FG Münster Urteil v. - 9 K 3359/18 E,AO EFG 2020 S. 1603 Nr. 21

Verdeckte Gewinnausschüttung

vGA durch inkongruente Gewinnausschüttungen?

Leitsatz

1) Zivilrechtlich wirksame inkongruente Gewinnausschüttungen sind keine vGA und führen somit nicht zu Kapitaleinkünften.

2) Ein von der Satzung abweichender, punktuell einen Einzelfall regelnder Gewinnverteilungsbeschluss ist auch ohne Änderung der Satzung zivilrechtlich wirksam.

Gesetze: GmbHG § 53 Abs. 2; GmbHG § 54; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten der Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen bei dem Kläger aufgrund sog. inkongruenter Gewinnausschüttungen.

Die Kläger wurden in den Streitjahren 2012 bis 2015 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in diesen Jahren mit einer Beteiligung von 50 % Gesellschafter und Geschäftsführer der A GmbH. Die andere Gesellschafterin der A GmbH war die B GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer wiederum der Kläger war.

Über die Verwendung des Gewinns sollten die Gesellschafter der A GmbH durch Gesellschafterbeschluss entscheiden (§ 17 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags in der –lediglich hinsichtlich des § 9 geänderten– Fassung vom ). Für die Gewährung und die Entnahme von Vorschüssen auf die voraussichtlichen Jahresgewinnansprüche während eines laufenden Geschäftsjahres bedurfte es jeweils vorheriger –mit einfacher Mehrheit getroffener– Beschlüsse der Gesellschafter, die nur rechtsgültig sein sollten, sofern die Vorschüsse nicht zu einer Minderung des Stammkapitals führen konnten (§ 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags). Wegen seines weiteren Inhalts wird auf den Gesellschaftsvertrag Bezug genommen.

In den Jahren 2012 bis 2015 beschloss die Gesellschafterversammlung diverse Vorabgewinnausschüttungen in insgesamt der folgenden Höhe:


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2012:
1.400.000 €
2013:
1.450.000 €
2014:
2.550.000 €
2015:
3.400.000 €

Über die vorgenannten Beträge wurde nicht jedes Jahr einmalig, sondern durch mehrere Gesellschafterbeschlüsse entschieden. Diese hatten jeweils folgenden Wortlaut:

Gesellschafterbeschluss der A GmbH

vom

[Datum]

Das Gesellschaftskapital hat sich unter Verzicht auf Form und Fristen am [Datum] in den Räumen des Steuerberaters … getroffen. Das Gesellschaftskapital war zu 100 % durch die B GmbH vertreten.

Einziger Tagesordnungspunkt war die Vorabausschüttung an die

B GmbH.

Der Gesellschafter hat beschlossen, dass eine Zahlung in Höhe von

[Betrag in €]

zum

[Datum]

geleistet wird.” Die Gesellschafterbeschlüsse tragen jeweils die Unterschrift des Klägers, der für die B GmbH unterzeichnete.

Die Vorabgewinnausschüttungen flossen entsprechend den Beschlüssen unmittelbar vollständig an die B GmbH.

Zunächst berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) diese Sachverhalte bei der Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2012 bis 2015 nicht. Ausgehend von ihrer Rechtsauffassung hatten die Kläger aufgrund der Vorabgewinnausschüttungen an die B GmbH für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2015 keine Kapitaleinkünfte des Klägers erklärt. Auch im Übrigen ergeben sich aus den Einkommensteuererklärungen der Kläger keine Hinweise auf derartige Kapitaleinkünfte.

Im Rahmen einer nachfolgenden Betriebsprüfung bei der A GmbH qualifizierte der Prüfer die alleinigen Ausschüttungen an die B GmbH als disquotale (inkongruente) Gewinnausschüttungen, die zu jeweils ½ dem Kläger und der B GmbH zuzurechnen seien. Gemäß dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom , BStBl I 2014, 63 ff., setze die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung zunächst einen handelsrechtlich wirksamen Ausschüttungsbeschluss voraus. Nach § 29 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) erfolge die Verteilung des von der A GmbH erzielten Gewinns nach dem Verhältnis der von ihnen gehaltenen Anteile. Abweichend hiervon sei eine disquotale Gewinnausschüttung nach Satz 2 dieser Vorschrift zulässig, wenn dies im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zugelassen sei. Im Gesellschaftsvertrag seien in §§ 12, 17 nur Regelungen zur Gewinnverwendung, nicht aber zur Gewinnverteilung enthalten. Zwar könne eine disquotale Gewinnausschüttung auch dann anerkannt werden, wenn eine Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag enthalten sei, wonach alljährlich mit Zustimmung des beeinträchtigten Gesellschafters über eine von der satzungsgemäßen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden könne. Eine solche Änderung sei nach § 53 Abs. 2 GmbHG notariell zu beurkunden und nach § 54 Abs. 3 GmbHG in das Handelsregister einzutragen. Beides sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt.

