BFH Urteil v. - VIII R 82/98 BStBl 2002 II S. 774

Betriebsaufspaltung bei Besitz-GbR. Für die faktische Beherrschung der Besitz-GbR durch einen Gesellschafter ist Voraussetzung, dass die übrigen Gesellschafter bei der Beschlussfassung in der Betriebsgesellschaft keinen eigenen geschäftlichen Willen entfalten können

Leitsatz

1. Eine Betriebsaufspaltung liegt regelmäßig nicht vor, wenn nur einer der beiden Geschäftsführer einer Besitz-GbR an der Betriebs-GmbH beteiligt ist.

2. Eine faktische Beherrschung der Besitz-GbR durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer setzt voraus, dass die anderen Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beschlussfassung über die Angelegenheiten der Gesellschaft keinen eigenen geschäftlichen Willen entfalten können. Ein auf schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen beruhender wirtschaftlicher Druck genügt hierfür regelmäßig nicht. [1]

Gesetze: GewStG § 2 Abs. 1 Satz 2EStG § 15 Abs. 2

Instanzenzug: Niedersächsisches FG (EFG 1999, 428) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - ab dem eine GbR - betrieb zuvor bis zum ein Einzelhandelsgeschäft in der Rechtsform einer OHG. Das Unternehmen wurde auf einem Grundstück ausgeübt, das die Klägerin von ihrem Gesellschafter GS gemietet hatte. Der Mietvertrag war mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderjahres kündbar.

Gesellschafter der GbR waren neben GS noch seine Ehefrau GiS und seine Tochter HB, zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft waren aber nur GS und GiS berechtigt. Vereinbarungen in Bezug auf die Stimmrechte der Gesellschafter wurden nicht getroffen.

GS und HB waren auch Gesellschafter einer am gegründeten GmbH. GS war am Stammkapital der GmbH mit 51 v. H. beteiligt; Geschäftsführer waren GS und GiS.

Die GmbH führte ab das Unternehmen der OHG aufgrund eines Unternehmens-Pachtvertrages fort. Der Vertrag wurde für eine Laufzeit von 10 Jahren mit Verlängerungsoption geschlossen. Das Betriebsgrundstück wurde von der GbR an die GmbH untervermietet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -), behandelte die Klägerin für das Streitjahr 1990 als Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und setzte einen einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für dieses Jahr in Höhe von 200 DM fest. Die Klägerin vertrat demgegenüber die Ansicht, dass eine Betriebsaufspaltung wegen fehlender personeller Verflechtung der Gesellschaften nicht bestehe. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1999, 428).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - i. V. m. § 15 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit ihren Einkünften aus der Verpachtung ihres Unternehmens nicht der Gewerbesteuer unterliegt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG, und dazu , BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Eine Betriebsaufspaltung, die zu einem Gewerbeertrag führen würde (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 116, 277, BStBl II 1975, 781, und vom VIII R 72/96, BFHE 188, 397), liegt nicht vor.

1. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung sind nicht erfüllt, wenn an der Betriebsgesellschaft nicht alle Gesellschafter der Besitzpersonengesellschaft beteiligt sind und die Beschlüsse der Besitzpersonengesellschaft einstimmig gefasst werden müssen. Davon geht der BFH in nunmehr ständiger Rechtsprechung aus (vgl. , BFHE 187, 570; in BFHE 188, 397). Danach ist eine Betriebsaufspaltung zwischen einer GbR als Besitzgesellschaft und einer Betriebsgesellschaft grundsätzlich ausgeschlossen. Denn nach dem gesellschaftsrechtlichen Regelstatut gilt für eine GbR das Einstimmigkeitsprinzip (§ 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

Davon ist auch im Streitfall auszugehen. Die Klägerin ist seit dem eine GbR, die aufgrund des geänderten Gesellschaftsvertrages von GS und der ,,Nur-Besitz-Gesellschafterin'' GiS als den beiden Geschäftsführern vertreten wird.

Die Geschäftsführung steht ihnen im Zweifel gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist deshalb die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich (§§ 710 Satz 2, 709 Abs. 1 BGB).

2. Die GbR wird durch GS auch nicht auf anderer als auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage ,,faktisch'' beherrscht.

