IWB Nr. 11 vom Seite 409

Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen

Dr. Carola Fischer und Dr. Raoul Riedlinger *

[i]Ausführlicher Beitrag s. Seite 416Die EU-Kommission legte am einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustausches im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltungen vor. Der Vorschlag wurde zügig beraten und politisch bereits am verabschiedet und vom ECOFIN am ohne Aussprache beschlossen. Die Richtlinie muss bis zum in nationales Recht umgesetzt und ab dem angewendet werden.

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I. Anzeigepflicht für Intermediäre und relevante Steuerpflichtige

[i]Ziel ist eine verbesserte Transparenz für den FiskusDamit die Finanzverwaltungen frühzeitig Einblick in grenzüberschreitende Gestaltungen erhalten, mittels derer dem Fiskus mögliche Steuereinnahmen entgehen, sollen Intermediäre solche vorab melden. Einzureichen sind u. a. eine abstrakte Beschreibung der Gestaltung sowie sensible Daten wie Name, Geburtsdatum und -ort, Steueransässigkeit und Steueridentifikationsnummer der die Gestaltung anwendenden Steuerpflichtigen. Gibt es keinen Intermediär, etwa bei Inhouse-Entwicklungen, geht die Meldepflicht auf den Steuerpflichtigen über.

[i]Schwierig ist die Abgrenzung der meldepflichtigen GestaltungenDie Richtlinie nennt Bedingungen für das Vorliegen einer meldepflichtigen Gestaltung. Zusätzlich sind die in Anhang IV der Richtlinie aufgeführten Kennzeichen („hallmarks“) heranzuziehen. Einige der Kennzeichen können nur berücksichtigt werden, wenn sie den sog. Main benefit-Test erfüllen, d. h. wenn der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Gestaltung nachweislich die Erlangung eines Steuervorteils ist.

II. Kritik

[i]Die Kompetenz der EU für eine solche Richtlinie ist fraglichDie Richtlinie stützt sich auf die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 115 AEUV für direkte Steuern. Es ist nicht klar, ob sich hieraus auch ein Recht zum Erlass verfahrensrechtlicher Regelungen ableiten lässt. Für direkte Steuern fehlt es auch an einem Harmonisierungsauftrag für die EU-Kommission. Sie begründet ihr Vorgehen damit, dass aggressive Steuerplanungsmodelle unmittelbare Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts hätten und dass grenzüberschreitende Gestaltungen von einem einzelnen Mitgliedstaat kaum wirksam verhindert werden können.

[i]Zu prüfen bleibt die Vereinbarkeit der Meldepflicht mit den Grundsätzen des Datenschutzes und dem Recht auf informationelle SelbstbestimmungIm Moment ist schwer vorstellbar, dass in allen Fällen eine eindeutige Entscheidung möglich ist, ob eine Meldepflicht besteht oder nicht. Ein „over-reporting“ würde nicht nur für Intermediäre und Steuerpflichtige zu unnötigen Belastungen führen. Auch die Steuerverwaltungen würden mit einer Flut von Meldungen konfrontiert, die sie nur schwer bewältigen könnten. Datenfriedhöfe, die nicht adäquat ausgewertet werden können, widersprechen dem Prinzip der Datensparsamkeit.

Der nationale Gesetzgeber sollte sich mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auseinandersetzen. Insbesondere das Verfolgen widerstreitender Ziele, wie Informationsgewinnung einerseits und Abschreckung andererseits, ist wohl nicht mit diesem Recht vereinbar.

Fundstelle(n):
IWB 11 / 2018 Seite 409
NWB MAAAG-85104