Online-Nachricht - Donnerstag, 24.10.2019

Lohnsteuer | Änderung der Rechtsprechung im Bereich Lohnsteuerpauschalierung (BFH)

Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn bspw. i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG oder des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG ist derjenige Lohn, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt. Zusätzlicher Arbeitslohn liegt vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat (Änderung der Rechtsprechung: ; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG kann der Arbeitgeber abweichend von Abs. 1 die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, soweit er den Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Internetnutzung zahlt.

Für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Zuschüsse u.a. zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 15 % erheben, soweit diese Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als WK geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden.

Für beide Vorschriften ist die Abgrenzung zwischen zusätzlichem und ohnehin geschuldetem Arbeitslohn entscheidend.

Sachverhalt: Der Kläger hatte im Jahr 2011 mit seinen unbefristet angestellten Arbeitnehmern neue Lohnvereinbarungen getroffen und sich darin verpflichtet, einen Zuschuss für die Nutzung des Internets und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu leisten. Der Zuschuss sollte nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt fallen. Der Bruttoarbeitslohn wurde zugleich jeweils um den Zuschussbetrag reduziert. Im Jahr 2014 traf der Kläger mit seinen Arbeitnehmern eine Änderungsvereinbarung, wonach die Zuschüsse rein freiwillig geleistet wurden.

Das beklagte FA vertrat die Auffassung, dass die vom Kläger für die geleisteten Zuschüsse durchgeführte Lohnsteuerpauschalierung zu Unrecht erfolgt sei und erließ einen Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheid. Eine Pauschalierung komme nur dann in Betracht, wenn die Zuschüsse zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt würden. Im Streitfall lägen hingegen schädliche Gehaltsumwandlungen vor. Im anschließenden Klageverfahren entschied das FG Düsseldorf zugunsten der Finanzverwaltung (, s. hierzu unsere online-Nachricht).

Der BFH hob das Urteil des FG auf gab der Klage statt:

  • Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn ist derjenige, den der Arbeitnehmer verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erhält.

  • Es kommt nicht mehr darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den fraglichen Lohnbestandteil arbeitsrechtlich einen Anspruch hat (Änderung der Rechtsprechung: zuvor war ein verbindlicher Rechtsanspruch auf den Arbeitslohn gefordert).

  • Dafür spricht, dass sich Freiwilligkeit und Zusätzlichkeit nicht gegenseitig ausschließen, so dass auch arbeitsrechtlich geschuldete Leistungen als zusätzliche Leistungen zu qualifizieren sein können.

  • Die streitgegenständlichen Vorschriften dienen der Verwaltungsvereinfachung und lassen daher nach Sinn und Zweck nicht darauf schließen, dass die rechtliche Verbindlichkeit der fraglichen Lohnbestandteile entscheidend für die Besteuerung ist.

  • Das Zusätzlichkeitserfordernis ist auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen (Zuflussprinzip).

  • Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel ist nicht begünstigungsschädlich. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen. Diese treten nunmehr zum Zahlungszeitpunkt zum ohnehin nur noch in geminderter Höhe geschuldeten Lohn hinzu und werden somit "zusätzlich" zu diesem erbracht.

  • Dass der Lohnverzicht für andere Ansprüche, wie z.B. zukünftige Lohnerhöhungen, gesetzliche Abfindungsansprüche, ggf. Urlaubs– oder Weihnachtsgeld, nicht gilt, sondern diese mithilfe eines Schattenlohns auf Grundlage des bisherigen Bruttoarbeitslohns berechnet werden, ist unschädlich.

  • Im Ergebnis wurde die Pauschalierung der Lohnsteuer daher zu Unrecht versagt.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter am BFH:

Die Bedeutung der Entscheidung liegt weniger in dem leitsatzprägenden Abschied des BFH vom sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt. Denn die Finanzbehörden haben die dahingehende Rechtsprechung des BFH ohnehin nicht mitgetragen, sondern zugunsten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern mit einem Nichtanwendungserlass belegt (,BStBl I 2013, 728).

Besondere Beachtung verdient die Entscheidung vielmehr deshalb, weil der BFH in seinem Urteil verdeutlicht hat, dass ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel („Gehaltsumwandlung“) entgegen der Auffassung der Finanzbehörden () nicht begünstigungsschädlich ist. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können den Arbeitslohn vielmehr für künftige Lohnzahlungszeiträume herabsetzen und diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen („Mehr Netto vom Brutto“).

Durch die bloße Anrechnung solcher Zusatzleistungen auf den (unverändert) vereinbarten Arbeitslohn lässt sich eine optimierte Berechnung der Lohnsteuern (und Sozialversicherungsbeiträge) jedoch nicht erreichen. Insbesondere ist es dem Arbeitgeber verwehrt einseitig, d.h. ohne Vertragsveränderung, eine im Hinblick auf die vorhandenen Begünstigungstatbestände optimierte Berechnung der Lohnsteuer zu bewirken (Anrechnungsverbot). Entsprechendes gilt wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer anlässlich des Lohnformenwechsels vereinbaren, dass bei Wegfall der Zusatzleistung der „Lohnverzicht“ des Arbeitnehmers durch eine Gehaltserhöhung ausgeglichen wird.

Folglich ist ein Lohnformenwechsel nicht ohne wirtschaftliches Risiko für den Arbeitnehmer. Denn ein solcher ist nur steuerwirksam, wenn der Arbeitnehmer bei Verlust der verwendungsgebundenen, steuerbegünstigten Zusatzleistung, etwa weil das betreute Kind in die Schulpflicht hineingewachsen ist (§ 3 Nr. 33 EStG), auf den seinerzeit geminderten (Ohnehin)Lohn zurück fällt. Allerdings kann dieser Gehaltsverlust durch die erneute Vereinbarung einer Zusatzleistung wettgemacht werden.

Quelle: ; NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
NWB SAAAH-33440