BGH Urteil v. - 1 StR 369/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 21; StGB § 55; StPO § 460; StPO § 462; StPO § 344 Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth vom

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit dem Führen einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm in zwei Fällen, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner wirksam beschränkten Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Rechtsfolgenausspruch. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Strafkammer habe insbesondere die Voraussetzungen für die Annahme minder schwerer Fälle zu Unrecht verneint, jedenfalls unzureichend erörtert. Außerdem sei die Ablehnung erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt ist der Auffassung, die Gesamtstrafe könne wegen Nichtbeachtung der Vorschrift über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) keinen Bestand haben. Der Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.

II.

Das Landgericht hat festgestellt:

Am überfielen der Angeklagte und sein rechtskräftig verurteilter Mittäter D. F. - beide mit einem geladenen Revolver bewaffnet und maskiert - die Spielhalle "P. " in R. . Sie bedrohten einen Angestellten mit ihren Waffen, verbrachten ihn ins Untergeschoß des Hauses zu den Toiletten und fesselten ihn mit Klebeband an einen Pfosten. Dann brachen sie Spielautomaten auf und erbeuteten 700,-- DM und richteten einen Sachschaden von 2.000,-- DM an.

Mit den gleichen Waffen überfielen sie - wiederum maskiert - am die Spielhalle "Re. " in B. . Sie bedrohten den Geschäftsführer vor dem Gebäude mit ihren Waffen, verklebten ihm mit Klebeband die Augen, nahmen ihm den Hausschlüssel ab, öffneten und brachen wiederum mehrere Spielautomaten auf. Die Beute betrug 4.000,-- DM, der Sachschaden 8.000,-- DM.

III.

1. Soweit sich die Revision gegen die beiden Einzelstrafen in Höhe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie von fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe richtet, ist sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift vom dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere lag die - mit ausreichender Begründung abgelehnte - Annahme eines minder schweren Falls hier nicht nahe.

2. Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat Bestand. Der Erörterung bedarf nur folgendes:

Die Strafkammer hat ersichtlich keine ausreichenden Feststellungen zu den Grundlagen der Verurteilung des Angeklagten durch das treffen können und in der Folge auch nicht dazu, ob gemäß § 55 StGB mit den dort verhängten Einzelstrafen die nachträgliche Gesamtstrafenbildung letztlich überhaupt in Betracht kommt, wenn dies auch nahe liegt. Das Landgericht durfte die nachträgliche Gesamtstrafenbildung deshalb dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Im vorliegenden Fall ist dies frei von Rechtsfehlern.

Hierzu im einzelnen:

Nach den Urteilsfeststellungen wurde der Angeklagte mit wegen Diebstahls in zwei Fällen - sofort rechtskräftig - zu neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde auf zwei Jahre festgesetzt. Die Tatzeiten, der zugrundeliegende Sachverhalt und die Höhe der Einzelstrafen werden nicht mitgeteilt. Nach dem zeitlichen Zusammenhang ist es jedoch wahrscheinlich, daß auch mit den Einzelstrafen aus dem zusammen mit den im angefochtenen Urteil am (Tatzeiten 9. und ) verhängten Einzelstrafen - eine, insoweit nachträgliche, Gesamtstrafe zu bilden ist. Dem weiteren (die Taten, die der Verurteilung vom zu Grunde lagen, dürften davor begangen worden sein) zu 20 Tagessätzen Gesamtgeldstrafe wegen Leistungserschleichung (Schwarzfahrens) in drei Fällen kommt jedenfalls keine Zäsurwirkung - mehr - zu. Diese Verurteilung ist durch die Verbüßung von zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe und Bezahlung der Restgeldstrafe durch Vollstreckung erledigt (UA S. 6).

Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (seit BGHSt - GS - 12, 1; vgl. Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., § 55 Rdn. 47; Stree in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 55 Rdn. 72, 73; Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 55 Rdn. 34, 35; jeweils m.w.N.; kritisch hierzu: Fitzner, Gesamtstrafenbildung trotz §§ 460, 462 nur noch nach mündlicher Verhandlung?, NJW 1966, 1206) grundsätzlich Sache des Tatrichters. Er darf dies in der Regel nicht dem Beschlußverfahren nach §§ 460, 462 StPO überlassen. Es gibt jedoch Ausnahmen. Der Tatrichter darf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung insbesondere dann dem Beschlußverfahren überlassen, wenn er auf Grund der bislang gewonnenen Erkenntnisse keine sichere Entscheidung fällen kann, etwa weil die Unterlagen für eine möglicherweise gebotene Gesamtstrafenbildung nicht vollständig vorliegen - ohne daß dies auf unzureichender Terminsvorbereitung beruht - und die Hauptverhandlung allein wegen deshalb noch notwendiger Erhebungen mit weiterem erheblichem Zeitaufwand belastet werden würde (BGHSt - GS - 12, 1 [10]; BGHSt 23, 98 [99], mit Anmerkung Küper, MDR 1970, 885; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 2; BGH NJW 1997, 2892 [2893]; Rissing-van Saan in Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. § 55 Rdn. 48; Stree in Schönke/Schröder StGB, 26. Aufl., § 55 Rdn. 72; Tröndle/Fischer StGB, 51. Aufl., § 55 Rdn. 34).

Enthalten die Urteilsgründe keine erschöpfenden Ausführungen zu den Vorverurteilungen, deren Einbeziehung in die Gesamtstrafe im Grundsatz gemäß § 55 StGB zu prüfen gewesen wäre, ohne ausdrücklich mitzuteilen, weshalb die entsprechenden Feststellungen nicht getroffen werden konnten, so liegt darin kein Erörterungsmangel. Wie sogar das Vorliegen der Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung durch Schweigen verneint werden kann ( - m.w.N.), so ist bei fehlenden oder nicht vollständigen Darlegungen zu den Voraussetzungen einer in Betracht kommenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung grundsätzlich davon auszugehen, daß dem erkennenden Gericht die notwendigen Unterlagen zu den Vorverurteilungen und zu deren Vollstreckung nicht zugänglich waren, und daß das Gericht deshalb die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zu Recht dem Beschlußverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO überlassen hat (vgl. -). Soll anderes geltend gemacht werden, so wird dies einer gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu begründenden Verfahrensrüge bedürfen (so schon OLG Hamm NJW 1970, 1200, mit Anmerkung Küper, NJW 1970, 1559).

Fundstelle(n):
XAAAC-11838

1Nachschlagewerk: nein