BGH Beschluss v. - 4 StR 22/20

(Fakultative Strafmilderung nach dem BtMG bei einer Aufklärungshilfe)

Gesetze: § 31 S 1 Nr 1 BtMG, § 55 Abs 1 StGB, § 354 Abs 1 StPO, § 358 Abs 2 S 1 StPO

Instanzenzug: LG Detmold Az: 21 KLs 28/18

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte G.     wegen Beihilfe zum Herstellen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts Kleve vom zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom zutreffend näher ausgeführt hat, belegen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils, dass sich die Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht hat. Der Senat hat den Tenor gemäß § 354 Abs. 1 StPO entsprechend abgeändert; daran ist er durch das Verschlechterungsverbot in § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht gehindert (vgl. Gericke in KK-StPO, 8. Aufl., § 358 Rn. 18 mwN).

32. Der gegen die Angeklagte ergangene Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Bestimmung des Strafrahmens den Strafmilderungsgrund der Aufklärungshilfe gemäß § 31 Satz 1 BtMG nicht erörtert. Es hat lediglich bei der Bemessung der nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, „dass sie in dem hier eingezogenen Verfahren Aufklärungshilfe ... geleistet hat.“ Dies ist rechtsfehlerhaft, weil es sich nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil aufdrängt, dass die Angeklagte die Voraussetzungen der Aufklärungshilfe gerade auch in Bezug auf die hier abgeurteilte Tat erfüllt hat:

4a) Nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG setzt die fakultative Strafmilderung voraus, dass der Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a BtMG, die mit seiner Tat in Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte. Wird dem Angeklagten eine Mehrzahl von Taten vorgeworfen, so müssen die Voraussetzungen der Aufklärungshilfe für jede dieser Taten gesondert geprüft werden (vgl. ‒ 3 StR 429/13, StV 2014, 619). Nicht erforderlich ist, dass die Aufklärungshilfe in dem der jeweiligen Verurteilung zugrunde liegenden Verfahren geleistet wird (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., § 31 Rn. 41 mwN). Dementsprechend wird hier sowohl bei der Bemessung der nachträglichen Gesamtstrafe als auch in dem von der Strafkammer in vollem Umfang wiedergegebenen einbezogenen Urteil des Landgerichts Kleve vom ausgeführt, die Angeklagte habe in ihrer ersten zollamtlichen Vernehmung am (in dem damaligen Verfahren) die Lagerung von Drogen in der Wohnung des gesondert verfolgten F.      offenbart (UA 9 f., 42 f.). Als Lieferanten habe sie zu einem späteren Zeitpunkt den früheren Mitangeklagten E.    im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage identifiziert (UA 11, 26). Die in der Wohnung F.      gelagerten Drogen (Amphetamin) sind aber Gegenstand der Aburteilung in dem hier vorliegenden Verfahren (vgl. , StV 2013, 706). Auf UA 27 wird hierzu noch mitgeteilt, dass den Strafverfolgungsbehörden die Lagerung von Drogen in dessen Wohnung zuvor nicht bekannt war. Der Umstand, dass die Angeklagte im Rahmen der Wahllichtbildvorlage - nachdem sie zuvor geständig war - bestritten hat, von den Drogen gewusst zu haben, ändert an dem bereits eingetretenen Aufklärungserfolg ebenso wenig etwas (vgl. ; vom - 3 StR 429/13, StV 2014, 619; Beschluss vom ‒ 3 StR 21/15) wie ihr prozessuales Verhalten in der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Hauptverhandlung, in der sie ihre Tatbeteiligung zunächst bestritten hat (vgl. ; Weber, aaO § 31 Rn. 60, 62 mwN).

5b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Beachtung der oben genannten Grundsätze zur Anwendung eines milderen Strafrahmens gelangt wäre und ‒ resultierend daraus ‒ eine niedrigere Einzelstrafe für die von ihr abgeurteilte Tat verhängt hätte. Die Anwendung des § 31 BtMG erfordert eine ‒ dem Tatrichter vorbehaltene ‒ Ermessensentscheidung (vgl. , BGHSt 63, 210; Beschluss vom ‒ 3 StR 21/15).

63. Dies bedingt die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.

7Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zu berücksichtigen haben, dass die Angeklagte nach den Feststellungen zur Person zum Zeitpunkt der hier abgeurteilten Tat entgegen UA 41 noch nicht vorbestraft war. In die neu zu bildende nachträgliche Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB wird auch die Verurteilung der Angeklagten vom zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen dann einzubeziehen sein, wenn die „inzwischen“ (UA 4) vollständig beglichene Geldstrafe am noch nicht vollständig erledigt gewesen sein sollte (vgl. ‒ 4 StR 403/19; Beschluss vom ‒ 4 StR 421/19 Rn. 11).

84. Der Senat hat die Abänderung des Schuldspruchs gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den als Haupttäter abgeurteilten früheren Mitangeklagten E.    erstreckt; es ist ausgeschlossen, dass der gegen ihn ergangene Strafausspruch von dem unter Ziffer 1. aufgezeigten Rechtsfehler zu seinem Nachteil betroffen sein könnte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:110220B4STR22.20.0

Fundstelle(n):
TAAAH-49298