OFD Hannover - S 0550 - 2744 - StH 462 S 0550 - 470 - StO 321

Grundsätze für die Behandlung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Insolvenzverfahren

Für die Behandlung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Insolvenzverfahren gilt Folgendes:

1 Allgemeines

Nach Art. 110 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom (BGBl Teil I S. 2911) - EGInsO - treten die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) zum in Kraft. Das neue Insolvenzrecht ist auf alle Fälle anwendbar, in denen die Eröffnung des Verfahrens nach dem beantragt wird. Für Verfahren, deren Eröffnung vor dem beantragt wurde, verbleibt es bei der Anwendung der bisher geltenden Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsordnung.

Die Vorschriften der Abschn. 58 bis 62 der Vollstreckungsanweisung (VollstrA) sind bis zur Anpassung an die InsO sinngemäß anzuwenden, soweit nicht Regelungen der InsO ausdrücklich entgegenstehen (z. B. zur Geltendmachung von Nebenansprüchen gegen den Insolvenzschuldner persönlich oder zu den Vorrechten des § 61 der Konkursordnung (KO) bzw. des § 17 der Gesamtvollstreckungsordnung - GesO -).

2 Eröffnung des Insolvenzverfahrens

2.1 Eröffnungsgründe

Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Sie ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 InsO).

Auch die drohende Zahlungsunfähigkeit ist Eröffnungsgrund. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 InsO).

Bei juristischen Personen, Personengesellschaften ohne haftende natürliche Person und in Nachlassfällen ist daneben die Überschuldung als eigenständiger Eröffnungsgrund bestimmt (§§ 19, 329 InsO). Bei der zur Feststellung der Überschuldung vorzunehmenden Bewertung des Schuldnervermögens sind die Fortführungswerte zugrunde zu legen, wenn die Unternehmensfortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Andernfalls sind die Werte zugrunde zu legen, die bei der Liquidation des Unternehmens zu erzielen wären.

2.2 Antrag

Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann - außer bei drohender Zahlungsunfähigkeit - jeder Gläubiger stellen, der ein rechtliches Interesse an der Eröffnung hat und seinen Anspruch sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft macht (vgl. § 14 Abs. 1 InsO). Das rechtliche Interesse eines Gläubigers wird beispielsweise dann fehlen, wenn er aufgrund eines Aussonderungsrechts innerhalb wie außerhalb des Verfahrens in gleicher Weise Befriedigung erlangen kann. Beantragt der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund (§ 18 Abs. 1 InsO).

Bei vollstreckbaren Rückständen kann auch die Finanzbehörde den Antrag stellen. Auf die Regelungen in der Vollstreckungsanweisung (Abschn. 58 VollstrA) wird verwiesen.

Das Finanzamt ist nach § 2 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) von der Zahlung der Gerichtskosten für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens befreit.

2.3 Rechtsmittel

Gegen eine ablehnende Entscheidung des Insolvenzgerichts steht dem antragstellenden Gläubiger gem. §§ 6, 34 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (§§ 567 ff., 793 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Die Beschwerde ist innerhalb der Notfrist von zwei Wochen ab dem in § 6 Abs. 2 InsO genannten Zeitpunkt (Verkündung oder Zustellung der Entscheidung) beim Insolvenzgericht oder dem zur Entscheidung berufenen Landgericht einzulegen. (vgl. § 569 ZPO).

3 Wirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Mit dem Zeitpunkt, der im Eröffnungsbeschluss genannt ist, wird die Beschlagnahme des gegenwärtigen und - abweichend vom bisherigen Recht - auch des während des Verfahrens erworbenen Schuldnervermögens wirksam. Das damit ausgesprochene Verfügungsverbot erstreckt sich auf das gesamte, der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen einschließlich der Geschäftsbücher des Schuldners, alle im Besitz des Schuldners befindlichen Sachen und alle von ihm genutzten Grundstücke und Gebäude (§§ 35, 36 InsO).

Der Eröffnungsbeschluss hat weiter die Wirkung, dass alle im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherungsrechte ihre Wirksamkeit verlieren (§ 88 InsO). Abweichend von der Konkursordnung verlieren Pfändungen vor Verfahrenseröffnung nicht erst über das Anfechtungsrecht ihre Wirkung. Die Regelung schränkt jedoch die im Gesamtvollstreckungsrecht geltende unbegrenzte Rückschlagwirkung (vgl. § 7 Abs. 2 GesO) auf den genannten Zeitraum ein.

Mit der Eröffnung des Verfahrens können zu diesem Zeitpunkt begründete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur noch nach Maßgabe der InsO geltend gemacht werden. Dies gilt auch für Ansprüche, auf die steuerliche Verfahrensvorschriften entsprechend anzuwenden sind (z. B. Rückforderung von Investitionszulage). Das Steuerfestsetzungsverfahren, das Rechtsbehelfsverfahren und der Lauf der Rechtsbehelfsfristen werden analog § 240 ZPO unterbrochen. Unberührt bleibt der Erlass von Steuerbescheiden, die zu einem Erstattungsanspruch führen sowie von Feststellungsbescheiden, auf deren Grundlage nicht unmittelbar Steueransprüche gegen die Insolvenzmasse festzusetzen sind (z. B. Bescheide zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns von Personengesellschaften). Vertreter des Schuldners und damit Bekanntgabeadressat ist der Insolvenzverwalter sowie auch der vorläufige Insolvenzverwalter, wenn das Insolvenzgericht dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt hat (bis zum Erlass gegenteiliger Weisungen ist bei der Adressierung von Steuerverwaltungsakten in Insolvenzfällen entsprechend der Tz. 2.10 des Bekanntgabeerlasses vom , BStBl 1991 I S. 398, AO-Kartei, § 122 Karte 2 zu verfahren). Die Ermittlungsrechte und -pflichten der Finanzbehörde (§ 88 AO) und die Mitwirkungspflichten des Schuldners, des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters (vgl. § 34 Abs. 3 AO) bleiben unberührt.

