NWB Sanieren Nr. 4 vom Seite 92

Real Estate: Refinanzierungsfähigkeit in Sanierungskonzepten

„Fortführung“ oder „solvente Liquidation“

Matthias Müller und Ante Jelavic *

Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen im Real Estate Umfeld ist es besonders herausfordernd, Immobilienprojekte unter Berücksichtigung aller Kapitalgeber zu stabilisieren, ohne dabei Wertverluste hinnehmen zu müssen. Eine präzise Beurteilung der Möglichkeit zur Fortführung ist für den Erfolg von Sanierungsinitiativen entscheidend und verlangt ein tiefgehendes Verständnis sowohl der Bewertungsprozesse von Immobilien als auch der Cashflow-Dynamiken. Die Sanierungswege der „Fortführung“ oder einer „solventen Liquidation“ stehen hierbei im Fokus. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der korrekten Implementierung von Sanierungskonzepten, die sich grundsätzlich in zwei Typen unterteilen: die übertragende Sanierung mit einer Zwischenphase und die Fortsetzung der Finanzierung des Immobilienprojekts. Durch die Bewertung dieser Methoden wird ein detailliertes Verständnis der komplexen Entscheidungsfindung und der notwendigen Analyseverfahren vermittelt, die zur Beurteilung und Sicherstellung der Wiederfinanzierungsfähigkeit unerlässlich sind. Unabhängig von der ausgewählten Sanierungsmethode ist die Begutachtung des Immobilienwerts sowie die gründliche Analyse und Bewertung der Handlungsalternativen auf Immobilienebene von größter Bedeutung.

Kernaussagen
  • Die Refinanzierungsfähigkeit gemäß dem IDW S6 ist ein zentrales Element in der formalgetriebenen Real Estate Sanierung.

  • Für die Refinanzierungsfähigkeit von Immobilienprojekten stehen in der Sanierungspraxis gegenwärtig die Varianten „solvente Liquidation“ und „Fortführung“ im Vordergrund.

  • Der Erfolg der Variante „solvente Liquidation“ kann maßgeblich durch die Implementierung von Sensitivitätsanalysen/Verkaufsbandbreiten, der Würdigung der zutreffenden Projektphase und ihrer Implikationen sowie der Moderation der Gläubigerforderungen beeinflusst werden.

  • Im Zuge gehemmter Transaktionsmärkte gewinnt die Variante der „Fortführung“ zunehmend an Bedeutung. Die Anwendung und fundierte Plausibilisierung von Kennzahlen wie z. B. Loan-to-Value (LTV) sowie die Antizipation von Mietmarktentwicklungen stellen wesentliche Erfolgstreiber dieser Alternative dar.

I. Notwendigkeit von Sanierungskonzepten

Die Refinanzierungsfähigkeit für Sanierungskonzepte ist ein zentrales Element im IDW S6 bzw. dem Independent Business Review (IBR), um finanzielle Risiken zu minimieren und eine effektive Sanierungsstrategie zu entwickeln. Diese Bewertung wird durch rechtliche Rahmenbedingungen und die Notwendigkeit, Haftungsrisiken für Darlehensgeber zu vermeiden, komplexer. Die rechtliche Bewertung der Haftungsgefahr für die Darlehensgeber ist von zentraler Bedeutung, da die Gewährung neuer Liquidität oder der Prolongation in einer finanziellen Krise des Schuldners zu Haftungsansprüchen Dritter führen kann. Dies umfasst neben insolvenzrechtlichen Anfechtungsansprüchen insbesondere die Gefahr der zivilrechtlichen Haftung, bspw. durch eine Gläubigergefährdungs- und Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 826 BGB i. V. mit § 15a InsO.

Eine solche Haftungssituation entsteht typischerweise, wenn die Bank aus eigennützigen Zwecken die Insolvenzantragsstellung durch die Gewährung zusätzlicher Liquidität verzögert, zum Nachteil konkurrierender Gläubiger. [1] Die Sittenwidrigkeit dieses Handelns wird durch das bewusste Hinauszögern einer notwendigen Insolvenzantragsstellung unterstrichen, während zugleich nicht von einer überwindbaren oder nur vorübergehenden Krise ausgegangen wird. Dies begründet den Vorwurf, in eigennütziger Weise die eigene Stellung auf Kosten anderer Gläubiger verbessern zu wollen. [2]

Für Objektgesellschaften, deren Ziel vorrangig in der Realisierung eines Bauvorhabens und dessen anschließendem Verkauf liegt, ergeben sich spezifische Anforderungen an ein Sanierungskonzept. Im Vordergrund steht die Frage der Durchfinanzierbarkeit des Projekts bis zum geplanten Verkauf. Ein Sanierungskonzept für Objektgesellschaften mussS. 93 daher die wirtschaftliche Lage, die Plausibilität des geplanten Verkaufserlöses und die Liquiditätsplanung bis zum Verkauf des Objekts umfassen.

