten noch andere anderen in Konten für ihn geführt habe. Die ladungsfähige Anschrift des Zeugen sei hier nicht bekannt. Dieser dürfte bis zum bei der LLB beschäftigt gewesen sein und in der Schweiz wohnen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die Änderungsbescheide vom für die Jahre 1997 bis 2006 und die dazu ergangene Einspruchseidung vom sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Außer dem im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Rostock u. a. übergebenen Beleg mit dem Namen des Klägers gibt es keinerlei tatsächliche Feststellungen oder anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger ein Depot bei der LLB zuzuordnen wäre und er hieraus für die Streitjahre 1997 bis 2006 Kapitaleinkünfte erzielt hätte. Damit liegen weder hinreichende Tatsachen und Beweismittel für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor noch lässt sich damit eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung des Klägers ausländischer Kapitaleinkünfte belegen.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Voraussetzung dafür ist, dass die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Änderung noch nicht abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO); die Frist beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist.
Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann. Hilfstatsachen dürfen dabei nur herangezogen werden, wenn sie einen sicheren Schluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulassen; bloße Vermutungen oder Wahrscheinlichkeiten reichen hierfür nicht aus.
Sind solche Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO – wie im Streitfall Zinseinnahmen als Entgelt aus einer Kapitalüberlassung i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes – betroffen, so liegt eine hinreichende Tatsachenfeststellung durch das Finanzamt und das Finanzgericht nur vor, wenn diese eine Zuordnung von Einnahmen zu einer bestimmten Einkunftsart sowie zu bestimmten Konten des Steuerpflichtigen umfasst und diese Zuordnung auch nachvollziehbar begründet. Dabei dürfen Zinsen der Höhe nach bei fehlenden anderweitigen Anhaltspunkten auf der Grundlage nachvollziehbarer Zinssätze im Wege der Schätzung ausnahmsweise auch unter der Annahme bestimmt werden, dass der Steuerpflichtige sein erworbenes Vermögen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht für eigene Zwecke verwendet hat. Voraussetzung dafür sind allerdings besondere Anhaltspunkte – wie eine besonders ausgeprägte Sparneigung, Existenz umfangreicher anderweitiger liquider Mittel oder die Eigenschaft des Auslandskontos als Aufbewahrungsort für nur schwer in den legalen Wirtschaftskreislauf zurückzuspeisendes Steuerflucht- oder Schwarzgeld ( -Juris-).
Nach der Rechtsprechung des BFH spricht eine allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass hohe Geldbeträge, wenn sie nicht alsbald benötigt werden, zins- und ertragsbringend angelegt werden ( BFH/NV 2005, 835). Dies allein begründet aber im Allgemeinen noch keine Schätzungsbefugnis des Finanzamtes für den Ansatz von Kapitaleinkünften. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, die es nahelegen davon auszugehen, dass derartige Beträge tatsächlich zinsbringend angelegt worden sind ( EFG 2011, 804).
Vorliegend gibt es lediglich ein Indiz für eine Geschäftsbeziehung des Klägers zur LLB. Davon ausgehend sind jedoch keine weiteren Ermittlungen erfolgt, die die Existenz entsprechender Vermögenswerte beim Kläger belegen oder auch nur möglich erscheinen lassen, wie z. B. eine Vermögenszuwachsrechnung. Es sind keine Unterlagen sichergestellt worden, die eine Geschäftsbeziehung des Klägers zur LLB tatsächlich belegen würden. Auch wurden nach der beigezogenen Akte des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen die bekannten inländischen Konten nicht auf entsprechende Geldbewegungen oder Anhaltspunkte für Reisen nach Liechtenstein überprüft. Selbst die umgehende Begleichung der nicht unerheblichen Steuernachzahlungen aufgrund der Änderungsbescheide hat nach Aktenlage nicht zu weiteren Ermittlungen geführt.
Insoweit bestand für das Gericht kein Anlass dem Antrag auf Vernehmung des in dem Datenausdruck benannten Kundenbetreuers nachzukommen, zumal es sich um einen zu stellenden Auslandszeugen handelt (ständige Rechtsprechung des BFH, jüngst , BFH/NV 2016, 207).
Die Finanzbehörden tragen für die Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände der Einnahmeerzielung die objektive Beweislast. Daran ändert auch die in § 90 Abs. 2 AO den Steuerpflichtigen allgemein auferlegte erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nichts, wenn bereits auf der Stufe vorher ein zur Überzeugungsbildung des Gerichts ausreichender Nachweis für eine bestehende Geschäftsbeziehung des Steuerpflichtigen zu einer ausländischen Bank seitens des Beklagten nicht gelungen ist.
