Bekanntgabe eines Erbschaftsteuerbescheids an den Steuerpflichtigen bei vom Berater erstellter Steuererklärung und beim Finanzamt
nicht angekommener Empfangsvollmacht
keine „unrichtige” Rechtsbehelfsbelehrung oder Nichtigkeit eines bestandskräftig gewordenen Erbschaftsteuerbescheids infolge
– nach Auffassung des Steuerpflichtigen –missverständlicher Bescheiderläuterungen und unterbliebener Berücksichtigung von
Nachlassverbindlichkeiten
keine Nichtigkeit infolge Rechtsfehler
Leitsatz
1. Hat der Bevollmächtigte in der von ihm erstellten Erbschaftsteuererklärung in den dafür vorgesehenen Feldern keine Eintragungen
zur Bekanntgabe gemacht und ist die von ihm angeblich vorab übersandte Empfangsvollmacht beim Finanzamt nicht angekommen,
durfte das Finanzamt den Erbschaftsteuerbescheid zulässigerweise dem Steuerpflichtigen persönlich bekanntgeben, wenn das Finanzgericht
auch nach einer Beweisaufnahme unter anderem aufgrund zweifelhafter Angaben der Mitarbeiter des Bevollmächtigten sich nicht
davon überzeugen kann, dass die Empfangsvollmacht beim Finanzamt tatsächlich eingegangen und dort verloren gegangen ist.
2. Es bestehen Zweifel an den Angaben der Mitarbeiter des Bevollmächtigten, wenn sie unter anderem ihre Mandatierung gegenüber
den zuständigen Einkommensteuerfinanzämtern durch Einschreiben mit Rückschein bzw. per persönlichem Kurier mitgeteilt haben,
während sie sich für die streitige Empfangsvollmacht gegenüber dem für Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt für den Versand
durch lediglich einfachen Brief entschieden haben wollen und wenn sie die ihnen vom Steuerpflichtigen erteilte Originalvollmacht
nicht mehr vorlegen können, weil sie eventuell versehentlich an ein anderes Finanzamt verschickt worden sei.
3. Das Fehlen einer Empfangsvollmacht wird nicht dadurch ersetzt, dass das Finanzamt zuvor in der Sache mit dem früheren Bevollmächtigten
des Steuerpflichtigen schriftlich korrespondiert hat. Die Bevollmächtigung zur Bearbeitung der Steuerangelegenheiten eines
Mandanten beinhaltet nicht zwangsläufig auch die Erteilung einer Empfangsvollmacht. Das Finanzamt darf im Rahmen seines Auswahlermessens
nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO den Steuerpflichtigen als Bekanntgabeadressaten wählen, wenn ihm keine ausdrückliche oder auslegungsbedürftige
Empfangs- und Bekanntgabevollmacht zugunsten der aktuell oder früher vom Steuerpflichtigen bevollmächtigten Kanzlei vorgelegen
hat.
4. Ist der erstmalige Erbschaftsteuerbescheid vorläufig „bezüglich noch anzusetzender Prüfungsfeststellungen der Steuerfahndung”
ergangen, ergeht nach Vorliegen des Berichts der Steuerfahndung ein insoweit nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO endgültiger Änderungsbescheid,
der rechtsfehlerhaft auf Steuerhinterziehungen zurückzuführende erhebliche Einkommensteuerverbindlichkeiten der Erblasserin
nicht als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt und die Erläuterungen „Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom … Der Bescheid
entspricht der Erörterung mit ihrem steuerlichen Berater. Auf die Anlage zu diesem Bescheid (Steuerfahndungsbericht) wird
hingewiesen…” enthält, so ist bei einem erst nach Ablauf der regulären Einspruchsfrist eingelegten Einspruch weder von einer
Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO noch von einer – zu einer unverschuldeten Versäumnis
der Einspruchsfrist führenden – unzureichenden Begründung des Bescheids oder von einer Nichtigkeit des Änderungsbescheids
auszugehen, wenn sowohl in der vom Bevollmächtigten erstellten Erbschaftsteuererklärung als auch im Bericht der Steuerfahndung
oder auch im ursprünglichen wie im geänderten Erbschaftsteuerbescheid die auf die Steuerhinterziehungen der Erblasserin zurückzuführenden
Einkommensteuerverbindlichkeiten rechtsfehlerhaft nicht als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt worden sind.
5. Eine materielle Rechtswidrigkeit durch Nichterfassung einzelner Besteuerungsgrundlagen macht einen Steuerbescheid nicht
nichtig.
Fundstelle(n): EFG 2020 S. 337 Nr. 5 ErbStB 2020 S. 97 Nr. 4 UAAAH-42277
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FG Baden-Württemberg, Urteil v. 06.11.2019 - 7 K 940/18
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