Die rechtliche Bewertung und die Entwicklung eines Sanierungskonzepts müssen in enger Abstimmung erfolgen, um sowohl den wirtschaftlichen als auch den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dies beinhaltet die sorgfältige Abwägung zwischen den Sanierungsstrategien „solvente Liquidation“ und „Fortführung“. Unabhängig von der gewählten Strategie ist die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben und die Minimierung des Haftungsrisikos durch die Erstellung eines fundierten und realistischen Sanierungskonzepts unerlässlich.

Insgesamt zeigt sich, dass die Refinanzierungsfähigkeit und die rechtliche Bewertung der Haftungsgefahr zentrale Elemente im Prozess der Immobiliensanierung darstellen. Die Berücksichtigung dieser Aspekte trägt maßgeblich zum Erfolg der Sanierungsmaßnahmen bei und sichert die Interessen aller Beteiligten.

II. Quick Checks in Vorbereitung zu möglichen Sanierungsstrategien

Die Welt der Immobilienprojekte ist geprägt von einer Vielschichtigkeit, die weit über die sichtbaren Bauarbeiten hinausgeht. Hinter den Kulissen spielen sich komplexe Vorgänge ab, die von der Gesellschafter- und Finanzierungsstruktur bis hin zu den damit verbundenen Risiken reichen. Diese Komplexität kann die Möglichkeiten für die Sanierung von Projekten erheblich einschränken und erfordert eine sorgfältige und umfassende Analyse, bevor ein Sanierungskonzept festgelegt wird.

Eine effektive Plausibilisierung eines Sanierungskonzepts beginnt mit der vorausschauenden Bewertung der verschiedenen Risikodimensionen eines Projekts. Diese Bewertung umfasst eine breite Palette von potenziellen Risiken, die mit der Entwicklung von Immobilienprojekten verbunden sind. Dazu gehören bspw. Risiken, die sich aus der Baugenehmigung und dem Bau selbst ergeben, Vermietungs- und Vermarktungsrisiken, sogenannte „Long Stop-Dates“, die kritische Fristen markieren, Zinsänderungsrisiken sowie Risiken, die aus der spezifischen Gesellschafts- und Finanzierungsstruktur resultieren.

Diese sogenannten Verbund- oder Gruppenrisiken sind besonders hervorzuheben, da sie nicht nur die finanzielle Stabilität des Projekts beeinflussen, sondern auch die Möglichkeiten für eine Sanierung von Grund auf einschränken können. Exemplarisch zu nennen sind hierfür darlehensvertragliche Verknüpfungen zwischen Objektgesellschaften, insbesondere im Rahmen gewährter Sicherheiten. Indem diese Risiken frühzeitig identifiziert und analysiert werden, lassen sich Sanierungsvarianten, die von vornherein zum Scheitern verurteilt wären, ausschließen. Dies ebnet den Weg für die Entwicklung von Sanierungsstrategien, die speziell auf die identifizierten Herausforderungen und Risikoprofile des Projekts zugeschnitten sind.

In der Praxis bedeutet dies, dass ein gründliches Verständnis der zugrundeliegenden Strukturen und potenziellen Fallstricke eines Immobilienprojekts entscheidend ist, um effektive und realisierbare Sanierungskonzepte zu entwickeln. Nur durch eine detaillierte Analyse und Bewertung aller relevanten Risiken können Investoren und Entwickler Strategien formulieren, die nicht nur die finanzielle Gesundheit des Projekts sichern, sondern auch langfristigen Erfolg gewährleisten.

Praxishinweis

In einem Markt, der von Unsicherheiten und ständigen Veränderungen geprägt ist, ist die Fähigkeit, Risiken vorausschauend zu managen und proaktiv auf Herausforderungen zu reagieren, unerlässlich. Immobilienprojekte erfordern daher nicht nur ein solides technisches Verständnis, sondern auch eine tiefe Einsicht in die finanziellen und strukturellen Aspekte, die den Erfolg eines Projekts maßgeblich beeinflussen können.