Die zivilrechtliche Wirksamkeit von Gewinnverteilungsbeschlüssen ohne entsprechende satzungsmäßige Absicherung, so der Prüfer weiter, werde unterschiedlich beurteilt. Nach überwiegender zivilrechtlicher Sicht sei von entscheidender Bedeutung, ob es sich um eine Satzungsdurchbrechung mit Dauerwirkung oder um eine punktuelle Satzungsdurchbrechung handele. Nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden vom – 12 W 1002/11 entfalteten satzungsdurchbrechende Gewinnverteilungsbeschlüsse Dauerwirkung und könnten daher nicht als lediglich punktuell wirkende Satzungsdurchbrechung qualifiziert werden (vgl. auch Hoffmann in Michalski, GmbHG, § 53 Rz. 35; Lawall, Deutsches Steuerrecht –DStR– 1996, 1169). Diese bedürften zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung i.S. des § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG und der Eintragung in das Handelsregister i.S. des § 54 Abs. 3 GmbHG (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 53 Rz. 30). Dieser Auffassung sei auch steuerrechtlich zu folgen. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass eine nachträgliche Satzungsänderung mit einer Regelung zur disquotalen Gewinnausschüttung eine konstitutive Maßnahme darstelle, deren Wirkung sich erst ex nunc vollziehe und damit steuerrechtlich –sogar bei nachträglichem Vollzug– nicht auf die Streitjahre zurückwirken könne.

Jedenfalls sei, so der Prüfer, auf einer zweiten Stufe die Gestaltungsmissbräuchlichkeit zu prüfen. Soweit der Berater bislang vorgetragen habe, Ziel der disquotalen Gewinnausschüttung sei es gewesen, das Haftungskapital bei der A zu mindern, um sich vor einer drohenden Inanspruchnahme zu schützen, könne dem nicht gefolgt werden, weil dieses Ziel auch durch eine quotale Ausschüttung hätte erreicht werden können.

Nach alledem seien 50 % der Ausschüttungsbeträge dem Kläger zuzurechnen. Bei diesem sei der Zufluss fiktiv zu unterstellen. Die Anschaffungskosten des Klägers für die Anteile an der B GmbH seien um 50 % der ausgeschütteten Beträge zu erhöhen. Bei der B GmbH gälten 5 % gemäß § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom (BGBl. I 2006, 2878) –KStG 2002 n.F.– als nicht abziehbare Betriebsausgaben.

Nachdem das FA aufgrund der vorgenannten Feststellungen der Betriebsprüfung von der disquotalen Gewinnausschüttung erstmals Kenntnis erlangt hatte, erließ es dem Prüfungsbericht entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2015 vom , in denen es Kapitalerträge in Höhe von 700.000 € (2012), 725.000 € (2013), 1.275.000 € (2014) und 1.700.000 € (2015) der Besteuerung zugrunde legte. Es unterwarf die vorgenannten Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG 2009) jeweils der Abgeltungssteuer (Bescheide vom ). Zugleich setzte das FA Zinsen zur Einkommensteuer fest:


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2012
42.875 €
2013
33.531 €
2014
39.843 €
2015
27.625 €

Gegen die Änderungsbescheide und die Zinsfestsetzungen legten die Kläger Einspruch ein. Im Hinblick auf die Zinsen begründeten sie diesen mit dem verfestigten Niedrigzinsniveau und der daraus resultierenden Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes. Sie verwiesen auf den .

Das FA wies hinsichtlich der Zinsen auf das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2237/14 hin und erläuterte, dass deshalb das Einspruchsverfahren insoweit gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) ruhe.

Den Einspruch gegen die Änderungen der Einkommensteuerfestsetzungen 2012 bis 2015 wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.

Hiergegen haben die Kläger am Klage erhoben. Einen Tag später haben sie diese erweitert um die Festsetzung und die Höhe der Zinsen und des angewandten Zinssatzes.