4 Abgabenforderungen als Insolvenzforderungen

4.1 Allgemeines

Die zurzeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Abgabenforderungen sind innerhalb der im Eröffnungsbeschluss genannten Frist schriftlich beim Verwalter (nicht - wie nach der Konkursordnung - beim Gericht) anzumelden, soweit nicht die Möglichkeit einer Aufrechnung (s. Tz. 7) besteht. Die Insolvenzordnung unterscheidet dabei nur Insolvenzforderungen (vgl. § 38 InsO) und nachrangige Insolvenzforderungen (vgl. § 39 InsO). Die bisherigen Vorrechte - u. a. zugunsten der Abgabengläubiger - wurden abgeschafft. Die Anmeldung soll die Forderungen nach Grund und Betrag bezeichnen. Diese soll ferner einen Hinweis darauf enthalten, welche Forderungen bereits vor Eröffnung des Verfahrens festgesetzt worden waren und bei welchen Bestandskraft eingetreten ist (s. auch Tz. 6).

4.2 Begründetheit der Forderung im Eröffnungszeitpunkt

Im Unterschied zur Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsordnung stellt die Insolvenzordnung für die Einordnung der zum Verfahren anzumeldenden Ansprüche nunmehr nur noch auf den Zeitpunkt der Begründetheit ab (vgl. § 38 InsO). Auf die steuerrechtliche Entstehung der Forderung kommt es im Insolvenzverfahren demzufolge nicht mehr an. Daraus folgt, dass eine Abgabenforderung - unabhängig von der steuerrechtlichen Entstehung - immer dann als Insolvenzforderung i. S. von § 38 InsO anzusehen ist, wenn ihr Rechtsgrund zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits gelegt war.

Davon zu unterscheiden sind Forderungen an die Masse, die durch Maßnahmen des Verwalters bzw. des vorläufigen Verwalters (§ 55 InsO) begründet worden sind (vgl. Tz. 8).

Ist die Steuerforderung im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht gem. § 38 AO entstanden (z. B. Eröffnung im Laufe des Umsatzsteuer-Voranmeldungszeitraums), ist nur die zum Eröffnungszeitpunkt bereits begründete Teilsteuerforderung anzumelden. Der nach Eröffnung begründete Teil ist Masseanspruch.

Abgabenansprüche, die lediglich begründet sind, gelten im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung als fällig (vgl. § 41 InsO).

Beispiel 1

Die Umsatzsteuerforderung entsteht erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG). Dagegen ist sie bereits begründet, soweit die Leistung erbracht ist.

Beispiel 2

Der Vorsteuerrückforderungsanspruch (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) entsteht ebenfalls erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, ist aber zurzeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet, weil die Uneinbringlichkeit spätestens zu diesem Zeitpunkt bereits vorlag (vgl. BFH, BStBl 1987 II S. 226 und BStBl 1988 I S. 165).

Beispiel 3

Die Lohnsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt (§§ 38 Abs. 2, 41 a Abs. 1 EStG). Sie ist regelmäßig auch in diesem Zeitpunkt begründet i. S. von § 38 InsO, unabhängig davon, für welchen Zeitpunkt die Lohnzahlungen erfolgen.

Beispiel 4

Der Anspruch auf Rückforderung einer gewährten Investitionszulage ist vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, wenn das zulagebegünstigte Wirtschaftsgut vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zulageschädlich verwendet wurde (z. B. veräußert oder vom Anlagevermögen in Umlaufvermögen umqualifiziert).

Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter erfolgte zulagenschädliche Verwendung des Wirtschaftsgutes führt ebenfalls zu einer Insolvenzforderung. Der Rückforderungsanspruch war schon vor der Eröffnung begründet, weil das schuldrechtliche Verhältnis, aus dem später der Rückforderungsanspruch entstanden ist, zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits bestand.

Beispiel 5

Für die Kraftfahrzeugsteuer hat der BFH entschieden (BFH, VII B 89/97, BFH-NV 1998 S. 96), dass die auf Zeiträume nach der Verfahrenseröffnung (bzw. nach Wirksamwerden des allgemeinen Veräußerungsverbots bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters) entfallende Steuer zu den Masseverbindlichkeiten gehört (Aufteilung des Besteuerungszeitraums und Berechnung der Kraftfahrzeugsteuer nach Tagen).

Beispiel 6

Bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ist eine Zuordnung des steuerpflichtigen Gewinns auf einzelne Geschäftsvorfälle grundsätzlich nicht möglich. Die Abgabenschuld ist deshalb für die Zeiträume vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der in den einzelnen Abschnitten zu berücksichtigenden Besteuerungsmerkmale prozentual aufzuteilen (vgl. BFH, BStBl 1984 II S. 602). Entsprechendes gilt für die Gewerbesteuer.

