BGH Beschluss v. - 5 StR 553/18

Bildung der Gesamtstrafe: Für Prüfung maßgeblicher Zeitpunkt nach Urteilsaufhebung und Zurückverweisung

Gesetze: § 55 Abs 1 S 1 StGB

Instanzenzug: LG Dresden Az: 181 Js 21161/13 (2) 7 Ksvorgehend Az: 5 StR 465/15 Urteilvorgehend LG Dresden Az: 2 Ks 181 Js 21161/13

Gründe

1Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat dieses Urteil insgesamt mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen (, NStZ 2016, 405).

2Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Riesa vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Weiter hat es ausgesprochen, dass davon drei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

3Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

41. Die Gesamtfreiheitsstrafe hat keinen Bestand, weil die als Schwurgericht tätige Jugendkammer zu Unrecht mit der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Riesa vom nachträglich eine Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gebildet hat.

5a) Das Landgericht hat verkannt, dass nach Aufhebung eines Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht für die Prüfung einer Gesamtstrafenbildung der Vollstreckungsstand der gegen den Angeklagten ergangenen früheren Urteile zum Zeitpunkt der (ersten) ursprünglich angefochtenen Entscheidung (hier: das ) maßgeblich ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 493/08, NStZ-RR 2009, 44; vom – 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106; vom – 2 StR 558/13, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 2 Sachentscheidung 1; vom – 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169 mwN). Dieser Grundsatz ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafenbildung erfolgt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 291/01, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 2; vom – 2 StR 170/04, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 9). Er gilt etwa auch, wenn das erste Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt aufgehoben worden ist (vgl. , StraFo 2013, 474, 475). Durch die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der ersten Hauptverhandlung für die Beurteilung einer Gesamtstrafenfähigkeit von Strafen aus früherer Verurteilung soll ein Angeklagter möglichst so gestellt werden, wie er bei von vornherein rechtsfehlerfreier Beurteilung der Strafsache gestanden hätte. Er soll dabei – wie auch sonst – bei der Entscheidung über eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB weder ungerechtfertigt benachteiligt noch bevorzugt werden (vgl. , BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 4).

6b) Danach schied hier eine Gesamtstrafenbildung mit einer Strafe aus, die erst am und damit nach dem Zeitpunkt des ersten verhängt wurde. Auch bezogen auf diesen Zeitpunkt gab es keine einbeziehungsfähigen Strafen, weil die Geldstrafen aus den früheren Strafbefehlen des Amtsgerichts Riesa vom 5. Juni und , bei denen die Prüfung einer Gesamtstrafenfähigkeit im Hinblick auf die hier zu ahndende verfahrensgegenständliche Tat vom überhaupt nur hätte in Betracht kommen können, bereits durch Vollstreckung erledigt waren.

72. Von seinem unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt aus folgerichtig hat das Landgericht auch einen Härteausgleich in Bezug auf die Strafe aus dem früheren Strafbefehl des Amtsgerichts Riesa vom abgelehnt. Das neue Tatgericht wird die entsprechende Prüfung nachzuholen haben.

83. Die Kompensationsentscheidung ist rechtsfehlerfrei. Da sie eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung darstellt, bleibt sie von der Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs unberührt (vgl. , BGHSt 54, 135, 138).

94. Da sich das Verfahren nur noch gegen den erwachsenen Angeklagten richtet, verweist der Senat die Sache an eine Schwurgerichtskammer zurück.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:230119B5STR553.18.0

Fundstelle(n):
AAAAH-16394