Die Kläger tragen vor, der Gesellschaftsvertrag lasse ausdrücklich eine Abweichung von einer quotalen Gewinnausschüttung zu. Selbst wenn dies anders gesehen werde, müsse es den Gesellschaftern möglich sein, eine abweichende Regelung zu treffen.

Hierdurch sei auch kein Dauerzustand geschaffen worden; insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass die Anteile an der A GmbH inzwischen veräußert worden seien. Es sei nicht zu erwarten, dass die künftigen Gesellschafter die bisherige Praxis fortsetzten. Die Entscheidung des OLG Dresden, auf die sich die Finanzverwaltung beziehe, betreffe allein zivilrechtliche Sachverhalte.

Unabhängig davon, dass der BStBl I 2014, 63 ff., rückwirkend eine solche entsprechende Änderung der Gewinnverteilungsbeschlüsse gar nicht habe treffen können und dies dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspreche, sei aus ihrer, der Kläger, Sicht 2012 und 2013 nichts abzuändern gewesen. Unabhängig von dieser Auffassung habe das Finanzgericht Köln unter Bezugnahme auf den Erlass nochmals entschieden, dass es keinesfalls schädlich sei, wenn im Gesellschaftsvertrag einer GmbH nur eine Gewinnverteilung nach Maßgabe der Gesellschaftsanteile vorgesehen sei. Auch wenn andere Regelungen im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen seien, könne die zivilrechtliche Wirksamkeit eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses nicht einfach ausgehebelt werden. Im vorliegenden Fall seien nach dem Gesellschaftsvertrag abweichende Regelungen durch die Gesellschafterversammlung möglich gewesen. Voraussetzung für die Gewinnverwendungsbeschlüsse sei jeweils nur, dass sie auf ein Geschäft beschränkt seien und einstimmig gefasst sein müssten. Das sei vorliegend der Fall.

Der BFH habe bereits mit seiner Entscheidung vom I R 77/96 entschieden, dass inkongruente Gewinnausschüttungen zulässig seien. Das setze jedoch voraus, dass es sich um keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO handele. Ein Gestaltungsmissbrauch liege hier nicht vor, weil die Besteuerung bei beiden Kapitalgesellschaften sichergestellt sei.

Nachdem das FA den Einkommensteuerbescheid 2015 während des Klageverfahrens aus nicht streitgegenständlichen Gründen geändert hat (Bescheid vom ; darin Erhöhung der Zinsen auf 28.321 €), beantragen die Kläger nunmehr,

  1. die Bescheide für 2012 bis 2014 über Einkommensteuer vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben,

  2. den Bescheid für 2015 über Einkommensteuer vom dahingehend zu ändern, dass die der Abgeltungsteuer unterfallenden Kapitalerträge von 1.777.914 € auf 77.914 € gemindert werden,

  3. die Festsetzungen der Zinsen zur Einkommensteuer 2012 bis 2014 vom sowie der Zinsen zur Einkommensteuer 2015 vom und aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA trägt vor, im Gesellschaftsvertrag sei gerade keine Regelung zur quotalen Verteilung des Gewinns vorhanden. Eine disquotale Gewinnausschüttung könne steuerrechtlich anerkannt werden, wenn eine Änderung des Gesellschaftsvertrages notariell beurkundet werde und nach § 54 Abs. 3 GmbHG in das Handelsregister eingetragen werde. Beides sei vorliegend nicht geschehen.

Soweit die Kläger vortrügen, die Gesellschafterbeschlüsse reichten aus, sei darauf hinzuweisen, dass in der gesellschaftsrechtlichen Literatur danach unterschieden werde, ob es sich um eine Satzungsdurchbrechung mit Dauerwirkung oder eine punktuelle Durchbrechung handele. Das FA meint, im vorliegenden Fall stellten die einzelnen Gesellschafterbeschlüsse auch nach der Rechtsprechung des OLG Dresden Satzungsdurchbrechungen mit Dauerwirkung dar, denen die notarielle Beurkundung fehle und die deshalb unwirksam seien. Durch die Beschlüsse über Vorabgewinnausschüttungen sei die jährlich festzustellende Gewinnverwendung dauerhaft vorweggenommen worden, so dass faktisch eine Dauerwirkung eingetreten sei.