4.3 Wirkung der Verfahrenseröffnung auf die Besteuerungszeiträume

Es ist - unbeschadet der Vorschriften über den Gewinnermittlungszeitraum gem. § 155 Abs. 2 InsO i. V. m. § 4 a EStG - weiterhin von den in den Steuergesetzen bestimmten Besteuerungszeiträumen auszugehen (vgl. z. B. § 25 EStG, § 49 KStG), die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen werden.

4.4 Nachrang der Abgabenansprüche nach § 39 InsO

Gegenüber den Insolvenzforderungen i. S. des § 38 InsO nachrangig bestimmte Ansprüche, die in § 39 InsO im Einzelnen benannt sind. Dazu gehören u. a. die bisher gem. § 63 KO ausgeschlossenen Forderungen, z. B. die ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung anfallenden Zinsen, soweit sie die Insolvenzforderungen betreffen, die Verfahrenskosten der Insolvenzgläubiger sowie die rückständigen Bußgelder und Zwangsgeldansprüche.

Säumniszuschläge auf Insolvenzforderungen sind nachrangige Forderungen i. S. des § 39 InsO, wenn sie auf den Zeitraum nach der Eröffnung des Verfahrens entfallen.

5 Geltendmachung der Abgabenansprüche durch Anmeldung

Vor der Insolvenzeröffnung begründete Abgabenansprüche können nicht mehr durch Festsetzung oder (Vor-)Anmeldung rechtswirksam werden (vgl. § 87 InsO). Ihre Geltendmachung erfolgt durch schriftliche Anmeldung zur Forderungstabelle, die schon im Gesamtvollstreckungsverfahren - nicht jedoch im Konkursverfahren - vom Verwalter zu führen ist. Nachrangige Insolvenzforderungen sind nur dann anzumelden, wenn das Insolvenzgericht hierzu besonders auffordert (vgl. § 174 Abs. 3 InsO). Die Tabelle wird im ersten Drittel des Zeitraums zwischen Anmeldungs- und Prüfungstermin (vgl. §§ 29 Abs. 1 Nr. 2, 175 S. 2 InsO) bei der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsichtnahme ausgelegt.

6 Bestreiten der angemeldeten Abgabenansprüche

Die Rechtslage unterscheidet sich im Ergebnis nicht von der KO und der GesO (vgl. §§ 146 KO, 11 GesO). Ist eine angemeldete Abgabenforderung nach Grund und Höhe im Prüfungstermin bestritten worden, so hat das Finanzamt

  • einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO zu erlassen oder

  • einen bereits anhängigen Rechtsstreit (Einspruchs- oder Klageverfahren) aufzunehmen bzw. die Rechtsbehelfsfrist in Lauf zu setzen.

Die Bearbeitung hängt wesentlich davon ab, ob der Anspruch tituliert oder nichttituliert ist (vgl. § 179 Abs. 2 InsO). Von einer ”Titulierung” im insolvenzgerichtlichen Sinne ist auszugehen, wenn vor Insolvenzeröffnung ein Bescheid bekannt gegeben oder eine Steueranmeldung abgegeben worden ist. Arrestanordnungen sind keine Titel i. S. des § 179 InsO.

6.1 Nichttitulierte Forderungen

Wird eine nichttitulierte Forderung bestritten, stellt das Finanzamt das Bestehen der Abgabenforderung durch Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO fest. Adressat ist der Bestreitende (Insolvenzverwalter oder -gläubiger). Gegen den Feststellungsbescheid ist der Einspruch gegeben (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO). Das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren richtet sich nach der Finanzgerichtsordnung.

6.2 Titulierte Forderungen

Wird eine titulierte Abgabenforderung vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger bestritten, obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen (vgl. § 179 Abs. 2 InsO). Es bleibt dem Finanzamt unbenommen, die Feststellung der Forderung im Wege des § 251 Abs. 3 AO selbst zu betreiben (vgl. BVerwG. NJW 1989, S. 314).

War der Steuerbescheid vor Eröffnung des Verfahrens noch nicht bestandskräftig und noch kein Rechtsbehelf eingelegt, ist der Lauf der Rechtsbehelfsfrist durch Eröffnung des Verfahrens unterbrochen. Das Finanzamt hat dem Bestreitenden die Aufnahme des Rechtsstreits zu erklären (vgl. analog § 240 ZPO). Mit der Bekanntgabe beginnt die durch die Verfahrenseröffnung unterbrochene Einspruchsfrist neu zu laufen. Legt der Bestreitende Einspruch gegen den Steuerbescheid ein, ist das Einspruchsverfahren nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen. Liegt nach Ablauf der Frist kein Einspruch vor, gilt die angemeldete Forderung mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist als festgestellt. Die Berichtigung der Tabelle ist beim Insolvenzgericht zu beantragen.

War der Steuerbescheid vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht bestandskräftig, aber vom Schuldner angefochten, ist das Rechtsbehelfsverfahren durch die Verfahrenseröffnung unterbrochen. Das Finanzamt fordert den Bestreitenden innerhalb einer angemessenen Frist auf, entweder den Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung zurückzunehmen oder den Rechtsstreit (in welchem er die gleichen Rechte wie der Schuldner hat) aufzunehmen. Nimmt der Bestreitende seinen Widerspruch nicht zurück und nimmt er auch den Rechtsstreit nicht auf, hat das Finanzamt das Einspruchsverfahren durchzuführen oder beim Finanzgericht die Fortführung des Klageverfahrens zu veranlassen. Dem Gericht ist dabei auch mitzuteilen, wer die Abgabenforderung im Prüfungstermin bestritten hat.

