Online-Nachricht - Freitag, 24.01.2020

Einkommensteuer | Keine kumulative Steuerbefreiung für Ortsvorsteher und Ortschaftsräte (FG)

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 EStG für die von einer Gemeinde bezahlten Aufwandsentschädigungen kann nicht kumulativ in Anspruch genommen werden, wenn der Ortsvorsteher zugleich Mitglied des Ortschaftsrats ist (, rkr.).

Hintergrund: Steuerfrei sind u.a. Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen, § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG.

Sachverhalt: Die Klägerin Kauffrau. In den Streitjahren 2015 und 2016 war sie Mitglied im Ortschaftsrat von X. Dort hatte sie zugleich das Amt der Ortsvorsteherin inne. Mit ihrer Klage begehrt sie, ihr neben dem Freibetrag für die Tätigkeit als Ortsvorsteherin auch den als Ortschaftsrätin zu gewähren.

Das FG Baden-Württemberg wies die Klage ab:

  • Eine über den Betrag der steuerfrei gewährten Aufwandsentschädigung für Ortsvorsteher in Höhe von 2.496 € hinausgehende Steuerfreiheit kann weder aus dem Erlass des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg vom - 3-S233.7/3 (Entschädigungen an ehrenamtliche Mitglieder kommunaler Vertretungen und an ehrenamtliche Ortsvorsteher ab 2013) - MFW-Erlass - noch aus § 3 Nr. 12 EStG abgeleitet werden.

  • Über die Reichweite der Steuerbefreiung für Bezüge aus öffentlichen Kassen ist im Fall der Klägerin nach Maßgabe des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zu entscheiden. Im Hinblick darauf besteht in Gestalt des MFW-Erlasses eine das Gesetz konkretisierende Verwaltungsvorschrift.

  • Nach dem ab dem Jahr 2013 anwendbaren MFW-Erlass sind pauschale Entschädigungen und Sitzungsgelder steuerfrei, soweit sie jährlich 2.400 € nicht übersteigen. Bei ehrenamtlichen Ortsvorstehern beträgt der Steuerfreibetrag jährlich 2.496 €.

  • Zur Frage, ob die Steuerbefreiungen kumulativ zu gewähren sind, sind das FinMin Baden-Württemberg und die OFD Karlsruhe zu dem Ergebnis gelangt, dass der MFW-Erlass in der hier gegebenen Fallkonstellation nicht die von den Klägern begehrte kumulative Steuerbefreiung eröffnet.

  • An diese Auslegung ist das Finanzgericht gebunden. Für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift wie die des MFW-Erlasses ist nicht maßgeblich, wie das Gericht sie verstehe, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen will.

  • Auch § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG bietet keine Rechtfertigung, dem Begehren ganz oder teilweise stattzugeben.

  • Die Prüfung, ob die Entschädigungen den Aufwand des Empfängers i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht offenbar übersteigen, erstreckt sich nicht darauf, welche Aufwendungen dem einzelnen Steuerpflichtigen erwachsen sind, sondern darauf, ob Personen in gleicher dienstlicher Stellung im Durchschnitt der Jahre Aufwendungen etwa in Höhe der Aufwandsentschädigung erwachsen.

  • Soweit die Klägerin einen zusätzlichen jährlichen Freibetrag für eine Ortsvorsteherin mit „Doppelfunktion“ geltend macht, die zugleich Mitglied im Ortschaftsrat ist, würde eine zusätzlich zur Ortsvorsteher-Entschädigung pauschal gewährte Aufwandsentschädigung für die Mitgliedschaft im Ortschaftsrat zu einem offenbaren Übersteigen des dem Empfänger erwachsenden Aufwands führen.

  • Im Rahmen der maßgeblichen generellen Betrachtung ist nicht erkennbar, dass bei einem Ortsvorsteher nur deshalb, weil er zugleich Mitglied im Ortschaftsrat ist, typischerweise zusätzliche Aufwendungen anfallen, die als abzugsfähige Betriebsausgaben oder Werbungskosten Anerkennung finden können.

  • Ganz im Gegenteil ist festzustellen, dass die typischen Ortsvorsteher-Aufwendungen im Regelfall sämtliche typischen Ortschaftsratsmitglied-Aufwendungen in vollem Umfang einschließen. Die typischen Aufwendungen eines Ortschaftsratsmitglieds sind allesamt typische Aufwendungen einer Ortsvorsteherin mit Doppelfunktion

  • Darüber hinaus hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass von ihr in einem der beiden Streitjahre tatsächliche Betriebsausgaben als Ortschaftsrätin aufgewendet worden sind, die nicht bereits in vollem Umfang im Rahmen des um 456 € höheren Freibetrags für das Amt als Ortsvorsteherin Berücksichtigung gefunden hätten.

  • Ebenso wenig hat die Klägerin nachgewiesen, dass die tatsächlichen Werbungskosten aufgrund ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Ortsvorsteherin in einem Jahr mehr als 2.496 € betragen haben.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2020

Fundstelle(n):
NWB KAAAH-40695