NWB-EV Nr. 9 vom Seite 306

Das Nottestament

Letztwillige Verfügung in Ausnahmefällen

Dr. Ingeborg Haas *

Eine letztwillige Verfügung in der Form des Testaments ist unter normalen Umständen nur durch eine notarielle Beurkundung oder durch ein vom Erblasser selbst handschriftlich verfasstes Dokument zu errichten. Ausnahmen sind allerdings für Fälle vorgesehen, in denen weder die eine noch die andere Möglichkeit umsetzbar ist. Für solche „Notfälle” sieht das Gesetz Ausnahmeregelungen vor. Man spricht hier vom „Nottestament”. Der folgende Artikel stellt die verschiedenen Formen der Nottestamente dar und gibt einen Überblick über die jeweiligen Voraussetzungen und die zu beachtenden Formalitäten.

I. Arten des Nottestaments

Das BGB unterscheidet drei verschiedene Arten des Nottestaments:

  • Nottestament vor dem Bürgermeister (§ 2249 BGB, § 250 Abs. 1 1. Alt. BGB): Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Testament vor dem Bürgermeister der Gemeinde errichtet werden, in der sich der Erblasser gerade aufhält.

  • Nottestament vor drei Zeugen (§ 2250 Abs. 1 2. Alt. BGB): Ein Nottestament kann auch vor drei Personen errichtet werden, die im Testament weder als Erbe bedacht wurden noch als Testamentsvollstrecker fungieren dürfen.

  • Nottestament auf See (§ 2251 BGB): Während einer Seereise kann an Bord eines deutschen Seeschiffes, sofern sich das Schiff außerhalb eines inländischen Hafens befindet, ein Testament vor drei Zeugen errichtet werden.

Gemeinsam ist den drei Varianten, dass sie nur unter ganz engen Voraussetzungen Gültigkeit haben. Der Erblasser kann also nicht frei wählen, ob er statt des Notartestaments ein Testament beim Bürgermeister oder vor drei Zeugen errichtet.

II. Das Bürgermeistertestament im Einzelnen

1. Voraussetzungen

Ein Bürgermeistertestament ist in zwei unterschiedlichen „Notlagen” zulässig:

  • Es besteht die Gefahr vorzeitigen Ablebens bzw. Eintritts der Testierunfähigkeit (§ 2249 Abs. 1 BGB)

oder

a) Gefahr vorzeitigen Ablebens

Der Bürgermeister muss nach seiner Überzeugung davon ausgehen, dass der Tod bzw. die Testierunfähigkeit eintreten kann, bevor der Erblasser beim Notar ein Testament errichten kann. Es kommt nicht darauf an, dass objektiv mit dem Ableben zu rechnen war. Alleine die Einschätzung des Bürgermeisters ist maßgeblich.

b) Absperrung

Eine Absperrung in diesem Sinne ist ein Hindernis, das auf Grund außerordentlicher Umstände vorhanden ist. Wenn z. B. durch Hochwasser oder Erdrutsch eine Straße versperrt ist, liegt eine Absperrung in diesem Sinne vor. Eine Absperrung, die über eine Umleitung umfahren werden kann, genügt dagegen nicht.

2. Formalitäten

Der Bürgermeister des Ortes, an dem sich der Testierwillige aufhält, ist zuständig für die Errichtung des Testaments. Er tritt an die Stelle des Notars. Daher muss er während der gesamten Beurkundung anwesend sein, muss mit dem Erblasser selbst verhandeln und dessen letzten Willen entgegen nehmen (§ 2249 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Wenn er oder sein Ehegatte bedacht werden, darf er die Beurkundung nicht vornehmen.

Auch der Stellvertreter des Bürgermeisters kann das Testament aufzeichnen, sonstige Gemeindemitarbeiter sind aber nicht befugt, ein Nottestament aufzunehmen (§ 2249 Abs. 5 BGB).

Neben dem Bürgermeister müssen zwei Zeugen anwesend sein, die ebenfalls nicht im Testament bedacht oder als Testamentsvollstrecker bestellt sein dürfen (§ 2249 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).

3. Ablauf der Testamentserrichtung

Der Erblasser muss seinen Willen erklären. Dies kann mündlich, schriftlich oder durch „anderweitige Verständigung” S. 307stattfinden. Darüber muss eine Niederschrift angefertigt werden. Wenn der letzte Wille schriftlich übergeben wurde, ist lediglich das Schriftstück der Niederschrift anzufügen, der Inhalt muss nicht noch einmal wiedergegeben werden. In der Niederschrift muss aber der Hinweis enthalten sein, dass ein Schriftstück übergeben wurde (§ 2249 Abs. 2 BGB).