War die Abgabenforderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits bestandskräftig festgesetzt, wirkt die Bestandskraft auch gegen den Widersprechenden. Diesem obliegt die Verfolgung seines Widerspruchs. Dabei muss er das Verfahren in der Lage übernehmen, in der es sich bei der Eröffnung des Verfahrens befand. Erlässt das Finanzamt in diesen Fällen einen Feststellungsbescheid, ist lediglich festzustellen, dass die angemeldete Forderung bestandskräftig festgesetzt ist und Wiedereinsetzungsgründe und Korrekturvoraussetzungen (§§ 129 ff., 164, 165, 172 ff. AO) nicht vorliegen.

6.3 Auswirkung des Bestreitens auf das Stimmrecht

Zu beachten ist, dass bestrittene Ansprüche nicht ohne weiteres zur Abstimmung berechtigen (vgl. § 77 Abs. 2 InsO), so dass ggf. eine Entscheidung des Insolvenzgerichts herbeizuführen ist.

7 Aufrechnung im Insolvenzverfahren

War ein Gläubiger zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt, so kann die Aufrechnung auch noch im Verfahren erklärt werden (vgl. § 94 InsO). Auch im Eröffnungszeitpunkt bedingte und betagte (nicht fällige) Abgabenforderungen berechtigen noch im Verfahren zur Aufrechnung. Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). Bei der Prüfung ist die Fälligkeitsfiktion des § 41 InsO nicht anzuwenden.

Beispiel 1

Mit nicht festgesetzten Ansprüchen auf Rückforderung der Vorsteuer gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG, die das Finanzamt für den Voranmeldungszeitraum der Verfahrenseröffnung oder einen früheren Voranmeldungszeitraum zum Insolvenzverfahren angemeldet hat, kann mangels Festsetzung nicht gegen vor der Eröffnung entstandene Erstattungsansprüche aufgerechnet werden. Das Aufrechnungserfordernis der Fälligkeit lag für den Vorsteuerrückforderungsanspruch zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht vor (vgl. § 94 InsO).

Die Aufrechnungsmöglichkeiten sind negativ abgegrenzt. Nach § 96 InsO ist die Aufrechnung u. a. dann ausgeschlossen, wenn ein Steuererstattungsanspruch erst nach der Verfahrenseröffnung begründet wird (Masseforderung).

Beispiel 2

Eine vor der Verfahrenseröffnung fällige Umsatzsteuerforderung kann nicht gegen einen Lohnsteuererstattungsanspruch des Schuldners aufgerechnet werden, den dieser aufgrund seiner neuen Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer erlangt hat. Der Erstattungsanspruch, den der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erlangt, gehört zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO).

8 Masseverbindlichkeiten

Die durch die Handlungen des Verwalters begründeten Abgabenforderungen (sonstige Masseverbindlichkeiten) sind vorweg zu begleichen (§ 53 InsO). Abgabenansprüche können nur dann zu Masseverbindlichkeiten führen, soweit sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet werden (s. Tz. 4.2). Dazu gehören insbesondere

  • Umsatzsteuer auf Umsätze nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens,

  • Einkommensteuer/Körperschaftsteuer, die sich auf Einkünfte aus der Verwaltung oder der Verwertung der Masse gründet,

  • Gewerbesteuer bei Weiterführung des Gewerbebetriebs durch den Verwalter,

  • Lohnsteuer auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgezahlte Arbeitslöhne,

  • Kraftfahrzeugsteuer für den laufenden Entrichtungszeitraum ab der Verfahrenseröffnung und für alle danach beginnenden Entrichtungszeiträume,

  • Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist (§ 55 Abs. 2 S. 1 InsO) sowie

  • Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat (§ 55 Abs. 2 S. 2 InsO).

Die als Masseverbindlichkeiten entstehenden Abgabeansprüche sind durch Steuerbescheid geltend zu machen. Die Masse betreffende Verwaltungsakte können nicht durch die Bekanntgabe an den Schuldner wirksam werden. Bekanntgabeadressat ist in diesen Fällen vielmehr der Verwalter (vgl. Tz. 3). Der Verwalter ist verpflichtet, die entsprechenden Steuererklärungen oder Steueranmeldungen abzugeben (§ 34 Abs. 3 AO). Er ist dem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er durch eine Rechtshandlung eine Masseverbindlichkeit begründet, die aus der Masse nicht voll erfüllt werden kann und er bei der Begründung der Verbindlichkeiten erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde (§ 61 InsO).

Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht aus, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Die Rangfolge der Vorwegbefriedigung von Masseverbindlichkeiten weicht von den bisherigen Regelungen der §§ 13 Abs. 1 GesO und 57 ff. KO ab. Die InsO unterscheidet nicht mehr nach Masseschulden und Massekosten, sondern stellt die Kosten des Insolvenzverfahrens, das sind die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters sowie ggf. des Gläubigerausschusses, vor die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 209 i. V. m. § 54 InsO).

Für die so genannten Altmassegläubiger, deren Forderungen vor der Anzeige der Massenunzulänglichkeit entstanden sind, gilt ein gesetzliches Vollstreckungsverbot (§ 210 InsO).

