BFH Urteil v. - II R 33/22

Bekanntgabe eines Grunderwerbsteuerbescheids bei Formwechsel

Leitsatz

Wird eine KG formwechselnd in eine GmbH umgewandelt, ist ein nach dem Formwechsel noch an die KG adressierter Grunderwerbsteuerbescheid wirksam. Bei einem Formwechsel ändert sich nur die Rechtsform, während die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft unverändert bleibt. Bei einer falschen Adressierung handelt es sich allenfalls um die unrichtige Bezeichnung ein und derselben Rechtsperson.

Gesetze: AO § 119 Abs. 1; AO § 124 Abs. 1 und 3; AO § 125 Abs. 1; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1; AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; GrEStG § 1 Abs. 2a; GrEStG § 6 Abs. 1 und 3; UmwG § 190 Abs. 1; UmwG § 191 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2; UmwG § 200 Abs. 1 Satz 1; UmwG § 202 Abs. 1 Nr. 1; UmwG § 214;

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine ausländische Kapitalgesellschaft, ist durch mehrere Umwandlungen entstanden. Sie geht ursprünglich auf die KG1 zurück.

2 Die KG1 war Eigentümerin eines Grundstücks in X. Kommanditisten der KG1 waren A mit einer Beteiligung in Höhe von 58,9 %, B mit einer Beteiligung von 36,1 % und die KG2 mit einer Beteiligung von 5 %.

3 Mit Vertrag vom haben A und B ihre Anteile an der KG1 in die KG3 eingebracht, an der sie als (alleinige) Kommanditisten beteiligt waren, sodass die KG3 nun zu 95 % an der KG1 beteiligt war. A hielt an der KG3 einen Anteil in Höhe von 62 % und B einen Anteil in Höhe von 38 %.

4 Am hat die KG3 die noch verbliebenen 5 % der Kommanditanteile der KG1 erworben. Am ist der Formwechsel der KG1 in die B-GmbH (Klägerin beim Finanzgericht —FG—) erfolgt. Nach einer Umfirmierung der B-GmbH in die C-GmbH im Januar 2021 hat sich am der grenzüberschreitende Formwechsel der C-GmbH in die Klägerin angeschlossen.

5 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA—) hat aufgrund einer Kontrollmitteilung im Jahr 2014 Kenntnis von der am erfolgten Einbringung der Anteile der KG1 in die KG3 erhalten. Auf Anforderung hat die Klägerin (unter ihrer damaligen Firma B-GmbH) dem FA am unter anderem den Einbringungsvertrag übersandt. Außerdem hat sie mitgeteilt, dass die vormalige KG1 nunmehr die B-GmbH sei.

6 Am hat das FA einen Grunderwerbsteuerbescheid erlassen und ausgeführt, dass die Einbringung der Anteile von A und B an der KG1 in die KG3 zwar gemäß § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitzeitraum anwendbaren Fassung (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliege, die Steuer aber nach § 6 Abs. 3 GrEStG wegen des Übergangs der Anteile von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand nicht erhoben werde. Der Bescheid war an die KG1 adressiert. Er ist bestandskräftig geworden.

7 Am hat das FA einen weiteren Grunderwerbsteuerbescheid erlassen, der an die Klägerin (unter ihrer damaligen Firma B-GmbH) als Rechtsnachfolgerin der KG1 adressiert war. Für den zum Wirkung entfaltenden Einbringungsvorgang vom hat es nunmehr, ausgehend von einem Schätzwert des Grundstücks in Höhe von . €, Grunderwerbsteuer in Höhe von . € festgesetzt. Die Steuerbegünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG ist aufgrund des Formwechsels der KG1 in die B-GmbH im Jahr 2012 nicht mehr gewährt worden.

8 Während des gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom geführten Einspruchsverfahrens hat das FA nach Erlass eines entsprechenden Wertfeststellungsbescheids mit Änderungsbescheid vom die Grunderwerbsteuer auf . € herabgesetzt.

9 Die nachfolgend erhobene Untätigkeitsklage blieb ohne Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, dass dem Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids vom der bestandskräftige Grunderwerbsteuerbescheid vom nicht entgegengestanden habe, da dieser aufgrund falscher Adressatenbezeichnung nichtig gewesen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 1774 veröffentlicht.

10 Mit der Revision rügt die Klägerin eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 125 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO). Der Grunderwerbsteuerbescheid vom sei nicht nichtig. Er sei an den richtigen Adressaten wirksam bekanntgegeben worden. Bei einer formwechselnden Umwandlung bleibe die Identität des Rechtsträgers erhalten. Deshalb richteten sich Verwaltungsakte, die trotz erfolgter formwechselnder Umwandlung unter Nennung der ehemaligen Rechtsform adressiert würden, dennoch an die zutreffende Rechtsperson. Es handele sich folglich um eine bloße falsche Bezeichnung der zutreffenden Rechtsperson, welche nicht zur Nichtigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids führe.