Ein Unterschied zu der Entscheidung des OLG Dresden könne auch nicht darin gesehen werden, dass hier über die Gewinnverteilung und dort über die Gewinnverwendung beschlossen worden sei. Zum einen sei auch die Gewinnverteilung allein ein Unterfall der Gewinnverwendung, zum anderen sei es auch in der Entscheidung des OLG Dresden um die Wirksamkeit eines Gewinnausschüttungsbeschlusses gegangen.

Soweit die Kläger darauf hinwiesen, dass die Anteile an der Gesellschaft inzwischen veräußert worden seien, bleibe offen, wer an wen die Anteile veräußert habe. Unabhängig davon bleibe die Frage unbeantwortet, welche Bedeutung der Anteilsverkauf auf die dauerhaft reduzierte Gewinnrücklage haben solle.

Für die Vorabgewinnausschüttungen könne ferner kein wirtschaftlich anzuerkennender Grund vorgetragen werden. Die Schilderungen der Kläger seien insoweit widersprüchlich und fänden in den tatsächlichen Geschehensabläufen keine Stütze. In der Vergangenheit hätten sich keine besonderen Haftungsrisiken für die A GmbH realisiert. Inanspruchnahmen aus Schäden durch Betriebsunterbrechungen setzten neben der Fehlerhaftigkeit des gelieferten Artikels auch ein Verschulden des Leistenden voraus, das der Käufer zu beweisen habe. Es bestünden dafür erhöhte Anforderungen. In allgemeinen Lieferbedingungen werde der Verschuldensmaßstab vom Verkäufer zudem häufig auf grobes Verschulden begrenzt. Die Kläger, so das FA weiter, hätten zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen der A GmbH bislang nichts vorgetragen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die A GmbH erkennbar nur als Lieferant und nicht als Hersteller auftrete.

Das FA meint ferner, für eine Minderung des Haftungssubstrats sei keine inkongruente Gewinnausschüttung notwendig gewesen. Bei der Verlagerung von Vermögenswerten auf die Gesellschafter zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger entstehe kein Vorteil durch die 100%-ige Ausschüttung an die B GmbH im Vergleich zu einer Ausschüttung entsprechend den Beteiligungsquoten an beide Gesellschafter. Aus der Rechtsform ließen sich in diesem Zusammenhang keine Vorteile ableiten; beide Gesellschafter unterlägen der inländischen Gerichtsbarkeit.

Das FA mutmaßt, vielleicht ergebe sich aus der Firmierung der B GmbH ein Hinweis auf die wahren Motive für die disquotale Gewinnausschüttung. Alleiniger Gesellschafter der B GmbH sei der Kläger gewesen, der auch die übrigen Anteile an der A GmbH halte. Die Kinder des Klägers seien C und D. Die Firmierung der Gesellschafter, so meint das FA, lasse sich damit aus den Vornamen der Kinder des Klägers ableiten. Das Anlagevermögen der B GmbH bestehe ausschließlich aus dem Geschäftsanteil an der Klägerin; neben dem Halten dieses Anteils seien keine weiteren geschäftlichen Aktivitäten erkennbar. Zum Zeitpunkt der Gründung der B GmbH im Frühjahr 2012, der Gesellschaftsvertrag stamme vom , sei es möglich gewesen, im Rahmen sog. Cash-GmbHs liquides Vermögen durch Einlage in ein Betriebsvermögen unter Ausnutzung der Privilegierungen der damals geltenden §§ 13a, 13b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes 1997 i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom (BGBl. I 2011, 2131) –ErbStG 1997 n.F.– schenkungsteuerfrei zu übertragen. Erst durch die Gesetzesänderung am [gemeint ist wohl das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom (BGBl. I 2013, 1809)] sei dieses Gestaltungsmodell unbrauchbar geworden.

Soweit die Kläger schließlich offenbar von einem schutzwürdigen Vertrauen ausgingen und meinten, die Rechtsauffassung laut BMF-Schreiben könne auf Sachverhalte vor 2014 nicht angewandt werden, sei darauf hinzuweisen, dass sich an der gesellschaftsrechtlichen Behandlung nichts geändert habe.

Der Sach- und Streitstand ist am mit den Beteiligten erörtert worden. Wegen der Einzelheiten des Erörterungstermins wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.