9 Befriedigung der Insolvenzgläubiger

Die Insolvenzordnung sieht zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger grundsätzlich die Verwertung der Insolvenzmasse und die Verteilung des Erlöses nach den Vorschriften der Insolvenzordnung vor (§§ 159 ff., 187 ff. InsO). Abweichend dazu kann die Befriedigung der Gläubiger und die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten durch einen Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO) geregelt werden.

Die Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens (Stilllegung oder Fortführung, Verfahren nach den Vorschriften der InsO oder nach den Regelungen eines Insolvenzplanes) trifft die Gläubigerversammlung. Der Insolvenzverwalter hat die Gläubigerversammlung zuvor im Berichtstermin über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu unterrichten. Er hat darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden (§§ 156, 157 InsO).

9.1 Insolvenzplan

In einem Insolvenzplan, der vom Verwalter - ggf. im Auftrag der Gläubigerversammlung (§ 157 InsO) - oder vom Schuldner selbst eingebracht werden kann, können abweichend von den gesetzlichen Regelungen des Insolvenzverfahrens z. B. geregelt werden:

  • die Befriedigung der Gläubiger (einschließlich der Absonderungsgläubiger),

  • die Verwertung der Insolvenzmasse,

  • die Verteilung der Masse an die Beteiligten und

  • die Inanspruchnahme des Schuldners nach Verfahrensbeendigung.

Der Insolvenzplan kann in der Zielsetzung auf die Liquidation ebenso wie auf den Erhalt (Sanierung oder eine Veräußerung des gesamten Unternehmens oder eines Teils davon ausgerichtet sein. Der Plan gliedert sich in einen darstellenden Teil, der die beabsichtigten und erforderlichen Maßnahmen beschreibt und in einen gestaltenden Teil, in dem die Rechtsstellung der Beteiligten festgelegt wird. Über die Wirksamkeit eines Insolvenzplans stimmen die Gläubiger in Gruppen ab, soweit ihnen gem. § 77 InsO ein Stimmrecht im Verfahren eingeräumt ist (vgl. §§ 222, 235 ff. InsO).

Hat das Insolvenzgericht den Insolvenzplan nicht von Amts wegen zurückgewiesen (§ 231 InsO), leitet es diesen zur Stellungnahme an die Beteiligten weiter (Gläubigerausschuss, Schuldner, Verwalter). Das Finanzamt kann im Gläubigerausschuss Einfluss auf die Stellungnahme ausüben. Das Gericht bestimmt anschließend einen Erörterungs- und Abstimmungstermin, in dem der Insolvenzplan und das Stimmrecht der Gläubiger erörtert werden. Zu diesem Termin wird das Finanzamt schriftlich geladen. (§ 235 InsO). Um Kenntnis von einem eingebrachten Insolvenzplan zu erhalten und bei dessen Beratung und Annahme mitwirken zu können, ist die Einsichtnahme in den bei der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts ausgelegten Plan sowie die Teilnahme des Finanzamts an den anberaumten Terminen, ggf. auch die Mitwirkung in einem eingesetzten Gläubigerausschuss, notwendig.

9.2 Zustimmung des Finanzamts zu einem Insolvenzplan

Die Frage, ob das Finanzamt einem Insolvenzplan zustimmen soll oder nicht, ist grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Im Übrigen ist die Überlegung maßgeblich, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 245 InsO (Obstruktionsverbot) entsprechende Verfahrensregelungen vorgegeben hat. Somit sind Ermessensentscheidungen nach den §§ 163, 222, 227 AO unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Insolvenzordnung zu treffen.

Es ist zu beachten, dass die Bestätigung eines Insolvenzplanes häufig nicht nur im Interesse des Schuldners liegt. Auch die Gläubiger - und damit auch das Finanzamt - können unter Umständen an einem Insolvenzplan interessiert sein. Das wird z. B. dann der Fall sein, wenn bei Fortführung des Insolvenzverfahrens mit einer geringeren Quote als bei Durchführung eines Insolvenzplanes zu rechnen ist. Vor der Entscheidung der Frage, ob das Finanzamt einem Insolvenzplan zustimmen soll, ist also stets zu prüfen, ob die Bestätigung des Plans für den Steuergläubiger vorteilhaft erscheint.

Wird das Finanzamt durch den Insolvenzplan schlechter gestellt, als es bei der Fortführung des Insolvenzverfahrens gestellt wäre, hat es beim Insolvenzgericht spätestens im Abstimmungstermin die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplans zu beantragen. Gegen die ablehnende Entscheidung des Gerichts ist die sofortige Beschwerde zulässig (§ 253 InsO).

9.3 Wirkung des bestätigten Insolvenzplans

Auf die Abgabenforderungen, auf die sich der bestätigte Insolvenzplan bezieht, finden die Vorschriften der §§ 163, 222, 227 AO keine Anwendung mehr. Die im Insolvenzplan festgelegten Rechtswirkungen treten kraft Gesetzes (§ 254 Abs. 1 InsO) ein. Die Tatbestandsmerkmale ”Erlass” und ”Stundung” i. S. von § 255 InsO bezeichnen Verfahrensregelungen eigener Art. Soweit nach dem Insolvenzplan auf Abgabenforderungen zu verzichten ist, werden diese so genannten ”unvollkommenen” Forderungen. Sie sind zwar erfüllbar, dürfen aber gegenüber dem Schuldner nicht mehr geltend gemacht werden (Vollstreckungsverbot, Aufrechnungsverbot).

