BGH Beschluss v. - V ZB 176/09

Kostenfestsetzungsverfahren in Altfällen: Anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die prozessuale Verfahrensgebühr

Gesetze: § 15a Abs 2 RVG, § 60 Abs 1 S 1 RVG, Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV, Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 3 W 109/09 Beschlussvorgehend LG Bamberg Az: 2 O 52/09 Beschluss

Gründe

I.

1Mit Beschluss vom hat das Landgericht die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 1.244,93 € festgesetzt. Dabei hat es die von der Beklagten geltend gemachte 1,3-fache Verfahrensgebühr in voller Höhe berücksichtigt. Auf die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgerichts die Verfahrensgebühr um die Hälfte gekürzt und die zu erstattenden Kosten auf 954,87 € festgesetzt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beklagte die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts erreichen.

II.

2Das Beschwerdegericht meint, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG sei anteilig um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu kürzen. Das folge aus dem Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG und entspreche der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die am in Kraft getretene Vorschrift des § 15a RVG rechtfertige keine andere Beurteilung der Rechtslage, weil in diesem Zeitpunkt die Beklagte ihren Prozessbevollmächtigten den unbedingten Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit bereits erteilt gehabt habe und deshalb die Vergütung nach dem bisher geltenden Recht zu berechnen sei. Eine Anwendung der Regelung in § 15a Abs. 2 RVG auf Altfälle sei nicht gerechtfertigt.

III.

3Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

41. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg.

52. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zur Einführung des § 15a RVG, nach der die Verfahrensgebühr gegen den Prozessgegner nur gekürzt um den nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr festgesetzt werden kann (Beschluss vom , VIII ZR 57/07, NJW 2008, 1323; Beschluss vom , III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095; Beschluss vom , VI ZB 55/07, NJW-RR 2008, 1528; Beschluss vom , IV ZB 24/07, JurBüro 2008, 529 f.; Beschluss vom , I ZB 103/07, AGS 2008, 574; Beschluss vom , VII ZB 93/07, RVG-Rep 2008, 468). Nach dem Inkrafttreten des § 15a RVG, wonach sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, haben sich die bisher befassten Senate des Bundesgerichtshofs auf den Standpunkt gestellt, dass die Regelung in § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht geändert hat, sondern sie lediglich klarstellt (Beschluss vom , II ZB 35/07, NJW 2009, 3101; Beschluss vom , XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375; Beschluss vom , XII ZB 177/09, AGS 2010, 106; Beschluss vom , IX ZB 82/08, AGS 2010, 159; Beschluss vom , XII ZB 230/09, Rdn. 6, juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den Aufgaben des Gesetzgebers bei der Schaffung einer neuen Rechtsnorm, zur Auslegung der Vorschrift des § 15a RVG und zum Willen des Gesetzgebers sind in dem erörtert und für nicht durchgreifend erachtet worden (XII ZB 157/07, NJW 2010, 1375, 1376). Dem ist nichts hinzuzufügen. Auch für Altfälle - wie hier - gilt somit, dass die Anrechnung nach der Vorbemerkung Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten und seinem Mandanten betrifft und sich deshalb im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirkt (Senat, Beschl. v. , V ZB 38/10, juris, Rdn. 8 f.).

6Da ein Ausnahmefall nach § 15a Abs. 2 RVG nicht vorliegt, hat das Beschwerdegericht die von der Beklagten geltend gemachte Verfahrensgebühr zu Unrecht gekürzt. Die angefochtene Entscheidung ist deshalb aufzuheben und die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts zurückzuweisen.

73. Obwohl der Senat von der zitierten Rechtsprechung des I., III., IV., VI., VII. und VIII. Zivilsenats abweicht, bedarf es keiner Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen. Denn die Abweichung ist die Folge einer gesetzlichen Klärung und setzt deshalb keine Entscheidung des Großen Senats voraus (, aaO).

III.

8Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                               Klein                                           Lemke

                   Schmidt-Räntsch                                       Roth

Fundstelle(n):
QAAAI-06858