Online-Nachricht - Donnerstag, 30.07.2020

Einkommensteuer | Abgeltungsteuer und § 35a EStG (BFH)

Die gemäß § 32d Abs. 3 und 4 EStG veranlagte und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegende Einkommensteuer kann nicht nach § 35a EStG ermäßigt werden (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist, ob Steuerermäßigungen nach § 35a EStG die Steuer, die sich aus der Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG ergibt, mindern: Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2014 u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Die Summe ihrer Einkünfte sowie das zu versteuernde Einkommen waren negativ. Daneben erzielte die Klägerin positive Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ein Teil dieser Einkünfte unterlag dem Kapitalertragsteuerabzug gem. § 43 EStG. Im Übrigen sind sie gem. § 32d Abs. 3 EStG in die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin mit dem gesonderten Steuertarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG eingegangen.

In ihrer Steuererklärung machte die Klägerin Aufwendungen für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen im Privathaushalt i.H.v. 25.379 €, für haushaltsnahe Dienstleistungen i.H.v. 424 € und für Handwerkerleistungen i.H.v. 6.482 € geltend. Zudem beantragte sie die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge sowie eine Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge.

Das FA veranlagte die Klägerin ohne Berücksichtigung von Steuerermäßigungen gemäß § 35a EStG zur ESt. Die Günstigerprüfung habe ergeben, dass die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif nicht günstiger sei. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe nach § 35a EStG ein Ermäßigungsbetrag i.H.v. von 5.200 € zu. Bei der Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer sei dieser Betrag im Wege der Kürzung zu berücksichtigen.

Dem folgten die Richter des BFH nicht (zur Vorinstanz s. Seifert, ):

  • Die Klägerin kann die Steuerermäßigung nach § 35a EStG nicht beanspruchen. Zwar hat sie im Streitfall Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen getätigt. Eine Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer kommt dennoch nicht in Betracht.

  • Die gemäß § 32d Abs. 3 und 4 EStG "veranlagte" und dem gesonderten Tarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegende Einkommensteuer ist nicht (Bestand-)Teil der tariflichen Einkommensteuer.

  • Vielmehr ist diese um die Einkommensteuer auf Kapitalerträge gemäß § 32d EStG zu erhöhen (§ 32d Abs. 3 Satz 2 EStG). Dem entspricht die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer in § 2 Abs. 6 EStG.

  • Danach ist die tarifliche Einkommensteuer u.a. um Steuerermäßigungen zu vermindern und um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu vermehren.

  • Daraus wird deutlich, dass die auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallende, gesondert zu ermittelnde Steuer nicht der tariflichen Einkommensteuer zugehört, sondern lediglich eine Maßgröße für die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer ist.

  • In die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif und damit in die tarifliche Einkommensteuer gehen Einkünfte aus Kapitalvermögen nur im Rahmen der sogenannten Günstigerprüfung ein (§ 32d Abs. 6 EStG).

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Bereits mit (BStBl II 2009, 411) hat der BFH entschieden, dass eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG nicht in Betracht kommt, wenn die tarifliche Einkommensteuer 0 € beträgt. Entsteht infolge dessen ein sog. Anrechnungsüberhang (nach § 35a EStG nicht ausgeschöpfter Ermäßigungsbetrag), kann der Steuerpflichtige weder die Festsetzung einer negativen Einkommensteuer in Höhe dieses Anrechnungsüberhangs noch die Feststellung einer rück- oder vortragsfähigen Steuerermäßigung beanspruchen. Der nicht ausgeschöpfte Ermäßigungsbetrag geht vielmehr verloren.

Da gemäß § 11 Abs. 2 EStG auf die Verhältnisse im Veranlagungszeitraum (VZ) der Zahlung abzustellen ist ( BStBl I 2016, 1213, Tz 44), hat der Steuerpflichtige jedoch die Möglichkeit durch Teilzahlung oder Zahlungsstreckung einmalige, höhere Aufwendungen auf zwei VZ zu verteilen und dadurch Anrechnungsüberhänge zu vermeiden. Zur vom allgemeinen Abflussprinzip abweichenden Berücksichtigung entsprechender (wiederkehrender) Aufwendungen von Mietern und Wohnungseigentümern siehe BStBl I 2016, 1213, Tz 44 sowie , rkr).

Zu der Frage in welchem VZ die Steuerermäßigung unter Berücksichtigung des Zufluss-/Abflussprinzips von einem Mieter geltend gemacht werden kann, ist nunmehr auch ein Revisionsverfahren anhängig (BFH-Az. VI R 24/20). Zudem soll ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen i.S. von § 35a EStG für eine von ihm angemietete Wohnung auch "nachträglich" (im Wege der Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) geltend machen können, wenn ihm die Betriebskostenabrechnung der Verwaltungsgesellschaft erst nach Eintritt der Bestandskraft des entsprechenden Bescheides zugestellt wird. Vor Übersendung dieser "Rechnung", deren Erhalt nach § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG ist, besitzt der Steuerpflichtige weder positive Kenntnis von der Entstehung gemäß § 35a EStG begünstigter Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach, noch kennt er die Art der zugrunde liegenden Tätigkeiten (, rkr.).

Quelle: ; NWB

Fundstelle(n):
NWB DAAAH-54580