11 Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom und den Änderungsbescheid vom aufzuheben.

12 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13 Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

II.

14 Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils sowie zur Stattgabe der Klage. Der Senat entscheidet in der Sache selbst und hebt den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid vom und den Änderungsbescheid vom auf (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Entgegen der Auffassung des FG stand dem Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids vom und dem Änderungsbescheid vom die Steuerfestsetzung durch den Grunderwerbsteuerbescheid vom entgegen. Letztgenannter Bescheid wurde an die KG1 als richtige Inhaltsadressatin wirksam bekanntgegeben und erwuchs mangels Anfechtung in formelle und materielle Bestandskraft. Die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift (§§ 172 ff. AO) sind nicht erfüllt.

15 1. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom wurde der KG1 als richtige Inhaltsadressatin wirksam bekanntgegeben.

16 a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) muss ein Verwaltungsakt bestimmt, unzweideutig und vollständig den Willen der Behörde zum Ausdruck bringen und damit auch klar erkennen lassen, an wen er sich richtet (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230, unter C.I.1., m.w.N.). Die Angabe des Inhaltsadressaten ist nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO konstituierender Bestandteil eines jeden Verwaltungsakts. In diesem muss gemäß § 119 Abs. 1 AO hinreichend bestimmt sein, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (, BFHE 271, 41, BStBl II 2021, 415, Rz 27).

17 b) Ein nach einem Formwechsel im Sinne der §§ 190 ff., 214 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG) noch an den formwechselnden Rechtsträger und nicht bereits an den Rechtsträger neuer Rechtsform adressierter Bescheid ist wirksam (ebenso , EFG 2009, 894; , EFG 2005, 1211; vom  - 11 K 6822/02 und vom  - 9 K 1308/10 K, EFG 2012, 990 [jeweils im Nachgang vom BFH aus anderen Gründen aufgehoben bzw. eingestellt]; Beschluss des Oberverwaltungsgerichts —OVG— Berlin-Brandenburg vom  - OVG 9 N 45.09; OVG-Urteil Nordrhein-Westfalen vom  - 15 A 1031/01, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 2003, 124; BeckOK AO/Füssenich, 27. Ed. [], AO § 125 Rz 32.3; Güroff in Gosch, AO § 122 Rz 9; Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 122 AO Rz 222; Pahlke in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 122 AO Rz 144; Seer in Tipke/Kruse, § 122 AO Rz 25; a.A. , EFG 2022, 148; Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom  - AN 1 K 17.02722 [zu einem identitätswahrenden Formwechsel außerhalb des Umwandlungsgesetzes]). Die Falschbezeichnung ist insoweit unschädlich.

18 aa) Nach § 190 Abs. 1 UmwG kann ein Rechtsträger durch Formwechsel eine andere Rechtsform erhalten. Formwechselnder Rechtsträger kann gemäß § 191 Abs. 1 Nr. 1 UmwG eine Personenhandelsgesellschaft sein. Rechtsträger neuer Rechtsform kann gemäß § 191 Abs. 2 Nr. 2 UmwG eine Kapitalgesellschaft sein. Der Formwechsel führt zwar zu einer Änderung der Rechtsform. Die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft bleibt jedoch unverändert; die Gesellschaft tauscht nur ihr „Rechtskleid“ aus (vgl. z.B. Hoger in Lutter, Umwandlungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 190 Rz 1, m.w.N.). Danach besteht der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Formwechselbeschluss bestimmten Rechtsform weiter (vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Der Rechtsträger neuer Rechtsform darf grundsätzlich seine bisher geführte Firma beibehalten (§ 200 Abs. 1 Satz 1 UmwG).

19 bb) Nach einer formwechselnden Umwandlung steht der Rechtswirksamkeit eines Bescheids daher nicht entgegen, wenn dieser noch an die Gesellschaft unter dem Namen der alten Rechtsform gerichtet ist. Denn es handelt sich allenfalls um die unrichtige Bezeichnung ein und derselben Rechtsperson (vgl. dazu grundlegend Beschluss des Großen Senats des , BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230, C.II.2.). Dies hat der Senat bereits mit Urteil vom  - II R 199/72 (BFHE 113, 90, BStBl II 1974, 724) für einen Grunderwerbsteuerbescheid entschieden, der noch auf eine OHG lautete, nachdem die OHG sich formwechselnd in eine KG umgewandelt hatte. Der Senat hat bereits in dieser Entscheidung darauf abgestellt, dass die Identität der Gesellschaft durch den Formwechsel unberührt blieb. Diese Grundsätze können auf den Formwechsel einer KG in eine GmbH nach Einführung des Umwandlungsgesetzes übertragen werden, da auch in diesem Fall sich die Rechtsperson der Gesellschaft nicht ändert.

