Online-Nachricht - Donnerstag, 05.12.2019

Umsatzsteuer | Belegnachweis und Unternehmereigenschaft bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (BFH)

Steht aufgrund einer Beweiserhebung fest, dass die gelieferten Fahrzeuge zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet wurden, kann dies nicht durch die Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt werden. Darüber hinaus kann der sich aus der USt-IdNr. ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift widerlegt werden (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine GmbH, lieferte im Streitjahr 2007 drei PKW in das übrige Gemeinschaftsgebiet. Käufer war die Firma N, eine GmbH nach slowakischem Recht, mit Sitz in der Slowakei.

Der Klägerin lagen ein Handelsregisterauszug und eine bestätigte Abfrage der USt-IdNr. der N vor. Geschäftsführer der N war der in Ungarn ansässige A.MN. Auf ihrem Briefpapier gab die Firma N eine Telefon- und eine Telefaxnummer mit jeweils ungarischer Vorwahl an. Die Klägerin nahm für die drei Fahrzeuglieferungen die Steuerfreiheit nach § 6a UStG in Anspruch.

Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Firma N um eine Scheinfirma gehandelt habe. Sie habe zur Durchschleusung der Fahrzeuge gedient. Trotz der ihr erteilten USt-IdNr. habe es sich um ein Scheinunternehmen gehandelt. Am Sitzort der N sei nur ein Buchhaltungsbüro tätig gewesen, das die Post entgegengenommen habe. Es habe aber keinen Lagerplatz für Fahrzeuge gegeben. Die slowakische Finanzbehörde habe die Unternehmereigenschaft am rechtskräftig versagt. Es habe an der erforderlichen wirtschaftlichen, aktiven Geschäftstätigkeit im Gründungsstaat gefehlt. Im Anschluss hieran ging das FA davon aus, dass die Lieferungen steuerpflichtig seien. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg, obwohl u.a. ein Zeuge in der mündlichen Verhandlung ausgesagt hatte, dass er die Fahrzeuge zum angegebenen Bestimmungsort in die Slowakei befördert habe.

Der BFH hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Sache an das FG zurück:

  • Das FG ist zu Unrecht vom fehlenden Nachweis einer Versendung in die Slowakische Republik ausgegangen.

  • Hat das FG - wie im Streitfall - eine Beweiserhebung durchgeführt, bei der sich aus einer Zeugeneinvernahme eindeutig die Versendung zum angegebenen Bestimmungsort ergibt, muss es dieses Beweisergebnis seinem Urteil zugrunde legen. Anders ist es nur, wenn es die Zeugenaussage als nicht glaubhaft ansieht.

  • Zudem kann der sich aus der USt-IdNr. der Firma N ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift widerlegt werden.

  • Der BFH hat bereits nach Vorabentscheidung durch den und C-375/16, "Geissel und Butin" entschieden, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist und dass jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift ausreicht, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist (, BStBl II 2018, 809, Leitsätze 1 und 2).

  • Hieraus folgt, dass die Angabe einer bloßen Briefkastenanschrift mit postalischer Erreichbarkeit für sich allein nicht zur Annahme einer fehlenden Unternehmereigenschaft berechtigt (, BStBl II 2018, 806, Rz. 31).

  • Dementsprechend rechtfertigt auch bei der innergemeinschaftlichen Lieferung die bloße Angabe einer Briefkastenanschrift nicht den Schluss auf eine fehlende Unternehmereigenschaft des Abnehmers.

  • Das FG wird nun im zweiten Rechtsgang u.a. klären müssen, ob es sich trotz der vorliegenden schriftlichen Kaufverträge mit der N um Scheingeschäfte gehandelt hat, die Lieferbeziehungen zu anderen Abnehmern verdecken sollten. Hierfür könnten die Umstände der Geschäftsanbahnung und der Kaufpreiszahlung sprechen, aufgrund derer das FG die Unternehmerstellung der N und einen der Klägerin zu gewährenden Gutglaubensschutz verneint hat.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter am BFH:

Der BFH hat im Urteil vom - V R 14/14, BStBl II 2015, 912 entschieden, dass der Unternehmer den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Tatbestandsmerkmale einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen führen darf, was nichts anderes heißt, als dass das FG über diese Merkmale keinen Zeugenbeweis erheben muss.

Das Urteil V R 14/14 hat der BFH nun noch einmal bestätigt, aber zugleich klargestellt, dass das FG, wenn es denn tatsächlich eine Beweiserhebung durchgeführt hat, bei der sich aus einer Zeugeneinvernahme eindeutig die Versendung zum angegebenen Bestimmungsort ergibt, dieses Beweisergebnis seinem Urteil auch zugrunde legen muss, es sei denn, es sieht die Zeugenaussage als nicht glaubhaft an.

Darüber hinaus hat der BFH die Grundsätze des EuGH-Urteils Geissel und Butin C 374/16 und C 375/16, wonach für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung die Angabe einer Briefkastenanschrift ausreicht, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist, auf die innergemeinschaftliche Lieferung übertragen. D.h., auch bei der innergemeinschaftlichen Lieferung rechtfertigt die bloße Angabe einer Briefkastenanschrift nicht den Schluss auf eine fehlende Unternehmereigenschaft des Abnehmers.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB GAAAH-36934