Online-Nachricht - Donnerstag, 11.02.2021

Gewerbesteuer | Keine Hinzurechnung von Schuldzinsen (BFH)

Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsinstitut, das ausschließlich staatlich nach dem KWG beaufsichtigte Finanzdienstleistungen erbringt, vom Mitunternehmer geleistet werden, sind nach § 19 Abs. 4 GewStDV von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG ausgenommen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus Entgelten für Schulden wieder hinzugerechnet, soweit diese bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden waren und soweit der Betrag 100.000 € übersteigt. Nach § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (StEUVUmsG) v. (BGBl I 2010, 386) unterbleibt jedoch eine Hinzurechnung von Schuldentgelten bei Finanzdienstleistungsinstituten i.S. von § 1 Abs. 1a KWG, soweit die Entgelte unmittelbar auf Finanzdienstleistungen i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG entfallen. Die Regelung findet nach § 36 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 GewStDV i.d.F. des StEUVUmsG rückwirkend bereits für den Erhebungszeitraum 2008 Anwendung.

Sachverhalt: Die M KG führte in den Jahren 2009 bis 2013 ausschließlich Finanzierungsleasing und damit Finanzdienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 des Kreditwesengesetzes (KWG) durch. Sie hatte eine aus mehreren Grundstücken bestehende Immobilie an einen Vertragspartner verleast. In den Jahren 2009 bis 2013 bestand eine stille Beteiligung der L GmbH & Co. KG (L KG) an der M KG. Die L KG hatte ihre Einlage zum Teil fremdfinanziert. Die Darlehensverbindlichkeit der L KG lautete ursprünglich auf 25.100.000 € und erhöhte sich jährlich um die geschuldeten Zinsen (Zinssatz 5,2 %). Die Zinsaufwendungen der L KG machte die M KG im Rahmen der von ihr abgegebenen Gewinnfeststellungserklärungen erfolgreich als Sonderbetriebsausgaben der L KG geltend.

Nach Durchführung einer Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2012 bei der Klägerin ging der Prüfer davon aus, dass eine Hinzurechnung der von der L KG zur Finanzierung ihrer Einlage bei der M KG gezahlten Schuldentgelte nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG zu erfolgen habe. Der Ausnahmetatbestand nach § 19 GewStDV liege nicht vor, da die Entgelte nicht unmittelbar auf Finanzdienstleistungen i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG entfielen.

Der BFH führt aus:

  • Hätte im Streitfall eine typisch stille Beteiligung der L KG an der M KG vorgelegen, so hätte dies gewerbesteuerlich entlastende wie auch belastende Wirkungen. Da die belastenden Wirkungen die entlastenden Wirkungen jedoch überstiegen, wäre die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden.

  • Handelte es sich bei der Beteiligung der L KG an der M KG um eine atypisch stille Beteiligung, wäre das Darlehen zur Finanzierung dieser Beteiligung passives Sonderbetriebsvermögen II der L KG bei der atypisch stillen Gesellschaft. Die Zinsen wären wie auch von der Klägerin und dem FA gehandhabt als Sonderbetriebsausgaben der L KG zu behandeln und würden den Gewerbeertrag des Betriebs der atypisch stillen Gesellschaft mindern.

  • Die Zinsen wären dem Gewerbeertrag nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hinzuzurechnen. Denn sie erfüllen die Voraussetzungen der Privilegierung durch § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV.

  • Der Wortlaut des § 19 Abs. 4 GewStDV erfasst auch Schuldentgelte aus dem Sonderbetriebsvermögen, die der Finanzierung eines Darlehens dienen, mit dem eine Einlage bei einem als atypisch stille Gesellschaft organisierten Finanzdienstleistungsinstitut finanziert wird, das wie für den Streitfall von dem FG festgestellt ausschließlich Finanzdienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG erbringt.

Anmerkung von Walter Bode, Richter im IV. Senat des BFH:

Die Entscheidung des BFH zu § 19 Abs. 4 GewStDV spielt zwei Varianten für die Lösung des Falles durch, deren Bedeutung das FG nicht erkannt und deshalb nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen hatte. Ob die streitbefangenen Schuldentgelte, die eine still an der M-KG (diese führt in den Streitjahren ausschließlich Finanzierungsleasing und damit Finanzdienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG durch) beteiligte L KG für die teilweise Fremdfinanzierung ihrer Einlage bezahlt hatte, nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb der M-KG hinzurechnen waren, hängt davon ab, ob eine typisch stille oder eine atypische stille (mitunternehmerische) Beteiligung der L-KG vorlag.

Hätte ein typisch stille Beteiligung vorgelegen, würden die streitbefangenen Schuldzinsen den Gewerbeertrag nicht mindern, weil eine solche Beteiligung „wie eine Kapitalforderung“ behandelt wird und deshalb keine Schuldentgelte als Sonderbetriebsausgaben dem Gewerbeertrag hätten hinzugerechnet werden können, andererseits wäre der bisher berücksichtigte Betriebsausgabenabzug bei der M-KG ausgeschlossen und es wäre auch noch die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG vorzunehmen gewesen – im Streitfall eine Verschlechterung für die M-KG, der allerdings das Verböserungsverbot entgegenstehen würde.

Hätte hingegen eine atypisch stille Beteiligung vorgelegen, minderten die streitbefangenen Zinsen den Gewerbeertrag des Betriebs der atypisch stillen Gesellschaft, weil das der L-KG gewährte Darlehen passives Sonderbetriebsvermögen II wäre mit der Folge, dass die Zinsen als Sonderbetriebsausgaben zu behandeln wären, die nach Ansicht des BFH wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV nicht dem Gewerbeertrag der M-KG hinzuzurechnen wären.

Dabei hat der BFH die Voraussetzungen der Privilegierung nach § 19 Abs. 4 Satz 1 GewStDV weit interpretiert. Es sollen nicht nur Schuldentgelte privilegiert sein, die einer konkreten Finanzdienstleistung zugeordnet werden können. Vielmehr entfallen Schuldentgelte auch dann unmittelbar auf Finanzdienstleistungen, wenn ein notwendiger Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzins und privilegierter Finanzdienstleistung besteht. Danach sind auch Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsinstitut, das ausschließlich staatlich nach dem KWG beaufsichtigte Finanzdienstleistungen erbringt, vom Mitunternehmer geleistet werden, nach § 19 Abs. 4 GewStDV von der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG ausgenommen.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB NAAAH-70969