III. Solvente Liquidation bzw. Verkauf

Bei der Sanierungsvariante „Verkauf“ zielt die Strategie primär auf Befriedigung aller Gläubiger nach einer solventen Liquidation und einem vorangegangenen Verkauf. Hierbei wird die Refinanzierungsfähigkeit vorrangig durch den Verkaufserlös nach einer sorgfältig geplanten Überbrückungsphase gewährleistet. Diese Periode kann durch Maßnahmen wie eine Treuhandstruktur oder eine gezielte Entflechtung des Objekts unterstützt werden. Zu beachten sind im Rahmen der Liquidationsbetrachtung auch steuerliche Risiken aus Forderungsverzichten und eventuelle Risiken aus (Nicht-)Mitwirkung der Gläubiger.

Die Frage der Durchfinanzierung stellt ein essenzielles Element bis zum Zeitpunkt des Verkaufs dar. Dies umfasst nicht nur eine risikogerechte Verzinsung, sondern auch die Gewährleistung, dass alle Gläubigerforderungen – einschließlich Transaktions- und Abwicklungskosten – bei Verkauf vollumfänglich beglichen werden. Oftmals wird in der Überbrückungsphase eine Stand-Still-Vereinbarung mit Senior- und Juniorgläubigern getroffen. Abhängig von der Art des Objekts, sei es eine Projektentwicklung oder eine Bestandsimmobilie, sowie dem Cashflow-Profil, sind die Vereinbarungen zu den Darlehenskonditionen, wie Zinshöhe und Struktur, auf die Tragfähigkeit des Assets abzustimmen.

Praxishinweis

Falls die risikoadäquate Verzinsung nicht durch den aktuellen Cashflow gedeckt werden kann, sollten Alternativen wie zusätzliche Eigenkapitaleinlagen von bestehenden oder neuen Gesellschaftern und/oder (teilweise) PIK-Verzinsungen in Erwägung gezogen werden (Die „Payment-in-kind“-Verzinsung (PIK) ist eine Zinsgestaltung bzw. -komponente, bei der Zinsen während der Laufzeit nicht zum jeweiligen Zinsperiodenende, sondern erst zum Ende der Kreditlaufzeit in einer Summe zu zahlen sind.). Bevor jedoch zu diesen Optionen gegriffen wird, sollten Sanierungsmaßnahmen geprüft werden, die darauf abzielen, den Cashflow ausS. 94 dem laufenden Betrieb zu steigern und Investitionstätigkeiten in Abwägung deren Notwendigkeit (Mieterausbau, Instandhaltung, Instandsetzung, Modernisierung) und Einfluss auf den Verkaufspreis ggfs. einzustellen.

Angesichts der Unsicherheit zukünftiger Verkaufspreise ist die Ermittlung von Verkaufsbandbreiten entscheidend. Diese Bandbreiten definieren diejenigen Preisbereiche, in denen eine vollständige Gläubigerbefriedigung realisierbar ist, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Marktfaktoren und der spezifischen Situation des Objekts. Sollte es unwahrscheinlich erscheinen, dass die vollständige Rückführung aller Gläubigerforderungen (vor allem der Darlehensgeber) durch Verkaufserlöse nach Prüfung verschiedener Sanierungsmaßnahmen erfolgen kann, sind bedingte Forderungsverzichte der Gläubiger erforderlich. Diese sollten beinhalten, dass im Falle einer Veräußerung die Sicherheiten aufgegeben werden, selbst wenn der Erlös die Forderungen der Gläubiger nicht vollständig abdeckt. Außerdem sollten sie zusichern, dass Handlungen, die eine solvente Liquidation des Darlehensnehmers gefährden könnten, unterlassen werden.

Ein zentraler Aspekt bei der Entscheidung über den Verkaufszeitpunkt eines Assets ist die Projektphase, in der sich das Asset befindet. Insbesondere eine Projektentwicklung erfordert eine Vergleichsrechnung unterschiedlicher Verkaufsszenarien zu verschiedenen Projektphasen, um einer Wertvernichtung vorzubeugen.

Abb. 1: Kostenverlauf Projektentwicklung in Anlehnung an Isenhöfer [3]

Bei einer Projektentwicklung stellen die Baukosten bis zur Fertigstellung des Objekts den größten Kostenfaktor dar. Während die Wertschöpfung der Planung inkl. Kosten und Grundstückswert auf dem Markt bei einem Verkauf risikoabhängig und entsprechend allgemeinen Rahmenbedingungen im Markt bewertet wird, gilt dies nicht zwangsläufig für den Verkauf einer noch nicht fertiggestellten Projektentwicklung während der Bauphase. Die Baukosten einer solchen Projektentwicklung werden oft nicht in gleicher Weise berücksichtigt. Die Übernahme eines laufenden Projekts ist ein komplexes Unterfangen, bei dem sowohl der aktuelle Leistungsstand als auch die Risikobewertung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind. Diese Unsicherheiten führen in der Regel zu deutlichen Risikoabschlägen beim Verkaufspreis und decken in wenigen Fällen die bisher angefallenen Gesamtinvestitionskosten des Projektes.