20 2. Nach diesen Grundsätzen ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom mangels wirksamer Bekanntgabe nichtig war und dem Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids vom und dem Änderungsbescheid vom nicht entgegenstand. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom und der Änderungsbescheid vom werden aufgehoben.

21 a) Der Grunderwerbsteuerbescheid vom wurde der KG1 als richtige Inhaltsadressatin nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO wirksam bekanntgegeben. Die KG1 wurde formwechselnd in die Klägerin (unter ihrer damaligen Firmierung als B-GmbH) umgewandelt. Ein Rechtsträgerwechsel erfolgte nicht. Die Falschbezeichnung der KG1 im Bescheid vom stellt deshalb die bloße unrichtige Bezeichnung der Klägerin als identische Rechtsperson dar.

22 b) Mit der wirksamen Bekanntgabe an die KG1 als richtige Inhaltsadressatin erwuchs der Grunderwerbsteuerbescheid vom in materieller Bestandskraft. Danach war das FA an die in diesem Bescheid getroffene Regelung inhaltlich gebunden und konnte —vorbehaltlich etwaiger Änderungsvorschriften nach §§ 172 ff. AO— nicht mehr in einem neuen Bescheid eine damit unvereinbare Regelung treffen.

23 aa) Der Sinn und Zweck der materiellen Bestandskraft liegt darin, dass der durch den Steuerbescheid getroffenen Regelung eine Dauerhaftigkeit verliehen werden soll, mit der Folge, dass von ihr grundsätzlich nicht mehr abgewichen werden kann (vgl. von Wedelstädt in Gosch, AO § 172 Rz 7, m.w.N.). Hiermit unvereinbar wäre es, wenn eine einmal getroffene materiell bestandskräftige Entscheidung jederzeit ohne weiteres wieder geändert werden könnte. Der Umfang der materiellen Bestandskraft erstreckt sich dabei auf die nach außen getroffene Regelung, das heißt den Ausspruch beziehungsweise Entscheidungssatz des Bescheids (vgl. zum Ganzen z.B. Wernsmann in HHSp, § 130 AO Rz 15 ff.).

24 bb) Danach war es dem FA vorliegend nicht mehr möglich, durch den Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids vom und des Änderungsbescheids vom von einer Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG abzusehen. Denn im Verfügungssatz des Grunderwerbsteuerbescheids vom hatte es zuvor ausdrücklich entschieden, dass die Steuer gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erhoben wird. Die Entscheidung über die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG ist deshalb in materieller Bestandskraft erwachsen.

25 c) Eine hiervon abweichende Regelung in einem späteren Bescheid konnte nicht mehr getroffen werden.

26 aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Grunderwerbsteuerbescheid vom um einen Erstbescheid oder einen Änderungsbescheid handelt. Zwar war —wie durch das FG zutreffend ausgeführt— bei Erlass des Bescheids noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, mit der Folge, dass der Erlass oder die Änderung eines Steuerbescheids nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO noch zulässig war. Die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO begann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres 2014. Die Einbringung war nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG anzeigepflichtig. Die Klägerin legte den Einbringungsvorgang gegenüber dem FA mit Schreiben vom offen, sodass die Festsetzungsverjährung am zu laufen begann. Sie endete nach vier Jahren mit Ablauf des Kalenderjahres 2018.

27 bb) Die Voraussetzungen der Änderungsvorschriften gemäß §§ 172 ff. AO liegen aber nicht vor.

28 (1) Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist nicht möglich. Nachträglich bekanntgewordene Tatsachen liegen nicht vor. Die Tatsachen bezüglich des Formwechsels der KG1 in die B-GmbH wurden dem FA bereits am und somit vor Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids am mitgeteilt.

29 (2) Eine Änderung kann auch nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt werden. Zwar können die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer gemäß § 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 GrEStG rückwirkend im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 AO entfallen, soweit sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert (vgl. zu § 5 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 GrEStG , BFH/NV 2024, 287, Rz 41). § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO greift aber nicht, wenn das rückwirkende Ereignis bereits bei Erlass des betreffenden Bescheids berücksichtigt werden musste (, BFH/NV 2009, 1393, unter II.1.). Dies ist vorliegend der Fall. Das rückwirkende Ereignis, der Formwechsel der KG1 in die B-GmbH, vollzog sich bereits am und somit vor Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids vom , sodass § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht greift.

30 d) Da der Grunderwerbsteuerbescheid vom formell bestandskräftig wurde, braucht nicht entschieden zu werden, ob er materiell rechtmäßig war.

31 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Das Urteil ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:U.190324.IIR33.22.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-66677