Der BFH hat zwar in besonderen Ausnahmefällen für die Beherrschung im Sinne der Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung auch eine faktische Beherrschung der Besitz- oder Betriebsgesellschaft durch einen Gesellschafter oder einen Dritten genügen lassen; Voraussetzung hierfür ist aber, dass sich die ausschließlich an der Besitzpersonengesellschaft beteiligten Gesellschafter aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen dem Druck der beherrschenden Gesellschafter unterordnen müssen (BFH-Urteile in BFHE 187, 570, unter 2. der Gründe; in BFHE 188, 397, unter II. 1. b der Gründe). Davon kann man im Streitfall nicht ausgehen. Für eine Unterordnung der Gesellschafterin GiS ergeben sich aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Dieser Sachverhalt lässt weder den Schluss zu, dass die Ehegatten das Pachtverhältnis zwischen der GbR und der GmbH für dessen gesamte Dauer mit gleichgerichteten Interessen planmäßig gemeinsam gestalten wollten (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 188, 397, unter II. 1. b der Gründe, m. w. N.), noch gewährt die Verpachtung des Grundstücks an die GbR dem Gesellschafter-Verpächter GS eine für die Beherrschung dieser Gesellschaft hinreichende tatsächliche Machtstellung. Eine solche könnte nur dann angenommen werden, wenn GiS von ihren Einwirkungsmöglichkeiten als Gesellschafterin und Geschäftsführerin auf die Entscheidungen der GbR keinen Gebrauch mehr hätte machen können (, BFH/NV 1991, 454; vom IV R 20/98, BFHE 187, 260, BStBl II 1999, 445). Das wäre etwa dann der Fall, wenn GS ihr das Stimmrecht jederzeit hätte entziehen können (vgl. , BFHE 182, 216, BStBl II 1997, 437), wenn sie nach den tatsächlichen Verhältnissen in der Gesellschaft von ihrem Stimmrecht ausgeschlossen gewesen wäre (zur Bedeutung der tatsächlichen Handhabung des Stimmrechts vgl. u. a. , BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296, unter I. 3. b der Gründe; , EFG 1996, 748) oder wenn GS ihr in wesentlichen Punkten der Geschäftsführung seinen Willen derart aufgezwungen hätte, dass die Ausübung ihres Stimmrechts letztlich nicht mehr auf ihrem eigenen geschäftlichen Willen beruhte (, BFHE 154, 566, BStBl II 1989, 152, unter 2. b der Gründe). Umstände, die einen solchen Schluss zuließen, sind weder vom FG festgestellt noch von den Beteiligten vorgetragen worden.

Der mit der Überlassung von wesentlichen Betriebsgrundlagen verbundene wirtschaftliche Druck auf die Geschäftsführung der Gesellschaft rechtfertigt für sich allein nicht den Schluss, die Gesellschafter könnten bei der Beschlussfassung keinen eigenen geschäftlichen Willen mehr entfalten. Insoweit gilt für die Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung durch die Gesellschaft nichts anderes als für die Einflussnahme von Großgläubigern über das der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Kapital (vgl. dazu , BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28 unter II. 2. b cc der Gründe vom III R 94/87, BFHE 159, 480, BStBl II 1990, 500, unter 3. b der Gründe, und vom IV R 13/91, BFHE 169, 231, BStBl II 1993, 134, unter III. der Gründe) oder für die Einflussnahme eines angestellten Fachmanns auf das Abstimmungsverhalten eines nichtfachkundigen Gesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 187, 260, BStBl II 1999, 445). Ein solcher, auf schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen beruhender wirtschaftlicher Druck kann - wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 147, 463, BStBl II 1987, 28 ausgeführt hat - zu einer tatsächlichen Beherrschung allenfalls dann führen, wenn der Vertragspartner die Geschäftsführung in dem Unternehmen vollständig an sich zieht und im eigenen Interesse ausübt (vgl. auch Söffing, Die Betriebsaufspaltung, 1999, S. 148 f.).

Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 774
BB 2000 S. 1447 Nr. 28
BFH/NV 2000 S. 1304
BFH/NV 2000 S. 1304 Nr. 10
BStBl II 2002 S. 774 Nr. 19
DB 2000 S. 1447 Nr. 29
DStR 2000 S. 1136 Nr. 27
DStRE 2000 S. 748 Nr. 14
FR 2000 S. 818 Nr. 15
INF 2000 S. 539 Nr. 17
EAAAA-89348