Würde man die Feststellungslast bei steuerbegründenden Tatsachen mit Auslandsbezug umkehren, so hätte dies zur Folge, dass der Steuerpflichtige zum Beispiel das Nichtvorhandensein einer bei einer ausländischen Bank unterhaltenen Kapitalanlage nachweisen müsste. Das Nichtvorhandensein steuererheblicher Tatsachen nachzuweisen (so genannter Negativnachweis) ist aber nicht möglich, weshalb für einen Negativbeweis auch keine Mitwirkungspflicht gemäß § 90 AO besteht (, NZWiSt 2012, 398; -juris; -Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 90 AO Rn. 116). Es besteht daher keine Verpflichtung eines Steuerpflichtigen nachzuweisen, dass er im Ausland kein Konto unterhält (Rätke in Klein, AO, 12, Auflage 2014 § 90 Rn. 22).
Erlangt das Finanzamt Informationen über eine angebliche Geldanlage eines deutschen Anlegers bei einer liechtensteinischen Bank aus einem kriminellen Umfeld und unternimmt das Finanzamt keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen, die die Existenz einer Geschäftsbeziehung zu dieser Bank beweisen bzw. wie die Geldanlage hätte erwirtschaftet werden können, lässt sich selbst bei einer Verlagerung des Wohnsitzes und der Mitnahme des Vermögens ins Ausland, nicht auf die Absicht zur Steuerhinterziehung schließen (vgl. hierzu: , NZWiSt 2012, 308).
Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist grundsätzlich vier Jahre. Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO beträgt sie zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen ist und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon beginnt gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung abzugeben ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.
Die Steuererklärung für 2002 wurde im Jahr 2004 beim Beklagten eingereicht, so dass insoweit die reguläre Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2008 endete. Die streitigen Bescheide sind erst im Jahr 2009 ergangen, allerdings war gegen den Kläger für 2002 bis 2006 im Jahr 2008 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Beginnt die Steuerfahndung vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 AO insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Das setzt aber voraus, dass eine Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung zur Überzeugung des Gerichts gegeben sind.
Eine Steuerhinterziehung begeht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO u. a. derjenige, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt (objektiver Tatbestand). Voraussetzung für die Strafbarkeit ist nach § 369 AO i. V. m. §§ 15 und 16 des Strafgesetzbuches vorsätzliches Handeln (subjektiver Tatbestand).
Beides lässt sich vorliegend nicht zu Lasten des Klägers feststellen.
Zwar ist grundsätzlich auch eine Schätzung der Höhe der hinterzogenen Steuern gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO möglich (, BStBl II 2007, 364 m. w. N.). Jedoch schließt es die Geltung des Grundsatzes „in dubio pro reo” hierbei aus, die Schätzung der hinterzogenen Steuern entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, d. h. auf ein reduziertes Beweismaß zu stützen. Vielmehr ist es insoweit erforderlich, dass das Gericht auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens von der Höhe der Steuerhinterziehung überzeugt ist (, BFH/NV 2002, 749 ff. m. w. N.). Der strafverfahrensrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo” ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren in der Weise zu beachten, dass die Finanzbehörde die objektive Beweislast für die steuerbegründenden Tatsachen trägt. Bei nicht behebbaren Zweifeln ist die Feststellung einer Steuerhinterziehung mittels reduzierten Beweismaßes – mithin im Schätzungswege – nicht zulässig (vgl. , BFH/NV 2007, 534; Beschluss des Großen Senats des , BStBl II 1979, 570, 573).
Vorliegend gibt es nur ein Indiz für ein Depot des Klägers bei der LLB. Das lässt aber keine hinreichenden Rückschlüsse auf die Erzielung nicht erklärter Kapitaleinkünfte für die Streitjahre bis 2002 und auch nicht für die regulär noch nicht festsetzungsverjährten Jahre 2003 bis 2006 zu. Entsprechende Schlüsse wurden im Strafverfahren bereits im Jahr 2010 mit der Einstellung des Verfahrens gezogen.
Auch für die zum Zeitpunkt des Ergehens der Änderungsbescheide noch nicht festsetzungsverjährten Streitjahre 2003 bis 2006 trägt der allein vorliegende Datenausdruck nicht die Annahme der Erzielung von ausländischen Einkünften aus Kapitalvermögen seitens des Klägers. Es ist schon völlig offen, ob der Kläger überhaupt in diesen Jahren eine Geschäftsbeziehung zur LLB hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Fundstelle(n):
DStR 2017 S. 11 Nr. 28
DStRE 2017 S. 1138 Nr. 18
IStR 2017 S. 156 Nr. 4
PStR 2016 S. 261 Nr. 10
KAAAF-77667