In Abhängigkeit vom LTV (Loan to Value, Verhältnis des Kreditbetrags zum Verkehrs- oder Marktwert einer Immobilie) sollte sorgfältig abgewogen werden, ob eine eventuelle Teilabschreibung der Darlehensforderung im Falle eines Verkaufs der laufenden Projektentwicklung sinnvoll ist, oder ob eine Fertigstellung inkl. Durchfinanzierung bis zur vollständigen Fertigstellung des Projekts vorzuziehen ist. Bei letzterem bedarf es der Prüfung der damit einhergehenden Risiken. Sofern eine Fertigstellung des Projektes mit dem ursprünglichen Developer kein gangbares Szenario darstellt, besteht die Möglichkeit, einen externen Service Developer in Kombination mit entsprechenden Entflechtungsvereinbarungen oder Treuhandstruktur für das Projekt einzubinden. Dabei sollten die Mehrkosten für die Vergütung des externen Service Developer berücksichtigt werden.

Die solvente Liquidation wird durch die Aussage begründet, dass der Verkaufserlös mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen. Dies stellt aufgrund weit auseinanderliegender Kaufpreisvorstellungen von Käufer und Verkäufer sowie fehlender Vergleichszahlen im aktuellen Transaktionsumfeld insbesondere Sanierungsberater und Immobiliengutachter vor Herausforderungen.

Für eine Annährung an mögliche Verkaufserlöse sind gängige Wertermittlungsmethoden nach ImmoWertV oder dem Redbook Ansatz zu nutzen. Diese basieren gemäß § 194 BauGB auf folgenden Grundsätzen:

Gemäß § 194 BauGB wird der Verkehrswert wie folgt definiert:

Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten, den tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstandes der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.

In der heutigen Marktsituation, insbesondere in Krisenlagen, entsteht ein Konflikt zwischen dieser Definition und der Praxis. Die Formulierung „ohne Rücksicht auf ungewöhnliche Verhältnisse“ impliziert eine Wertermittlung, die Zwangslagen, wie etwa Notverkäufe, ausschließt. Jedoch sind in wirtschaftlich angespannten Situationen, in denen oft Notverkäufe durch Gläubiger forciert werden, genau diese Szenarien relevant. Die bestehenden Richtlinien zur Verkehrswertermittlung, wie die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV), berücksichtigen solche NotverkaufsszenarienS. 95 nicht, wodurch die Anwendung dieser Definition in der Praxis problematisch wird.

In der Praxis haben sich zwei Methoden bewährt: Zu einem die DCF-Auswertung in Anlehnung an das Redbook-Verfahren sowie das Multipleverfahren. Entscheidend in beiden Szenarien ist die Sensitivierung von möglichen Verkaufsfaktoren/Abzinsungsfaktoren, um eine Bandbreite realistische Verkaufserlöse einschätzen zu können.

Abb. 2: Sensivitätsanalyse Immobilien Bewertung

IV. Sanierungsvariante „Fortführung“

Die Bewertung der Refinanzierungsfähigkeit in der Fortführungsvariante erfordert eine eingehende Analyse spezifischer Kriterien. Ein zentrales Bewertungskriterium ist das Verhältnis von Reinertrag zu Fremdkapital, wobei ein Schwellenwert von über 8 % im aktuellen Zinsniveau mindestens erreicht werden sollte. Ein weiterer entscheidender Faktor ist der Loan-to-Value (LTV), der das Verhältnis des Darlehensbetrags zum Marktwert der Immobilie darstellt und standortspezifisch zu interpretieren ist.

Im aktuellen Marktumfeld liegt der Fokus, anders als bei der Verkaufsvariante, mehr auf der langfristigen Kapitaldienstfähigkeit der Immobilie. Angesichts der begrenzten Anzahl an Transaktionen und der divergierenden Meinungen zum Immobilienwert im aktuellen Marktumfeld gewinnt das altbewährte Sprichwort ,Cash is King' bei Darlehensgebern, im Gegensatz zur vorherigen Niedrigzinsphase, zunehmend an Bedeutung.

