Online-Nachricht - Dienstag, 31.03.2015

Umsatzsteuer | Zum Vorsteuerabzug bei Angabe eines "Scheinsitzes" (FG)

Ein Vorsteuerabzug ist nach Ansicht des FG Düsseldorf zu versagen, wenn die Rechnungen nicht die - zutreffende - vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Das Finanzgericht kann der neueren EuGH-Rechtsprechung (entgegen z.B. FG Münster) nicht entnehmen, dass ein Vorsteuerabzug auch bei Angabe eines Scheinsitzes des Leistenden in Betracht kommen kann (; Revision anhängig).

Hintergrund: Nach Ansicht des FG Münster trägt das Finanzamt regelmäßig die objektive Feststellungslast für die Umstände, die eine Versagung des Vorsteuerabzugs wegen eines betrügerischen Handelns begründen. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung sei der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer dabei nicht verpflichtet, einen echten „Negativbeweis“ dahin zu führen, dass er keine Anhaltspunkte für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden und/oder die Leistung hatte. Dies gelte auch in Bezug auf einen vermeintlichen Scheinsitz des Lieferers (NWB UAAAE-54232; s. NWB-Nachricht v. 16.1.2014).
Sachverhalt: Die Klägerin handelt mit Kraftfahrzeugen. Fraglich war im Streitfall u.a., ob sie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen an eine „D-GmbH“ abziehen kann. Das Finanzamt vertrat insoweit die Auffassung, dass es sich bei der D-GmbH um eine „Scheinfirma“ handele. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts befand sich unter der Rechnungsanschrift zwar der statuarische Sitz der D-GmbH. Die D-GmbH hatte unter der angegebenen Anschrift jedoch tatsächlich keine Geschäftsräume angemietet. Vielmehr hatte die dort wohnende Person mit der D-GmbH zum einen vereinbart, dass sie Post entgegen nehme, und zu diesem Zweck ein entsprechendes Firmenschild an ihrem Briefkasten angebracht. Zum anderen hatte sie sich bereit erklärt, Buchhaltungsarbeiten für die D-GmbH zu erledigen und – in Zusammenarbeit mit einem Steuerberater – Umsatzsteuervoranmeldungen zu erstellen. Weitere geschäftliche Aktivitäten der D-GmbH fanden an dieser Anschrift nicht statt. Auch der in ihren Rechnungen angegebene Telefonanschluss befand sich nicht an dieser Anschrift. Tatsächlich hatte die D-GmbH Räumlichkeiten unter einer anderen Anschrift angemietet.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Betraut eine GmbH, die im großen Umfang mit Fahrzeugen handelt, einen selbständigen Dritten – etwa ein Buchhaltungsbüro oder einen Steuerberater – mit Buchhaltungstätigkeiten und begründet unter dessen Anschrift ihren vom tatsächlichen Betriebssitz abweichenden statuarischen Sitz, so handelt es sich um einen Scheinsitz, dessen Angabe in den Rechnungen die Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG nicht erfüllt (s. hierzu auch NWB OAAAE-69560; BFH-Az: NWB HAAAE-73319).

  • Der erkennende Senat neigt zu der Ansicht, dass die Angabe eines reinen Briefkastensitzes generell nicht dazu geeignet ist, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG zu erfüllen und stützt sich dabei auch auf das NWB ZAAAC-53756, wonach eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine „Briefkastenfirma“ oder für eine „Strohfirma“ charakteristisch ist, nicht als tatsächlicher Unternehmenssitz angesehen werden.

  • Aus der neueren Rechtsprechung des EuGH zur Feststellungslast bei Einbindung des Umsatzes in einen Umsatzsteuerbetrug auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette ergibt sich nichts anderes (entgegen NWB UAAAE-54232).

Anmerkung: Nach Ansicht des Finanzgerichts konnte im Streitfall im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob an der bisherigen BFH Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in der Rechnung einer GmbH angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so  NWB WAAAA-95686 und v. - NWB EAAAC-75964). Denn im Streitfall stehe zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich bei der Anschrift in der Rechnung um einen Scheinsitz handelt, so dass sich Fragen nach der Feststellungslast hier grds. nicht stellen würden. Gegen diese Entscheidung haben die Kläger mittlerweile Revision eingelegt (BFH-Az. BFH  - NWB CAAAE-84873). Den Text der Entscheidung des Finanzgerichts finden Sie auf deren Internetseiten. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Quelle: FG Düsseldorf online
Hinweis: Neben der o.g. Entscheidung des FG Münster haben zwischenzeitlich auch das FG Sachsen und das FG Berlin-Brandenburg Zweifel daran geäußert, ob ein Vorsteuerabzug ausschließlich mit der Begründung versagt werden kann, dass es sich bei der angegebenen Rechnungsanschrift um einen sog. „Scheinsitz” handelt, so dass die erforderliche „zutreffende” Anschrift des leistenden Unternehmers in der Rechnung fehlt ( NWB BAAAE-65837 und NWB EAAAE-67028). Im o.g. Parallelverfahren ( NWB OAAAE-69560) hat der BFH angesichts dieser ungeklärten Rechtslage die Aussetzung der Vollziehung gewährt ( NWB HAAAE-80502). In der NWB Datenbank finden Sie hierzu einen entsprechenden Mustereinspruch unter der DokID: NWB CAAAE-78192).
 

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-46922