Auf Nachfrage des Berichterstatters haben das FA (Schreiben vom ) und die Kläger (Schreiben vom ) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

A. Über die KIage durfte der Senat aufgrund des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 90 Abs. 2 FGO).

B. Die Klageerweiterung vom um die Anfechtung der Zinsfestsetzungen nach § 233a AO ist unzulässig und die Klage daher durch Prozessurteil abzuweisen. Denn es fehlt insoweit an den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. zu den Anforderungen an eine Klageerweiterung insoweit statt aller Paetsch in Gosch, § 67 FGO Rz. 45). Die Klage gegen die Zinsfestsetzungen ist mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig (vgl. § 44 FGO). Wegen des beim BVerfG anhängigen Verfahrens 1 BvR 2237/14 ruht das Einspruchsverfahrens insoweit nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Hierauf hat der Berichterstatter die Beteiligten im Erörterungstermin am auch hingewiesen.

C. Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dem Kläger sind keine Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2009 aufgrund der inkongruenten Vorabgewinnausschüttungen der A GmbH in den Jahren 2012 bis 2015 zuzurechnen. Vielmehr führen die vorgenannten Vorabgewinnausschüttungen in voller Höhe ausschließlich zu Einkünften der A GmbH.

I. Gesellschaftsrechtlich sind inkongruente Gewinnausschüttungen zulässig; die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft können sich auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnbeteiligung verständigen (vgl. § 29 Abs. 3 GmbHG). Grundsätzlich und für sich genommen bestehen keine Bedenken, dem auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu folgen. Nahezu jede Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolgt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 2002), stellt zugleich eine inkongruente dar (vgl. auch , BFHE 135, 31, BStBl II 1982, 248, und vom VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594, 600). Es gibt keinen Grund, offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, steuerlich hiervon abweichend zu behandeln (, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; dem folgend bspw. , BFH/NV 2012, 1330, und , BFH/NV 2015, 495).

II. Die Gewinnverteilungsbeschlüsse sind im vorliegenden Fall zivilrechtlich wirksam und damit –wie unter I. dargelegt– grundsätzlich auch steuerlich maßgebend.

1. Inkongruente Gewinnausschüttungen können –entgegen der Auffassung des FA und des BStBl I 2014, 63)– zivilrechtlich nicht nur dann anzuerkennen sein, wenn im Gesellschaftsvertrag gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag festgesetzt ist oder eine Öffnungsklausel besteht. Der Umstand, dass der Gesellschaftsvertrag der GmbH einen von § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel oder eine Öffnungsklausel nicht vorsieht, lässt die zivilrechtliche Wirksamkeit eines unter Zustimmung aller Gesellschafter zustande gekommenen Beschlusses über die abweichende Gewinnverteilung nicht entfallen (, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2016, 1875, Rev. BFH: VIII R 28/16; zum gesellschaftsrechtlichen Meinungsstand s. Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 29 Rz. 39; Mock in Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 29 Rz. 206; Verse in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 29 Rz. 77a). Gesellschaftsrechtlich sind die Gesellschafter frei darin, einander Gewinnanteile zu überlassen (Urteil des Finanzgerichts Köln in EFG 2016, 1875, Rev. BFH: VIII R 28/16; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, 20. Aufl. 2020, § 29 GmbHG Rz. 39; Verse in Scholz, 12. Aufl. 2018, § 29 GmbHG Rz. 74 ff.).

