Online-Nachricht - Donnerstag, 26.03.2020

Einkommensteuer | Krankheitskosten aufgrund eines Wegeunfalls (BFH)

Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Unfall auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind, können gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abgezogen werden. Sie werden von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale nicht erfasst. Diese erstreckt sich nur auf fahrzeug- und wegstreckenbezogene Aufwendungen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin erlitt durch einen Verkehrsunfall auf dem Weg von ihrer ersten Tätigkeitsstätte nach Hause erhebliche Verletzungen. Sie machte die hierdurch verursachten Krankheitskosten, soweit sie nicht von der Berufsgenossenschaft übernommen wurden, als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Finanzamt und Finanzgericht der ersten Instanz (, s. hierzu NWB 33/2018 S. 2376) ließen den Werbungskostenabzug nicht zu.

Der BFH erkannte die unfallbedingten Krankheitskosten hingegen als Werbungskosten an:

  • Zwar sind durch die Entfernungspauschale grundsätzlich sämtliche fahrzeug- und wegstreckenbezogene Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind.

  • Dies gilt auch für Unfallkosten, soweit es sich um echte Wegekosten handelt (z.B. Reparaturaufwendungen).

  • Andere Aufwendungen, insbesondere Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Wegeunfall zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind, werden von der Abgeltungswirkung dagegen nicht erfasst.

  • Solche beruflich veranlassten Krankheitskosten können daher neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten abgezogen werden.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Der Werbungskostenabzug von Unfallkosten neben der Entfernungspauschale ist ein steuerlicher Dauerbrenner. Die Finanzbehörden berücksichtigen Aufwendungen für die Beseitigung von Unfallschäden bei einem Verkehrsunfall, der sich auf der Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ereignet, im Grundsatz als außergewöhnliche Aufwendungen im Rahmen der allgemeinen Werbungskosten nach § 9 Absatz 1 Satz 1 EStG neben der Entfernungspauschale und zwar auch dann, wenn der Steuerpflichtige

  • auf einer Umwegfahrt zum Betanken des Fahrzeugs,

  • unter einschränkenden Voraussetzungen auf einer Leerfahrt des Ehegatten/Lebenspartners zwischen der Wohnung und der Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels oder auf der Abholfahrt des Ehegatten/Lebenspartners verunfallt ( BStBl 1987 II S. 818 sowie BStBl 1993 II S. 518).

  • Entsprechendes gilt bei einer Umwegstrecke zur Abholung der Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft unabhängig von der Gestaltung der Fahrgemeinschaft (H 9.10 LStH 2019; BStBl I 2013, 1376 Tz 4).

Trotz dieser eindeutigen Weisungslage ist der dahingehende Werbungskostenabzug streitbefangen (zuletzt , rkr. und ; im Revisionsverfahren haben die Verfahrensbeteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Daraufhin wurde dem Finanzamt die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt und die Kosten des Klageverfahrens dem Finanzamt zu 91 % und dem Kläger zu 9 %. Das Urteil des Sächsischen FG ist gegenstandslos, , nicht dokumentiert). Das ist für den Steuerpflichtigen misslich. Denn wegen der anderslautenden Rechtsprechung des BFH, nach der durch die Entfernungspauschalen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG) "sämtliche Aufwendungen" und damit auch außergewöhnlicher Aufwand - wie Reparaturaufwendungen infolge der Falschbetankung eines PKW (, BStBl II 2014, 849) - abgegolten sind, ist er insoweit auf den "goodwill" der Finanzbehörden angewiesen

Daran ändert sich durch die Besprechungsentscheidung nichts. Denn der BFH hat darin deutlich gemacht, dass er an seiner „Abgeltungsrechtsprechung“ betreffend die Aufwendungen, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind, auch im Hinblick auf Unfallkosten festhält. Der Lohnsteuersenat hat aber auch verdeutlicht, dass von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale nur echte Wege bzw. Fahrtkosten erfasst werden.

Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden gehören hierzu jedoch nicht. Entsprechendes gilt für andere nicht fahrzeug- oder wegstreckenbezogene Schäden anlässlich eines Unfalls, etwa Aufwendungen für bürgerliche Kleidung, eine Brille o.ä.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB XAAAH-45351