BMF - IV B 7 - S 7100 -167/02 BStBl 2002 I S. 631

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Erschließungsmaßnahmen

Bezug:

Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Erschließungsmaßnahmen durch Gemeinden oder eingeschaltete Erschließungsträger gilt in Ergänzung des (IV B 7 - S 7100 - 55/00) unter Punkt II.2. nach dem Ergebnis der Erörterungen der obersten FinBeh des Bundes und der Länder Folgendes:

I.

1. Die Grundstückserschließung ist grundsätzlich Aufgabe der Gemeinden (§ 123 BauGB). Führt die Gemeinde die Erschließungsmaßnahmen in eigener Regie durch oder bedient sie sich hierfür einer Erschließungsgesellschaft als Erfüllungsgehilfen, wird die Gemeinde hoheitlich tätig. Zur Deckung ihres Aufwands für die Erschließungsanlagen erhebt die Gemeinde öffentlich-rechtliche Erschließungsbeiträge nach §§ 127 ff. BauGB.

Ustl. Besonderheiten bei dieser Gestaltung ergeben sich nicht. Da die Erschließungsgesellschaft nicht Eigentümerin der Grundstücke ist, erbringt sie stpfl. Werklieferungen (mit entsprechender Vorsteuerabzugsberechtigung) an die Gemeinde. Mangels wirtschaftlicher Tätigkeit erbringt die Gemeinde hinsichtlich der Erschließung keine stpfl. Ausgangsumsätze. Die erhobenen Erschließungsbeiträge stellen keine steuerbaren Entgelte dar. Deshalb ist die Gemeinde für die an sie erbrachten Leistungen nach § 15 Abs. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gemeinde die Erschließungsmaßnahmen in eigener Regie durchführt oder sich hierfür einer Erschließungsgesellschaft als Erfüllungsgehilfen bedient.

Soweit die Gemeinde einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) unterhält (z. B. Wasserversorgung), sind die hierauf entfallenden Anschlussbeiträge Entgelte für die stpfl. Anschlussleistung (vgl. -). Insoweit steht dem BgA aus den Erschließungsaufwendungen für die Wasserversorgungsanlagen unter den sonstigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug zu.

2. Bei Einschaltung einer Erschließungsgesellschaft als Erfüllungsgehilfen kann es vorkommen, dass die Erschließungsgesellschaft vertraglich ermächtigt wird, die ihr entstandenen Erschließungsaufwendungen unmittelbar mit den Bauwilligen abzurechnen. In diesem Fall verzichtet die Gemeinde auf die Erhebung von öffentlich-rechtlichen Erschließungsbeiträgen.

Da die Erschließungsgesellschaft nicht Eigentümerin der Grundstücke ist, erbringt sie trotz unmittelbarer Abrechnung mit den Bauwilligen stpfl. Werklieferungen an die Gemeinde. Die von den Bauwilligen erhobenen Kostenbeiträge sind Entgelte von dritter Seite für die Leistungen der Erschließungsgesellschaft an die Gemeinde. Hieraus folgt, dass die Erschließungsgesellschaft in ihren Abrechnungen gegenüber den Bauwilligen keine USt gesondert ausweisen darf. Geschieht dies dennoch, wird die ausgewiesene USt gemäß § 14 Abs. 3 UStG geschuldet. Die Bauwilligen sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Die Gemeinde wird hinsichtlich der Erschließung hoheitlich tätig. Somit ist sie für die an sie erbrachten Leistungen der Erschließungsgesellschaft nach § 15 Abs. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

II.

Die Gemeinde kann die ihr obliegenden Erschließungsaufgaben förmlich durch öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 124 Abs. 1 BauGB auf einen Erschließungsträger (z. B. gemeindeeigene oder private Erschließungsgesellschaft, Bauträger, einzelner Bauherr) übertragen. Ein solcher Erschließungsvertrag wird häufig bei der Erschließung von Gewerbegebieten oder bei anderen großen Bauvorhaben abgeschlossen.