2. Entgegen der Auffassung des FA stellt ein solcher von der Satzung abweichender Gewinnverteilungsbeschluss auch keine Satzungsänderung dar, die zu ihrer Wirksamkeit notariell beurkundet und in das Handelsregister eingetragen werden müsste (vgl. zu Satzungsänderungen § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GmbHG). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) geht davon aus, dass Gesellschafterbeschlüsse, die Satzungsrecht durchbrechen, aber nur einen Einzelfall regeln, keine Satzungsänderung beinhalten und deshalb auch ohne Einhaltung der für Satzungsänderungen geltenden formellen Vorgaben der §§ 53 f. GmbHG jedenfalls nicht nichtig, sondern wirksam sind (, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis –ZIP– 1981, 1218; Beurkundungspflicht offen gelassen hingegen im , BGHZ 123, 15; eventuell für eine Beurkundungspflicht bei Abweichung von der Satzung, aber nicht bei einer Abweichung von den gesetzlichen Grundvorgaben , BFH/NV 2018, 936, Rz. 22). Die Zulässigkeit bzw. Wirksamkeit von Satzungsdurchbrechungen, die nicht den Formerfordernissen entsprechen wie sie für Satzungsänderungen gelten, ist dabei –so der BGH– jedenfalls auf punktuelle Regelungen beschränkt, bei denen sich die Wirkung des Beschlusses in der Wirkung der jeweiligen Maßnahme erschöpfe (BGH-Urteil in BGHZ 123, 15). Der erkennende Senat folgt der vorgenannten BGH-Rechtsprechung zumindest in solchen Fallkonstellationen wie einer inkongruenten, von den gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Vorgaben abweichenden Gewinnverteilung, weil diese nur eine punktuelle Wirkung hat (, EFG 2005, 1380, aus anderweitigen Gründen aufgehoben durch , BStBl II 2007, 728; Pörschke Der Betrieb –DB– 2017, 1165, 1166; weitergehend, Priester/Tebben in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2020, § 53 Rz. 29, Fußn. 85, Trölitzsch in BeckOK GmbHG, 44. Edition, § 53 Rz. 27d) und insoweit eine Publizität zum Schutze künftiger Anteilserwerber oder Gläubiger der Gesellschaft nicht erforderlich ist (weitergehend Pöschke, DStR 2012, 2089; s.a. allg. den Aspekt des Schutzes künftiger Anteilserwerber oder Gläubiger hervorhebend Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 53 Rz. 30). Sowohl für künftige Anteilserwerber wie für Gläubiger der Gesellschaft ist es rechtlich und wirtschaftlich grundsätzlich irrelevant, an welchen Gesellschafter die Mittelabflüsse aufgrund einer beschlossenen Gewinnausschüttung erfolgen (zu etwaigen Besonderheiten bei Vorabgewinnausschüttungen vgl. nachfolgend unter 3.). Dass ein solcher Beschluss ggf. entsprechend § 243 Abs. 1 des Aktiengesetzes anfechtbar ist (offen lassend BGH-Urteile in ZIP 1981, 1205 und in BGHZ 123, 15, sowie Urteil des Finanzgerichts Köln in EFG 2016, 1875, Rev. BFH: VIII R 28/16; gegen eine Anfechtbarkeit einstimmig gefasster Beschlüsse Priester/Tebben in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2020, § 53 Rz. 30a; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., 2020, § 53 Rz. 30, 31; Pörschke, DB 2017, 1165, 1166), ändert an der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Beschlusses nichts (, BFHE 122,43, BStBl II 1977, 491; Urteil des Finanzgerichts Köln in EFG 2016, 1875, Rev. BFH: VIII R 28/16).

3. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen liegen im Streitfall punktuell satzungsdurchbrechende/satzungsverletzende bzw. gegen die gesetzliche Grundregel zur Gewinnverteilung verstoßende Beschlüsse über Vorabgewinnausschüttungen vor, die aber gleichwohl zivilrechtlich wirksam und damit grundsätzlich auch steuerlich für die Zurechnung der Kapitaleinkünfte maßgebend sind.

a) Die Satzung der A GmbH beinhaltet –bei der gebotenen objektiven Auslegung– keine Regelung i.S. des § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG, die eine Gewinnverteilung nach einem anderen Maßstab als dem Verhältnis der Geschäftsanteile zulassen würde. Insbesondere betrifft § 17 des Gesellschaftsvertrages nur die Befugnis mit einfacher Mehrheit über die Gewinnverwendung und die „Gewährung und Entnahme von Vorschüssen auf die voraussichtlichen Jahresgewinnansprüche …” zu entscheiden, nicht aber die Befugnis, mit einfacher Mehrheit eine Gewinnverteilung (und darauf ggf. gewährter Vorschüsse) abweichend von dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu beschließen.

b) In den Streitjahren haben die Gesellschafter der A GmbH übereinstimmend beschlossen, Vorabgewinnausschüttungen disquotal (und damit im Ergebnis abweichend von dem Gesellschaftsvertrag) allein an die B GmbH vorzunehmen. Dass mag zwar dem Wortlaut der jeweiligen Gewinnverteilungsbeschlüsse nur schwer zu entnehmen sein, da hiernach das Gesellschaftskapital jeweils zu 100 % durch die B GmbH vertreten war und der Kläger –formal betrachtet– allein als Geschäftsführer der B GmbH den Beschluss gefasst und unterzeichnet hat. Da aber nach dem Beschluss 100 % des Kapitals bei der Gesellschafterversammlung vertreten sein sollten, spricht dies dafür, dass die B GmbH befugt sein sollte, auch den Kläger zu vertreten. Hierzu konnte die Gesellschaft zivilrechtlich auch formfrei ermächtigt werden. Angesichts der Personenidentität des Gesellschafter-Geschäftsführers der B GmbH einerseits und des Klägers andererseits kann auch ein Interessengegensatz ausgeschlossen werden. Gewollt war übereinstimmend eine inkongruente Vorabgewinnausschüttung an die B GmbH. Dass ein zwingender tatsächlicher oder rechtlicher Grund für eine Bevollmächtigung der B GmbH nicht erkennbar ist, ist angesichts der rechtlichen Zulässigkeit dieser Konstruktion unerheblich.