Da ein solcher Insolvenzerlass nur gegenüber dem Schuldner wirkt, können die aufgrund des Insolvenzplans nicht bedienten Abgabenforderungen etwaigen Haftungsschuldnern gegenüber geltend gemacht werden, soweit nicht ein Haftungsausschluss nach § 227 Abs. 2 InsO zur Anwendung kommt. § 191 Abs. 5 Nr. 2 AO ist nicht anwendbar.

Gerät der Schuldner mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand, wird die in dem gestaltenden Teil des Plans geregelte Insolvenzstundung bzw. der Insolvenzerlass - vorbehaltlich anders lautender Regelungen in dem Insolvenzplan - hinfällig (§ 255 InsO). Es ist daher grundsätzlich darauf zu drängen, dass der Plan die Wiederauflebensklausel nicht ausschließt.

Nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans hebt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf (§ 258 InsO).

10 Verbraucherinsolvenz-/vereinfachtes Insolvenzverfahren

Mit dem - im bisherigen Recht unbekannten - Verbraucherinsolvenzverfahren soll für natürliche Personen, die keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, eine Schuldenbereinigung in einem einfachen, flexiblen und die Gerichte wenig belastenden Verfahren erreicht werden. Das Verfahren gliedert sich in drei Abschnitte. Zunächst hat der Schuldner eine außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern ernsthaft anzustreben. Gelingt ihm dies nicht, wird auf seinen Antrag ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführt. Scheitert auch dieses, schließt sich ein vereinfachtes Insolvenzverfahren an.

10.1 Außergerichtlicher Einigungsversuch

Der Schuldner hat den Gläubiger und damit ggf. auch dem Finanzamt zum Zweck der außergerichtlichen Einigung z. B. ein Vermögensverzeichnis, eine Aufstellung seiner Verbindlichkeiten und Gläubiger und einen Plan zur Schuldenbereinigung vorzulegen.

Der außergerichtliche Einigungsversuch unterliegt der vollständigen Gestaltungsfreiheit der Gläubiger und des Schuldners. Das Finanzamt kann jedoch nur im Rahmen einer persönlichen Billigkeitsmaßnahme Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis abweichend festsetzen, stunden oder erlassen.

Ein aufgestellter und verhandelter Plan einer außergerichtlichen Regelung kann beinhalten:

  • Stundungen,

  • Ratenzahlungen,

  • (Teil-)Erlasse,

  • Folgen für die Nichterfüllung der im Plan festgelegten Bedingungen,

  • Vereinbarung für den Fall der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse,

  • Auflagen zur Offenbarung vorhandenen Vermögens und aller Schulden oder

  • Angaben zur rechtsgeschäftlichen Übertragung von Vermögen innerhalb der Anfechtungsfristen; ggf. Auflage der Einbeziehung dieses Vermögens.

Zu den vom Finanzamt zu beachtenden Grundsätzen bei der Bearbeitung von Anträgen auf außergerichtliche Schuldenbereinigung i. S. von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird auf das hingewiesen (AO-Handausgabe 2002, Anh. 21).

10.2 Schuldenbereinigungsverfahren

Scheitert der ernsthafte Versuch des Schuldners, eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen, so kann er die Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens nach den §§ 311 ff. InsO beantragen. Zum Nachweis des Scheiterns eines außergerichtlichen Einigungsversuchs ist eine Bescheinigung einer nach Landesrecht für die Schuldnerberatung vorgesehenen Person oder Stelle beim Insolvenzgericht vorzulegen (Vollstreckungskartei Insolvenzverfahren Karte 20 Anlage 2).

Der Versuch gilt als gescheitert, wenn ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, nach dem die Verhandlungen über eine außergerichtliche Schuldenbereinigung aufgenommen wurden (§ 305 a InsO).

Der Schuldner hat das Vorliegen eines Insolvenzgrundes darzutun. Da das Verfahren über das Vermögen einer natürlichen Person eröffnet werden soll, kommen als Insolvenzgründe die Zahlungsunfähigkeit und die drohende Zahlungsunfähigkeit in Betracht.

10.2.1 Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan

Mit einem Antrag auf Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens nach §§ 311 ff. InsO hat der Schuldner die in § 305 Abs. 1 InsO genannten Unterlagen und Erklärungen vorzulegen. Bei einem inhaltlich ordnungsgemäßen Antrag erklärt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan für ruhend (§ 306 Abs. 1 Satz 1 InsO). Das Insolvenzgericht stellt den vom Schuldner genannten Gläubigern den Schuldenbereinigungsplan und die Vermögensübersicht zur Stellungnahme binnen einer Notfrist von einem Monat zu (§ 307 Abs. 1 InsO).

Das Finanzamt hat die Verzeichnisse hinsichtlich der Abgabenrückstände und des aufgeführten Vermögens unter Beteiligung der Festsetzungsstelle zu überprüfen und bei Unvollständigkeit fristgerecht zu ergänzen.

Noch nicht festgesetzte oder angemeldete Steueransprüche, die bis zum Ablauf der Notfrist entstehen, sind erforderlichenfalls im Schätzungswege zu ermitteln. Gibt das Finanzamt innerhalb der Frist von einem Monat keine Stellungnahme ab, gilt dies nach § 307 Abs. 2 Satz 1 InsO als Einverständnis.