Abb. 3: Refinanzierungsfähigkeit

Die Fortführung einer Immobilie erfordert eine detaillierte Analyse der langfristigen Ertragsaussichten und eine sorgfältige Planung der Kapitalstruktur. Dies beinhaltet eine Bewertung von Marktentwicklungen, Mietpreisentwicklung und -potenzialen bei bestehenden Mietverhältnissen sowie anderen relevanten Faktoren, die sich auf die Rentabilität der Immobilie auswirken können. Eine fundierte Marktanalyse ist unerlässlich, um die Nachhaltigkeit der Mieterträge und die potenzielle Wertsteigerung der Immobilie zu beurteilen. Stressed Objekte weisen oft eine überdurchschnittlich hohe Leerstandsquote auf, die auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen sind.

Die Vermietungsannahmen sollten durch eine dedizierte Markt- und Standortanalyse plausibilisiert werden, um sowohl die Mietsteigerungspotenzielle für laufende Mietverhältnisse als auch die Neuvermietung inkl. den geplanten Mieterträgen je m2 zu bewerten. Zur Vermeidung von Problemen, die aus Zinssteigerungen resultieren, sollte die Planung unterschiedliche Zinsszenarien standhalten.

Die Bewertungskriterien der Refinanzierungsfähigkeit werden in der Zeitachse abgebildet, wobei der Zinsdeckungsgrad einen wesentlichen Treiber für die Refinanzierungsfähigkeit darstellt (vgl. Abb. 3).S. 96

V. Fazit

In der Real Estate Sanierung ist die Refinanzierungsfähigkeit ein zentrales Element, das eine Brücke zwischen dem Optimismus der Beteiligten und den strengen regulatorischen sowie formalen Anforderungen schlägt. Die zentrale Herausforderung für den Sanierungsberater liegt in der Ermittlung realistischer Verkaufsbandbreiten, die auf einer sorgfältigen CAPEX-Planung (Capital expenditures, damit werden Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter bezeichnet), und der Bewertung der zukünftigen Marktwerte basieren. Insbesondere in einem herausfordernden Branchenumfeld, gekennzeichnet durch eine geringe Anzahl an Vergleichstransaktionen, gestaltet sich die Ermittlung aktueller und zukünftiger Marktwerte als besonders schwierig.

Im Bereich der Corporates wird die Refinanzierungsfähigkeit unter Anwendung bewährter Verfahren geprüft. Bei reinen Immobilienfinanzierungen ist ein branchenspezifischer Score zur Beurteilung der Refinanzierungsfähigkeit zu beachten. Der Score besteht aus dem Verhältnis des Reinertrages zu bestehenden Senior- und oder Juniordarlehen des Objektes in Abhängigkeit der jeweiligen Asset-Klasse, kombiniert mit einem standortspezifischen Loan-to-Value (LTV). Im Falle einer geplanten Veräußerung müssen die Verkaufsbandbreiten für die Befriedigung aller Gläubiger ausreichend für die solvente Liquidation sein.

Die Bestimmung dieser Bandbreiten erfordert eine tiefgreifende Analyse der Marktbedingungen, des Zustands des Objekts sowie der Entwicklungspotenziale. Darüber hinaus müssen potenzielle Investitionen in das Objekt berücksichtigt werden, um den Wert der Immobilie zu steigern und so die Verkaufschancen zu verbessern. Die Fähigkeit, realistische Verkaufsbandbreiten in verschiedenen Szenarien wie den aktuellen As-Is-Zustand, eine abgeschlossene Projektentwicklung oder Revitalisierung zu bestimmen und die Interessen aller Gläubiger zu wahren, ist entscheidend für den Erfolg der Sanierung und die Sicherung einer stabilen finanziellen Zukunft für das Immobilienprojekt.

AUTOREN

Matthias Müller
verantwortet und begleitet Projekte bei Unternehmen und im Real Estate rund um Sanierung, Restrukturierung, Corporate Finance und Insolvenz bei der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH.

Ante Jelavic
verantwortet und begleitet Projekte bei Unternehmen und im Real Estate rund um Sanierung, Restrukturierung, Corporate Finance und Insolvenz bei der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH.

Fundstelle(n):
NWB Sanieren 4/2024 Seite 92
IAAAJ-65020

1Weiß/Reps, ZIP 2020 S. 2443.

2Förster, BeckOK, 64 Erg.-Lfg. 2022, BGB § 826 Rz. 145.

3Isenhöfer, Strategisches Management von Projektentwicklungsunternehmen, 1999, S. 93 bis 95.

4Isenhöfer, Strategisches Management von Projektentwicklungsunternehmen, 1999, S. 93 bis 95.