Online-Nachricht - Donnerstag, 27.08.2020

Körperschaftsteuer | Besteuerung von Streubesitzdividenden verfassungsgemäß (BFH)

§ 8b Abs. 4 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung des v. (BGBl I 2013, 561, BStBl I 2013, 344) sowie § 9 Nr. 2a GewStG i.d.F. des UntStRefG 2008 v. (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) sind mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Der Fall betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Streubesitzdividenden gemäß § 8b Abs. 4 KStG in der Fassung des EuGH-Umsetzungsgesetzes v. und - als Annex - gemäß § 9 Nr. 2a GewStG. Der zur Umsetzung des in § 8b KStG eingefügte Absatz 4 (anzuwenden auf Bezüge, die nach dem zufließen, § § 34 Abs. 7a Satz 2 KStG) sieht abweichend von § 8b Abs. 1 und Abs. 5 KStG die vollständige Berücksichtigung beispielsweise von Dividendeneinkünften einer Kapitalgesellschaft vor, wenn die Beteiligung weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt, während bei Beteiligungen von mindestens 10 % solche Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens lediglich i.H.v. 5 % anzusetzen sind. Die bereits zuvor bestehende Regelung in § 9 Nr. 2a GewStG führt dazu, dass erst bei einer Beteiligung von mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals Gewinne aus der Beteiligung zu kürzen sind, während sie bei einer Beteiligung unter 15 % der Gewerbesteuer unterliegen.

Sachverhalt: Die Klägerin war im Jahr 2013 an einer inländischen Kapitalgesellschaft zu weniger als 10 % beteiligt. Ihre Dividendeneinnahmen aus dieser Beteiligung unterlagen in vollem Umfang und nicht nur mit einem Anteil von 5 % sowohl der Körperschaftsteuer wie der Gewerbesteuer. Hiergegen richtete sich die Klage. Streitig war die Frage der Verfassungsmäßigkeit der maßgeblichen Vorschriften. Das FG Hamburg hat § 8b Abs. 4 KStG und § 9 Nr. 2a GewStG für verfassungskonform erachtet (, s. hierzu Karrenbrock/Engelhardt, ).

Der BFH ist ebenfalls der Ansicht, dass weder § 8b Abs. 4 KStG noch § 9 Nr. 2a GewStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen:

  • § 8b Abs. 4 KStG durchbricht im Sinne einer nicht folgerichtigen Ausgestaltung die in § 8b Abs. 1 KStG zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu besteuern und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen.

  • Diese Durchbrechung ist nach der Überzeugung des Senats verfassungsrechtlich gerechtfertigt

  • Die Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage zur Abgrenzung der Besteuerungshoheiten der betroffenen Fisci ist als hinreichender Rechtfertigungsgrund im Sinne eines qualifizierten Fiskalzwecks anzusehen, auch wenn im Gesetzgebungsverfahren die Frage der Haushaltskonsolidierung im Vordergrund gestanden haben mag.

  • Der Gesetzgeber hat sich insoweit auf die Stellungnahme des Bundesrates zum JStG 2013 gestützt, die Steuerbefreiung für Streubesitzdividenden auf das EU-rechtliche Minimum zu begrenzen. Eine vollständige Steuerfreistellung auch für Gesellschaften mit Sitz in anderen EU /EWR-Staaten wäre über die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie hinausgegangen.

  • Die Mutter-Tochter-Richtlinie verlangt lediglich bei einer Mindestbeteiligung von 10 % eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle für von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttete Gewinne, auch wenn damit lediglich Mindestanforderungen formuliert sind, die die Möglichkeit offen lassen, auch bei einer niedrigeren Beteiligungsquote vom Steuerabzug an der Quelle abzusehen.

  • Das FG hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass eine innerstaatliche Regelung mit einer vollständigen Befreiung vom Steuerabzug unabhängig von der Beteiligungsquote bei ausländischen Beteiligten häufig nicht deren Steuerlast mindern, sondern lediglich dem Ansässigkeitsstaat dieser Beteiligten die Anrechnung der in Deutschland einbehaltenen Kapitalertragsteuer auf die dortige Steuer ersparen und damit auch die Möglichkeit eines Quellensteuerabzugs entsprechend Art. 10 Abs. 2 OECD MustAbk und entsprechender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) obsolet machen würde.

  • Der Gesetzgeber hätte zwar mit einer vollständigen Steuerfreistellung auch für Anteilseignerkörperschaften mit Sitz in anderen EU /EWR-Staaten die zuvor in § 8b Abs. 1, Abs. 2 KStG zum Ausdruck gekommene Grundentscheidung weiterführen und damit den Anforderungen des EuGH entsprechen können. Dies würde jedoch der Abgrenzung der Besteuerungsrechte sowohl nach Maßgabe der Mutter-Tochter-Richtlinie als auch der Art. 10 Abs. 2 OECD MustAbk entsprechenden Regelungen in den jeweils einschlägigen DBA widerstreiten.

  • Aus Sicht des Senats steht es dem Gesetzgeber in einer solchen Situation frei, den beschriebenen Zielkonflikt unter Einbeziehung von Streubesitzdividenden in die Steuerpflicht aufzulösen.

  • Dies gilt entsprechend für § 9 Nr. 2a GewStG, der ebenfalls mit der Verfassung vereinbar ist.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
ZAAAH-56881