Die unterlassene Ergänzung der Abgabenforderungen hat - falls keine Wiedereinsetzungsgründe vorliegen - die Folge, dass nicht oder nicht in der richtigen Höhe geltend gemachte Forderungen nach § 308 Abs. 3 Satz 2 InsO erlöschen, wenn der Schuldenbereinigungsplan angenommen wird.

Der Schuldenbereinigungsplan gilt als angenommen, wenn

  • alle Gläubiger zugestimmt haben,

  • kein Gläubiger Einwendungen erhoben hat oder

  • die Zustimmung eines oder mehrerer Gläubiger nach § 309InsO ersetzt wird.

Die Zustimmung des Finanzamts (AO-Handausgabe 2002, Anh. 21) orientiert sich an den im dargestellten Grundsätzen zur außergerichtlichen Einigung.

Dabei ist zu beachten, dass akzessorische Sicherheiten (z. B. Zwangshypothek) erlöschen, wenn der Plan keine abweichende Regelung vorsieht. Erforderlichenfalls sind daher entsprechende Einwendungen gegen den Plan zu erheben.

Da bei Nichterfüllung des Plans eine Wiederauflebensklausel gesetzlich nicht vorgesehen ist, soll das Finanzamt in seiner Stellungnahme auf eine solche hinwirken.

Das Insolvenzgericht ersetzt die Zustimmung eines Gläubigers unter den Voraussetzungen des § 309 Abs. 1 InsO und hat dazu den Betroffenen zu hören. Eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung ist jedoch nach § 309 Abs. 2 InsO ausgeschlossen, wenn das Finanzamt glaubhaft macht, dass die Angaben des Schuldners im Schuldenbereinigungsplan dem Grunde oder der Höhe nach unrichtig sind und es deshalb nicht angemessen beteiligt wird.

Das Insolvenzgericht entscheidet über die Ersetzung durch Beschluss. Dagegen stehen dem Antragsteller und dem Gläubiger, dessen Zustimmung ersetzt wird, die sofortige Beschwerde zu (§ 309 Abs. 2 Satz 3 InsO).

Der angenommene Schuldenbereinigungsplan hat nach § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO die Wirkung eines (Prozess-)Vergleichs i. S. des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Hinsichtlich der Wirkung des Plans auf die Abgabenansprüche vgl. Tz. 9.3.

§ 308 Abs. 3 InsO stellt im Interesse des Gläubigerschutzes klar, dass Gläubiger, die keine Möglichkeit der Mitwirkung an dem Schuldenbereinigungsplan hatten, keinen Rechtsverlust erleiden. Dies ist allerdings nur denkbar, wenn dem Finanzamt kein Schuldenbereinigungsplan zur Stellung zugestellt wurde. Allerdings kann sich der Gläubiger nicht der Wirkung des Schuldenbereinigungsplans durch eine unvollständige Forderungsaufstellung, unterlassene oder unzureichende Nachbesserung des Schuldenbereinigungsplans entziehen.

Scheitert der Schuldenbereinigungsplan aufgrund von Einwendungen der Gläubiger, die nicht nach § 309 InsO ersetzt werden können (z. B. bei nicht angemessener Beteiligung des Finanzamts im Rahmen der Schuldenbereinigung oder wirtschaftlicher Benachteiligung), wird das bisher ruhende Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 311 InsO wieder aufgenommen. Ein erneuter Antrag des Schuldners ist nicht erforderlich.

Soweit ein Gläubiger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt und der Schuldner keinen Eigenantrag nachreicht (§ 306 Abs. 3 InsO), findet ein Schuldenbereinigungsplan nicht statt. In diesem Fall ist - wie im Fall des Scheiterns des Schuldenbereinigungsverfahrens - ein vereinfachtes Insolvenzverfahren durchzuführen.

10.2.2 Durchführung des vereinfachten Verfahrens

Grundsätzlich finden die Bestimmungen der Insolvenzordnung auch im vereinfachten Verfahren Anwendung. Das Insolvenzgericht bestellt einen Treuhänder, der die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO) und bei dem auch die Abgabenansprüche anzumeiden sind (vgl. Tz. 4). Der Treuhänder hat zwar nur eingeschränkte Befugnisse, ist jedoch für die Dauer des Insolvenzverfahrens als Vertreter des Schuldners i. S. von §§ 34, 35 AO anzusehen (vgl. § 313 Abs. 1 InsO). Das Finanzamt hat daher Verwaltungsakte nur dem Treuhänder bekannt zu geben.

Anders als im Regelinsolvenzverfahren sind im Verbraucherinsolvenzverfahren grundsätzlich die Insolvenzgläubiger zur Anfechtung von Rechtshandlungen berechtigt (§ 313 Abs. 2 Satz 1 InsO). Das im Rahmen der Anfechtung Erlangte fällt in die Masse. Da der Anfechtungsanspruch mit Wirkung für alle Gläubiger geltend zu machen ist, ist ein Duldungsbescheid nicht zulässig. Der Anspruch ist auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen. Nach § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO kann aber auch die Gläubigerversammlung - in nach dem eröffneten Verfahren - den Treuhänder mit der Anfechtung beauftragen.

Im vereinfachten Verfahren ausdrücklich ausgeschlossen sind die Regelungen über den Insolvenzplan und die Eigenverwaltung (§ 312 Abs. 3 InsO). Auf Antrag des Treuhänders kann das Insolvenzgericht anordnen, dass von einer Verwertung der Insolvenzmasse ganz oder teilweise abgesehen wird (§ 314 Abs. 1 Satz 1 InsO). In diesem Fall gibt das Insolvenzgericht dem Schuldner auf, binnen einer festgesetzten Frist einen dem Wert der Teilungsmasse entsprechenden Betrag an den Treuhänder zu zahlen.

