BGH Beschluss v. - IX ZB 82/08

Rechtsanwaltsgebühr: Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Kostenfestsetzungsverfahren in Altfällen

Gesetze: § 15a RVG vom , Teil 3 Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 18 W 62/08 Beschlussvorgehend LG Hanau Az: 9 O 628/06 Kostenfestsetzungsbeschluss

Gründe

I.

1Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Höhe der von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten.

2Das Landgericht Hanau hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom die zu erstattenden Kosten auf 2.196,70 € festgesetzt. Dabei hat es die vom Kläger für seine Prozessbevollmächtigten nach Nr. 3100 VV RVG geltend gemachte 1,3-fache Verfahrensgebühr nur in Höhe einer 0,65-fachen Gebühr berücksichtigt. Den vollen Ansatz der Verfahrensgebühr hat es mit der Begründung abgelehnt, die nach Angabe des Klägers für die vorgerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten angefallene Geschäftsgebühr sei gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG hälftig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

3Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die uneingeschränkte Berücksichtigung der geltend gemachten Verfahrensgebühr.

II.

41. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. An die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

52. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

6a) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts entsprach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zur Einführung des § 15a RVG durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2449, 2470). Der VIII. Zivilsenat hat mit Beschluss vom (VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323, 1324 Rn. 6 ff) entschieden, dass die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Prozessgegner nur gekürzt um den nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr festgesetzt werden könne. Mehrere Zivilsenate des Bundesgerichtshofs haben sich dieser Auffassung angeschlossen (, NJW-RR 2008, 1095; v. - VI ZB 55/07, NJW-RR 2008, 1528; v. - IV ZB 24/07, JurBüro 2008, 529 f; v. - I ZB 103/07, AGS 2008, 574; v. - VII ZB 93/07, RVGreport 2008, 468). Nach Inkrafttreten des § 15a RVG, wonach sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte streitig geworden, ob diese Norm auch für die Beurteilung von so genannten Altfällen von Bedeutung ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom - 2 W 280/09, OLGR 2009, 930). Die bisher befassten Senate des Bundesgerichtshofs haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht geändert hat, sondern sie lediglich klarstellt (, NJW 2009, 3101; v. - XII ZB 175/07, AGS 2010, 54). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Die von verschiedenen Oberlandesgerichten angeführten Gegenargumente sind im Beschluss des XII. Zivilsenats vom erörtert und für nicht durchgreifend erachtet worden. Auch für Kostenfestsetzungen vor Inkrafttreten dieser Norm gilt daher, dass die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant betrifft und sich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren regelmäßig nicht auswirkt. Damit weicht der Senat von der genannten Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats und der ihm folgenden Senate ab. Die Abweichung ist jedoch die Folge einer gesetzlichen Klärung und setzt deshalb keine Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen voraus (§ 132 Abs. 2 GVG).

7b) Das Beschwerdegericht hat danach die geltend gemachte Verfahrensgebühr zu Unrecht gekürzt. Ein Ausnahmefall nach § 15a Abs. 2 RVG liegt nicht vor. Die angefochtene Entscheidung war deshalb aufzuheben. Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei der Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Bei ungekürzter Berücksichtigung der von beiden Parteien geltend gemachten Verfahrensgebühr mit dem Betrag von jeweils 985,40 € errechnet sich der von der Beklagten dem Kläger zu erstattende Betrag mit 2.360,93 €.

Ganter                                          Raebel                                       Kayser

                       Gehrlein                                          Grupp

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Fundstelle(n):
NAAAD-40641