Online-Nachricht - Donnerstag, 16.01.2014

Umsatzsteuer | Versagung des Vorsteuerabzuges wegen betrügerischen Handelns (FG)

Nach Ansicht des 5. Senats des Finanzgerichts Münster trägt das Finanzamt regelmäßig die objektive Feststellungslast für die Umstände, die eine Versagung des Vorsteuerabzugs wegen eines betrügerischen Handelns begründen. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung sei der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer dabei nicht verpflichtet, einen echten "Negativbeweis" dahin zu führen, dass er keine Anhaltspunkte für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden und/oder die Leistung hatte. Dies gelte auch in Bezug auf einen vermeintlichen Scheinsitz des Lieferers (; Beschwerde zugelassen).

Hintergrund: Nach der Rechtsprechung des EuGH haben die nationalen Behörden und Gerichte das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass das Recht zum Abzug der Vorsteuer in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wusste oder hätten wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen worden ist. Hingegen kann einem Steuerpflichtigen bzw. Unternehmer, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, nicht der Vorsteuerabzug versagt werden (s. NWB WAAAE-29224).
Sachverhalt: Im Streitfall hatte die Antragstellerin von einer GmbH, die sowohl eine Steuernummer als auch eine Umsatzsteueridentifikationsnummer besaß, aus Polen stammende PKW erworben. Die in den Rechnungen der GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer machte die Antragstellerin als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, weil es sich bei der GmbH um kein tatsächlich existierendes Unternehmen, sondern um eine „Briefkastenfirma“ handele. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des streitigen Umsatzsteuerbescheides lehnte das Finanzamt ab. Der 5. Senat des Finanzgerichts setzte nunmehr die Vollziehung des streitigen Bescheides wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung des Vorsteuerabzuges aus.
Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer muss keinen echten „Negativbeweis“ zu fehlenden Anhaltspunkten für etwaige Ungereimtheiten in Bezug auf den Leistenden bzw. die Leistung führen. Vielmehr muss das Finanzamt konkrete Anhaltspunkte darlegen, aus denen sich ergibt, dass der Unternehmer von seiner Einbeziehung in einen Umsatzsteuerbetrug gewusst hat bzw. hätte wissen können oder müssen.

  • Dies gilt auch in Bezug auf einen vermeintlichen Scheinsitz des Lieferers.

Anmerkung: Unter Würdigung der Umstände des Streitfalles gelangte der 5. Senat hier zu der Auffassung, dass sich für die Antragstellerin hinsichtlich der GmbH keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten oder eine Steuerhinterziehung ergeben hätten, aufgrund derer sie verpflichtet gewesen wäre, weitere Auskünfte einzuholen. Eine Erkundigungspflicht insbesondere hinsichtlich des Sitzes der GmbH hätte die Antragstellerin nur dann getroffen, wenn sich für sie im Vorfeld der Lieferung Zweifel hieran hätten ergeben müssen. Dies sei jedoch – nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung – nicht der Fall gewesen.
Quelle: FG Münster online
Hinweis: Das Finanzgericht hat – zur Fortbildung des Rechts – die Beschwerde zum BFH zugelassen. Die Entscheidung des 5. Senates im Volltext finden Sie auf den Internetseiten des Finanzgerichts. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
 

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-10847