c) Bei den verschiedenen Gewinnverteilungsbeschlüssen im vorliegenden Fall handelt es sich auch nur um punktuelle Beschlüsse, die lediglich jeweils einzelne Ausschüttungen betreffen und keine Satzungsänderung bezweckten oder bewirkten. Sie erschöpfen sich in der Regelung, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt Vorabgewinnausschüttungen abfließen sollten, und zwar disquotal nur an einen der beiden Gesellschafter. Für die Zukunft entfalten sie keine Rechtswirkungen. Eine Dauerhaftigkeit kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt angenommen werden, dass es in den Jahren 2012 bis 2015 zu einer Vielzahl solcher Vorabgewinnausschüttungen gekommen ist. Denn diese beruhten jeweils auf neu gefassten Willensentschlüssen der Gesellschafter und nicht etwa auf einem einmaligen Gesellschafterbeschluss der für mehrere Jahre eine inkongruente Gewinnverteilung angeordnet hätte.

Die Annahme einer Satzungsänderung (und damit die Notwendigkeit einer Beurkundung und einer Eintragung in das Handelsregister) ist im vorliegenden Fall auch nicht aus Gründen des Schutzes zukünftiger Anteilserwerber oder von Gläubigern erforderlich. Dies wurde bereits für auf ein vergangenes Jahr bezogene Gewinnverteilungsbeschlüsse dargelegt (vgl. oben unter C.II.1), gilt aber auch für Vorabgewinnausschüttungen. Zwar mag man argumentieren, dass es insbesondere für einen zukünftigen Erwerber durchaus von erheblichem wirtschaftlichem Interesse sein kann, ob es vor der Aufstellung des Jahresabschlusses bereits zu Vorabgewinnausschüttungen gekommen ist.. Dies ist jedoch eine allgemeine Gefahr von Vorabgewinnausschüttungen, die aber weder einem Satzungsvorbehalt unterliegen noch an besondere Formerfordernisse gebunden sind. Notwendig ist ein bloßer Gesellschafterbeschluss, die Respektierung der Stammkapitalbildung und die objektiv begründete Erwartung nach ordentlichen kaufmännischen Grundsätzen, dass im festgestellten Jahresabschluss ein den Betrag der Vorabausschüttung abdeckendes, ausschüttungsfähiges Ergebnis ausgewiesen werden wird (s. zu den Voraussetzungen nur Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 29 Rz. 45; Verse in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 29 Rz. 107 f.). Die so beschlossene Vorabgewinnausschüttung steht unter der auflösenden Bedingung (§ 158 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB–), dass sich diese Erwartung bei Feststellung des Jahresabschlusses bewahrheitet (, BFH/NV 1994, 83; vom VIII R 2/12, BFHE 248, 15, BStBl II 2015, 333; , DB 1992, 985). Damit besteht allgemein eine Gefahr für zukünftige Erwerber, dass es Vorabgewinnausschüttungen gegeben hat, von denen sie nicht unmittelbar Kenntnis erlangen konnten und die sie nachträglich auch nicht mehr durch einen abweichenden Gewinnverwendungsbeschluss beeinflussen können. Der bloße Umstand der Inkongruenz begründet keine zusätzliche Gefahr für zukünftige Erwerber, so dass der Senat keinen Anlass sieht, unter diesem Gesichtspunkt die Formerfordernisse heraufzusetzen, wenn das Gesetz allgemein für Vorabgewinnausschüttungen keine besonderen Formerfordernisse aufstellt.