Nach § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO ist der Treuhänder nicht zur Verwertung von Gegenständen berechtigt, an denen Pfandrechte oder andere Absonderungsrechte bestehen. Das Finanzamt hat somit das Recht, die Verwertung dieser Gegenstände selbst durchzuführen (§ 313 Abs. 3 Satz 2 InsO).

Wie im Anschluss an das reguläre Insolvenzverfahren besteht auch im vereinfachten Verfahren - auf Antrag des Schuldners - die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO.

11 Restschuldbefreiung

An das Insolvenzverfahren (Unternehmens- und Verbraucherinsolvenz) schließt sich das Verfahren der Restschuldbefreiung an, wenn der Schuldner eine natürliche Person ist und er die Restschuldbefreiung mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden hat. Wurde der Antrag auf Restschuldbefreiung nicht mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis des Insolvenzgerichts auf die Restschuldbefreiung zu stellen. Dieses dem bisherigen Konkursrecht unbekannte Verfahren beinhaltet, dass der redliche Schuldner für einen Zeitraum von sechs Jahren (Übergangsregelung in Art. 107 EGInsO für bereits am zahlungsunfähige Schuldner: fünf Jahre) den pfändbaren Teil seiner Bezüge sowie die Hälfte des durch Erbfall erlangten Vermögens an seinen Treuhänder abtreten bzw. herausgeben muss (vgl. §§ 287 Abs. 2, 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Darüber hinaus hat der Schuldner sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen, jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle anzuzeigen und Zahlungen ausschließlich an den Treuhänder zu leisten (vgl. § 295 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 InsO). Der Treuhänder kehrt das Erlangte jährlich nach der im Schlussverzeichnis festgelegten Quote an die Gläubiger aus (vgl. § 292 Abs. 1 Satz 2 InsO).

Das Finanzamt hat zu prüfen, ob nach § 290 Abs. 1 InsO ein Grund vorliegt, die Restschuldbefreiung zu versagen und dies ggf. beim Insolvenzgericht zu beantragen. Es hat insbesondere festzustellen, ob der Schuldner zur Vermeidung von Steuerzahlungen in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach dem Antrag schuldhaft schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen von Anträgen auf Vollstreckungsaufschub, in Vermögensverzeichnissen, Erlass- und Stundungsanträgen oder Steuererklärungen gemacht hat (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

Nach Ablauf der sechsjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung hat das Finanzamt in geeigneten Fällen die Rechnungslegung des Treuhänders auf Schlüssigkeit zu prüfen. Eine solche Prüfung ist insbesondere in den Fällen erforderlich, in denen der Schuldner während des Restschuldbefreiungsverfahrens kein Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist, sondern eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat (vgl. § 295 Abs. 2 InsO). Das Finanzamt wird die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen, wenn eine der Fallgestaltungen der §§ 290, 297 InsO vorliegt oder eine Obliegenheitsverletzung gem. § 295 InsO aufgrund der Rechnungslegung feststellbar ist.

Erteilt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung, wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Das Finanzamt kann die dem Verfahren zugrunde liegenden Abgabenforderungen nicht mehr gegen den Schuldner geltend machen. Es besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit, Haftungs- oder sonstige Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen (vgl. § 301 Abs. 2 InsO).

12 Eigenverwaltung

Auf Antrag des Schuldners oder eines berechtigten Gläubigers kann das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung der Insolvenzmasse unter der Aufsicht eines Sachwalters anordnen, wenn dadurch nicht Gläubigerinteressen beeinträchtigt werden (z. B. durch Verfahrensverzögerung). Die Eigenverwaltung soll dem Schuldner einen Anreiz zur rechtzeitigen Antragstellung bieten. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, interne Unternehmenskenntnisse für die Zwecke der Insolvenz zu erhalten und zu nutzen.

Die insolvenzrechtlichen Vorschriften bleiben durch die Eigenverwaltung - von wenigen Ausnahmen abgesehen - unberührt. Im Grunde sind nur Befugnisse des Insolvenzverwalters auf den Schuldner selbst zu übertragen. Die Eigenverwaltung kann auf Antrag der Gläubigerversammlung oder eines Gläubigers, der entsprechende Gründe glaubhaft zu machen hat, aufgehoben werden (vgl. § 272 InsO).

Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren (z. B. die Veranlagungszeiträume) ergeben sich durch die Anordnung der Eigenverwaltung nicht. Da der Schuldner im Fall der Eigenverwaltung jedoch selbst rechtsgeschäftlich mit Verfügungsbefugnis handeln kann, der Sachwalter demgegenüber nur Kontroll- und Aufsichtspflichten ausübt, ist der Schuldner selbst steuerlich als Vertreter der Insolvenzmasse i. S. von §§ 34, 35 AO anzusehen. Informatorische Mitteilungen und gegen die Masse wirksame Steuerbescheide sind daher ihm als Bekanntgabeadressat zuzusenden.

Das bisherige Karteiblatt Anhang D Karte 1 (Kontroll-Nr.1358) ist auszusondern.

OFD Hannover v. - S 0550 - 2744 - StH 462 S 0550 - 470 - StO 321

Fundstelle(n):
GAAAA-80831