1. Der Erschließungsträger ist oder wird Eigentümer der Grundstücke. Die Erschließung wird von ihm im eigenen Namen und für eigene Rechnung durchgeführt. Er nutzt die erschlossenen Grundstücke entweder für eigene Zwecke oder er veräußert sie an Bauwillige unter Einkalkulierung der ihm entstandenen Erschließungsaufwendungen. Die öffentlichen Flächen mit Erschließungsanlagen werden im Regelfall vom Erschließungsträger nach Erschließung der Grundstücke unentgeltlich auf die Gemeinde übertragen. Da der Gemeinde kein eigener Erschließungsaufwand entsteht, entfällt erschließungsrechtlich die Erhebung öffentlichrechtlicher Erschließungsbeiträge für Erschließungsanlagen i. S. des § 127 BauGB.

a) Soweit Erschließungsanlagen i. S. des § 127 BauGB zusammen mit dem Grundstück unentgeltlich auf die Gemeinden übertragen werden, ist diese Übertragung nicht steuerbar, denn nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG kann eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 UStG nur dann einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt werden, wenn der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Darin fehlt es hier:

Die hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge beim Erschließungsträger sind nach Abschn. 208 Abs. 1 Nr. 2 i. V. mit Abs. 2 Satz 1 UStR dieser unentgeltlichen Übertragung zuzuordnen, da eine unmittelbare gegenständliche Zuordnung möglich ist. Da der Vorgang unter das GrEStG fällt und eine Option zur Steuerpflicht nach § 9 UStG nicht möglich ist, berechtigen die Aufwendungen für diese Erschließungsanlagen den Erschließungsträger nicht zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. mit § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG).

Soweit es sich jedoch bei den übertragenen Erschließungsanlagen um Betriebsvorrichtungen i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG handelt, ist die Übetragung auf die Gemeinde stpfl. nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG und schließt den Vorsteuerabzug beim Erschließungsträger insoweit nicht aus.

Die Gemeinde ist hinsichtlich der ihr übertragenen Erschließungsanlagen in keinem Fall zum Vorsteuerabzug berechtigt. Soweit die Anlagen in ihren Hoheitsbereich gelangen, fehlt es an der für den Vorsteuerabzug erforderlichen Unternehmereigenschaft. Im Übrigen ist eine Rechnung mit offen ausgewiesener USt bei unentgeltlichen Wertabgaben unzulässig (vgl. Abschn. 24a Abs. 3 Sätze 4 und 5 UStR).

b) Veräußert der Erschließungsträger die erschlossenen Grundstücke an Bauwillige, kann er unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichten und dann die USt in der Rechnung an den Grundstückserwerber offen ausweisen. Der Grundstückserwerber ist unter den Voraussetzungen des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt. Trotz dieser stpfl. Ausgangsumsätze des Erschließungsträgers verbleibt es bei ihm bei der Nichtabzugsfähigkeit der mit den Aufwendungen für die öffentlichen Erschließungsanlagen zusammenhängenden Vorsteuerbeträge, da diese Vorsteuerbeträge der unentgeltlichen Grundstücksübertragung auf die Gemeinde zuzuordnen sind (vgl. Buchst. a).

c) Bleibt der Erschließungsträger Eigentümer der Erschließungsanlagen, hängt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für diese Erschließungsanlagen grundsätzlich von der ustl. Behandlung der Umsätze ab, die er unter Verwendung der auf den betreffenden Grundstücken errichteten Gebäude oder Anlagen ausführt.

Werden die Erschließungsanlagen öffentlich gewidmet, sind sie privatwirtschaftlicher Nutzung entzogen (vgl. BStBl 1989 II S. 302). Der Vorsteuerabzug ist in diesen Fällen zu versagen, da eine Zuordnung dieser Erschließungsanlagen zum Unternehmensvermögen nicht möglich ist.

2. Der Erschließungsträger ist nicht Eigentümer der zu erschließenden Grundstücke. Er verpflichtet sich gegenüber der Gemeinde zur Herstellung und Übertragung der Erschließungsanlagen. Er führt die Erschließung (wie in II. Nr. 1) im eigenen Namen und für eigene Rechnung durch. Die öffentlichen Erschließungsanlagen werden vom Erschließungsträger nach Erschließung der Grundstücke auf die Gemeinde übertragen. In den folgenden Varianten a bis c entsteht der Gemeinde kein eigener Erschließungsaufwand. Deshalb entfällt in diesen Fällen erschließungsrechtlich die Erhebung öffentlich-rechtlicher Erschließungsbeiträge für Erschließungsanlagen (§ 127 Abs. 1 BauGB).