Der Bürgermeister soll den Erblasser darauf hinweisen, dass das Testament seine Gültigkeit verliert, wenn der Erblasser drei Monate nach der Testamentserrichtung noch lebt. Aus der Niederschrift soll auch hervorgehen, dass der Bürgermeister diesen Hinweis gegeben hat (§ 2249 Abs. 3 BGB).

Die Niederschrift wird dann in Anwesenheit des Erblassers und der Zeugen verlesen. Es reicht nicht, dass die Niederschrift laut diktiert wurde, sondern nachdem der Text aufgeschrieben wurde, ist das fertige Ergebnis zu verlesen.

Anschließend ist die Niederschrift vom Erblasser, den Zeugen und dem Bürgermeister zu unterzeichnen. Wenn der Erblasser nach seinen Angaben nicht schreiben kann oder der Bürgermeister zu der Überzeugung kommt, dass der Erblasser nicht schreiben kann, muss in der Niederschrift ein entsprechender Hinweis enthalten sein. Dieser Hinweis ersetzt dann die Unterschrift.

Die Niederschrift muss vom Bürgermeister in einen Umschlag genommen und dieser mit Siegel verschlossen werden. Dann ist der Umschlag unverzüglich beim Amtsgericht zu hinterlegen. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Gemeinde des Bürgermeisters liegt. Allerdings kann der Erblasser eine Hinterlegung bei einem anderen Amtsgericht verlangen.

4. Gültigkeit

Wenn der Erblasser drei Monate nach der Testamentserrichtung noch lebt, gilt das Testament als nicht errichtet (§ 2252 Abs. 1 BGB).

III. Das Nottestament vor drei Zeugen

1. Voraussetzungen

Die Errichtung eines Nottestaments vor drei Zeugen ist wie auch das Bürgermeistertestament zulässig, wenn

  • eine Absperrung

oder

  • die „Gefahr des nahen Todes bzw. der Testierunfähigkeit”

besteht (§ 2250 Abs. 1 BGB).

2. Besonderheiten des Testaments bei der „Gefahr des nahen Todes”

Das Bürgermeistertestament ist bei der „Gefahr des nahen Todes” vorrangig. Erst dann, wenn auch das Bürgermeistertestament nicht mehr möglich ist, kann das Drei-Zeugentestament die normale Beurkundung ersetzen (§ 2250 Abs. 2 BGB).

3. Ablauf der Testamentserrichtung

Anders als das Bürgermeistertestament kann das Drei-Zeugentestament vom Wortlaut des § 2250 BGB nur aufgrund einer mündlichen Erklärung, nicht durch Übergabe einer Schrift oder sonstige Verständigung errichtet werden. Diese Einschränkung gegenüber stummen Menschen dürfte aber verfassungswidrig sein, so dass auch von ihnen ein Drei-Zeugentestament errichtet werden kann, wenn sie sich in der entsprechenden Notsituation befinden.

Über die Erklärung ist eine Niederschrift zu fertigen, die verlesen und unterzeichnet werden muss (§ 2250 Abs. 2 BGB).

Auch hier genügt bei einem schreibunfähigen Erblasser eine entsprechende Feststellung in der Niederschrift, um die Unterschrift zu ersetzen.

4. Gültigkeit

Das Drei-Zeugentestament verliert seine Gültigkeit, wenn der Erblasser drei Monate nach seiner Errichtung noch lebt (§ 2252 Abs. 1 BGB).

IV. Nottestament auf See

1. Voraussetzungen

Anders als das Bürgermeister- und das Drei-Zeugentestament ist für das Seetestament eine Notlage nicht erforderlich. Es ist dann gültig, wenn es auf See, außerhalb eines deutschen Hafens vor drei Zeugen errichtet wurde. Damit die hier genannten Anforderungen gelten, muss es sich um ein deutsches Schiff handeln, was bedeutet, dass es unter deutscher Flagge fahren muss (§ 2251 BGB). Fischereifahrten mit „baldiger” Rückkehr stellen keine Seefahrt in diesem Sinne dar.

2. Ablauf der Testamentserrichtung

Das Seetestament wird wie das Drei-Zeugentestament errichtet, so dass sich auch hier die Frage stellt, ob tatsächlich bei stummen Menschen ein Seetestament an der mündlichen Erklärung scheitern kann.

3. Gültigkeit

Auch das Seetestament verliert seine Gültigkeit, wenn der Erblasser drei Monate nach der Errichtung noch lebt. Tritt der Erblasser aber vor Ablauf von drei Monaten eine neue Seereise an, beginnt die Drei-Monatsfrist mit dem Ende dieser Reise neu zu laufen (§ 2252 Abs. 1, 3 BGB).

Autorin

Dr. Ingeborg Haas
ist als Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht Partnerin der Kanzlei Prof. Dr. Schmorleiz & Partner in Mainz.

Fundstelle(n):
NWB-EV 9/2012 Seite 306
NWB AAAAE-16017