BGH Beschluss v. - XI ZB 17/18

Anwaltliche Vertretung in Berufungsinstanz erforderlich

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, Art 6 MRK, § 78 Abs 1 S 1 ZPO

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 8 U 30/18vorgehend LG Osnabrück Az: 12 O 2170/17

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt die Beklagte, die im gesamten Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war und ist, auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch.

2Das Landgericht hat mit Verfügung vom , die der Beklagten am mit der Anspruchsbegründung zugestellt worden ist, das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Beklagte darauf hingewiesen, dass vor dem Landgericht eine Vertretung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt erforderlich ist. Nachdem die Beklagte nur persönlich reagiert hat, hat das Landgericht die Beklagte durch Versäumnisurteil vom antragsgemäß zur Zahlung von 18.466,30 € nebst Verzugszinsen verurteilt. In der Folge hat die Beklagte selbst Widerspruch und Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. Mit Urteil vom hat das Landgericht den Einspruch als unzulässig verworfen, da er nicht durch einen Rechtsanwalt und damit nicht formgerecht (§ 340 Abs. 1, § 78 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden ist.

3Im Anschluss an die Zustellung dieses Urteils hat die Beklagte persönlich eine "Sofortige Beschwerde" an das Landgericht gerichtet, da die Rechtslage falsch beurteilt worden sei. Das Landgericht hat der Beklagten unter dem mitgeteilt, diese Beschwerde als Berufung zu werten, wenn sie nicht binnen Wochenfrist zurückgenommen werde. Da dies nicht der Fall war, hat das Landgericht die Akte unter dem dem Oberlandesgericht übersandt.

4Das Oberlandesgericht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass für die zulässige Einlegung einer Berufung der Anwaltszwang gelte und die Berufungsfrist mittlerweile abgelaufen sei, und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nach Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts hat die Beklagte mit Schreiben vom die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt. Daraufhin hat das die als Berufung gegen das auszulegende sofortige Beschwerde der Beklagten gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, da innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO keine anwaltliche Berufungsschrift eingegangen sei. Dieser mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss ist der Beklagten am zugestellt worden.

5In der Folge hat die Beklagte mit an das Oberlandesgericht gerichtetem Schreiben vom "das Überprüfungsverfahren nach Art. 13 MRK beantragt", da die Urschriften nicht in den Akten zu finden seien und damit die Akten nicht vollständig vorlägen. Das Oberlandesgericht hat der Beklagten mitgeteilt, dass "eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Rügen betreffend die Verletzung der EMRK nicht gegeben ist" und daher vom Senat nichts veranlasst werde. Darauf hat die Beklagte mit als "Beschwerde" bezeichnetem Schreiben vom reagiert, in dem sie sich erneut auf Art. 13 EMRK berufen hat. Unter dem hat das Oberlandesgericht der Beklagten mitgeteilt, ihre Eingabe vom nicht als Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss vom , durch die weitere Kosten entstünden, anzusehen, sofern sich die Beklagte nicht gegenteilig äußere. Auf diese Mitteilung hat die Beklagte mit Schreiben vom reagiert, in dem sie sich "auf das Recht der Europäischen Union" berufen und erneut geltend gemacht hat, dass verschiedene Dokumente in der Akte nicht ordnungsgemäß unterschrieben seien. Daraufhin hat das Oberlandesgericht die Akten dem Bundesgerichtshof übersandt.

II.

61. Die Schreiben der Beklagten vom 17. März, vom 31. März und vom sind als Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts vom auszulegen. Denn gegen diesen Beschluss ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO die Rechtsbeschwerde statthaft und der Bundesgerichtshof ist zuständig für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde (§ 133 GVG).

72. Die statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

8a) Die Rechtsbeschwerde ist nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO) und kann auch nicht mehr zulässig durch einen Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof eingelegt werden. Die einmonatige Frist zur Einlegung (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist am abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Einlegungsfrist (§ 233 ZPO) kommt nicht in Betracht.

9b) Im Übrigen sind auch die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG, NJW 2003, 281).

10Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen, da sie nicht gemäß §§ 519, 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist, obwohl die Beklagte in den Vorinstanzen wiederholt auf die Notwendigkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt hingewiesen worden ist. Der Anwaltszwang gemäß § 78 Abs. 1 ZPO verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und seine Anwendung durch das Berufungsgericht verletzt nicht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 37, 67, 76 f.; BVerfG, NJW 1993, 3192; BeckOK-ZPO/Piekenbrock, 28. Edition, Stand , § 78 Rn. 5; Weth in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 78 Rn. 2 mwN). Ferner stellt das Erfordernis der Vertretung durch einen Anwalt keinen Verstoß gegen die Anforderungen von Art. 6 EMRK dar (vgl. EGMR, Urteil vom - 59519/00, NJW 2008, 2317 Rn. 130).

11Die Beklagte kann auch nicht geltend machen, dass ihr die Akteneinsicht verweigert worden sei. Nach den Vermerken der Justizsekretärin K.   vom und vom hat die Beklagte auf der Geschäftsstelle Akteneinsicht genommen und gegen Kostenerstattung Kopien erhalten. Schließlich liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gerichtsakte bei der Einsicht nicht vollständig gewesen wäre. Die Beklagte beruft sich erfolglos darauf, dass die Urschriften der Entscheidungen des Landgerichts fehlen. Denn das Original eines Urteils muss nicht bei den Gerichtsakten verbleiben, sondern kann in eine bei Gericht geführte Urteilssammlung aufgenommen werden (vgl. , GRUR 2012, 945 Rn. 14 und vom - I ZR 253/14, GRUR 2017, 397 Rn. 24; § 541 Abs. 2 ZPO). Hier ist so verfahren worden, wie sich aus den Verfügungen vom und vom ergibt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:110718BXIZB17.18.0

Fundstelle(n):
LAAAG-99159