Variante a)

Daneben verpflichten sich die Grundstückseigentümer gegenüber der Gemeinde zur Übernahme der durch die Erschließung entstehenden Kosten. Zur Erfüllung des Vergütungsanspruchs des Erschließungsträgers tritt die Gemeinde ihren Anspruch auf Kostenübertragung gegenüber den Grundstückseigentümern an den Erschließungsträger ab.

aa) Die Übertragung der Erschließungsanlagen i. S. von § 127 Abs. 2 BauGB auf die Gemeinde ist beim Erschließungsträger als Werklieferung stpfl. nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, verbunden mit dem vollen Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die Erschließungsanlagen. Die Gemeinde entrichtet die Gegenleistung für die ihr vom Erschließungsträger in Rechnung gestellte Übertragung der Erschließungsanlagen durch Abtretung ihres Anspruchs auf Kostentragung. Die Abtretung ist selbst keine steuerbare Leistung, für die USt ausgewiesen werden könnte.

Soweit die Erschließungsanlagen in den Hoheitsbereich der Gemeinde gelangen, ist diese mangels Unternehmereigenschaft nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

bb) Zwischen dem Erschließungsträger und den Grundstückseigentümern bestehen weder privatrechtliche Vereinbarungen noch Leistungsbeziehungen.

Variante b)

Daneben verpflichten sich die Grundstückseigentümer gegenüber dem Erschließungsträger zur anteiligen Übernahme der durch die Erschließung entstehenden Kosten.

aa) Die Übertragung der Erschließungsanlagen i. S. von § 127 Abs. 2 BauGB auf die Gemeinde ist beim Erschließungsträger ebenso wie in der Variante II. 2. Buchst. a als Werklieferung stpfl. nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, verbunden mit dem vollen Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die Erschließungsanlagen. Die Kostenübernahme durch die Grundstückseigentümer ist Entgelt von dritter Seite für die vom Erschließungsträger der Gemeinde in Rechnung gestellte Übertragung der Erschließungsanlagen.

Soweit die Erschließungsanlagen in den Hoheitsbereich der Gemeinde gelangen, ist diese mangels Unternehmereigenschaft nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

bb) Der Erschließungsträger erbringt an die Grundstückseigentümer keine Leistungen; dies ist auch nicht vereinbart. Vereinbart ist nur die Kostenübernahme durch die Grundstückseigentümer für die durch den Erschließungsträger gegenüber der Gemeinde erbrachten Leistung.

In den Abrechnungen (Einzelkostenaufstellungen) gegenüber den Grundstückseigentümern darf der Erschließungsträger die USt nicht gesondert ausweisen. Die Grundstückseigentümer könnten auch nicht, weil sie nicht Leistungsempfänger sind, zum Vorsteuerabzug berechtigt sein. Weist der Erschließungsempfänger gleichwohl USt aus, schuldet er sie nach § 14 Abs. 3 UStG.

Variante c)

Der Erschließungsträger verpflichtet sich zusätzlich gegenüber den Grundstückseigentümern durch privatrechtliche Verträge zur Erschließung und rechnet aufgrund dieser Verträge mit diesen ab.

aa) Die unentgeltliche Übertragung der Erschließungsanlagen i. S. von § 127 Abs. 2 BauGB auf die Gemeinde ist als unentgeltliche Wertabgabe steuerbar und stpfl. nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG, verbunden mit dem vollen Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die Erschließungsanlagen. Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe sind nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die beim Erschließungsträger entstandenen Selbstkosten, wobei es unbeachtlich ist, ob und in welcher Höhe diese Kosten auch bereits beim Entgelt für die (unter Buchst. bb genannten) Erschließungsanlagen an die Grundstückseigentümer kalkulatorisch berücksichtigt worden sind.

Die Gemeinde ist hinsichtlich dieser nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG gelieferten Erschließungsanlagen in keinem Fall zum Vorsteuerabzug berechtigt. Soweit die Anlagen in ihren Hoheitsbereich gelangen, fehlt es an der für den Vorsteuerabzug erforderlichen Unternehmenreigenschaft. Im Übrigen ist eine Rechnung mit offen ausgewiesener USt bei unentgeltlichen Wertabgaben unzulässig (vgl. Abschn. 24a Abs. 3 Sätze 4 und 5 UStR).

bb) Der Erschließungsträger erbringt unabhängig von der unentgeltlichen Lieferung der Erschließungsanlagen an die Gemeinde stpfl. sonstige Leistungen (Erschließungsleistungen) an die Grundstückseigentümer. Die an die Grundstückseigentümer ausgestellten Rechnungen mit gesondert ausgewiesener USt berechtigen diese unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug.

Es ersetzt das - (BStBl 2000 I S. 1581).

BMF v. - IV B 7 - S 7100 -167/02


Fundstelle(n):
BStBl 2002 I Seite 631
UAAAA-86259