Mit seiner Auffassung sieht sich der Senat nicht in Gegensatz zu anderweitiger obergerichtlicher Rechtsprechung, namentlich zu dem seitens des FA hervorgehobenen Urteil des OLG Dresden (Urteil vom – 12 W 1002/11, GmbH-Rundschau 2012, 213). Diese Entscheidung betraf Gewinnverwendungsbeschlüsse, durch die Gewinne unter Verletzung satzungsrechtlicher Bestimmungen zur Rücklagenbildung ausgeschüttet wurden. Durch die Schmälerung der Gewinnrücklage sah das OLG Dresden in dieser besonderen Fallkonstellation eine Wirkung, die über den konkreten Zeitpunkt der Ausschüttung hinausreichte. Ungeachtet der Frage, ob der Auffassung des OLG Dresden in der ihm vorliegenden Fallgestaltung gefolgt werden könnte (dessen Entscheidung ablehnend z.B. Priester/Tebben in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2020, § 53 Rz. 29, Fußn. 85; Trölitzsch in BeckOK GmbHG, 44. Edition, § 53 Rz. 27d), liegt hier jedenfalls eine entsprechende Situation nicht vor; durch die Vorabgewinnausschüttungen sind hier keine derartigen satzungsmäßigen Bestimmungen zur Rücklagenbildung verletzt worden, die in irgendeiner Weise eine satzungwidrige Folgewirkung auf die künftige Kapitalausstattung der Gesellschaft hätte haben können.

III. Steuerlich könnte im Übrigen von einem fiktiven hälftigen Zufluss der Gewinnausschüttungen bei dem Kläger grundsätzlich selbst dann nicht ausgegangen werden, falls man der gesellschaftsrechtlichen Würdigung des erkennenden Senats nicht folgen wollte und die Gewinnausschüttungsbeschlüsse zivilrechtlich unwirksam wären. Vielmehr hätte dies nach allgemeinen Grundsätzen allein eine verdeckte Gewinnausschüttung zur Folge, die klassischerweise inkongruent erfolgt. Offene grenzen sich nämlich von den verdeckten Gewinnausschüttungen dadurch ab, dass erstgenannte auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden wirksamen Gewinnverteilungsbeschluss beruhen (Gosch, 3. Aufl. 2015, § 8 Rz. 146; s.a. Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 20 Rz. C/1 42: Auszahlung einer nicht ordnungsgemäß beschlossenen Vorabausschüttung führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung).

IV. Die Gewinnverteilungsbeschlüsse sind im vorliegenden Fall auch nicht gestaltungsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO erfolgt (zum Gestaltungsmissbrauch als Grenze der Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen s. , BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, und vom IV R 28/11, BFH/NV 2015, 495).

1. Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2 AO).

2. Diese Voraussetzungen für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Weder bei den Klägern noch bei einer dritten Person ist ein unangemessener steuerlicher Vorteil eingetreten.

a) Zwar mag durch die inkongruenten Gewinnausschüttungen bei den Klägern temporär die Abgeltungssteuer vermieden und eine niedrigere Versteuerung bei der B GmbH nach den Maßgaben des § 8b Abs. 1 und 5 KStG 2002 n.F. erreicht worden sein. Dies stellt bei den Klägern indes keinen steuerlichen Vorteil i.S. des § 42 AO dar, weil die Kläger anderseits tatsächlich nichts erhalten haben, das ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht hat und das der Besteuerung hätte unterliegen können. Da die Gewinnausschüttungen tatsächlich vollständig an die B GmbH geflossen sind, können die Kläger –vor einer erneuten Gewinnausschüttung– nicht über die Beträge verfügen. Kommt es in Zukunft zu einer Gewinnausschüttung und erlangen sie hierdurch erstmals die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Geld, werden die Kläger die Versteuerung der ihnen dann zugeflossenen Kapitaleinkünfte „nachzuholen” haben.

b) Ein steuerlicher Vorteil kann –entgegen der Auffassung des FA– auch nicht darin gesehen werden, dass durch Einlagen in eine GmbH liquides Vermögen nach §§ 13a, 13b ErbStG 1997 n.F. schenkungsteuerfrei übertragen werden konnte. Dies stellt allenfalls eine schenkungsteuerliche Überlegung dar, die allerdings nicht Anlass sein kann, inkongruenten Gewinnausschüttungen einkommensteuerrechtlich die Anerkennung zu versagen.

D. Die Berechnung der Einkommensteuer 2015 durfte gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen werden.

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

F. Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.

Anmerkung

ECLI:DE:FGMS:2020:0506.9K3359.18E.AO.00

Fundstelle(n):
DStR 2021 S. 7 Nr. 4
DStRE 2021 S. 274 Nr. 5
EFG 2020 S. 1603 Nr. 21
EStB 2021 S. 45 Nr. 1
ErbStB 2020 S. 287 Nr. 10
GStB 2020 S. 443 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 16/2021 S. 1145
BAAAH-57057