Online-Nachricht - Mittwoch, 15.05.2019

Verfahrensrecht | Widerstreitende Steuerfestsetzungen mit DBA-Bezug (BFH)

Ein Widerstreit zwischen einem inländischen und einem ausländischen Steuerbescheid liegt nicht vor, wenn derselbe Sachverhalt im Ausland bei der Bemessungsgrundlage für die Steuer und im Inland im Rahmen des Progressionsvorbehalts hätte berücksichtigt werden können (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO).

Sachverhalt: Die Klägerin ist die Erbin ihres im April 2017 verstorbenen Ehemannes (M). M war Miterbe seiner zuvor verstorbenen Schwester, der Erblasserin (E). E war Schweizer Staatsangehörige und in der Schweiz wohnhaft. Zum Nachlass gehörten u.a. zwei in der Schweiz gelegene Grundstücke. Die Schweiz setzte gegenüber M Erbschaftsteuer fest.

Im März 2011 reichte M eine Erbschaftsteuererklärung ein. Das FA setzte gegenüber M Erbschaftsteuer in Höhe von rund 60.000 € fest. Die in der Schweiz festgesetzte und gezahlte Erbschaftsteuer rechnete das FA nach § 21 ErbStG VZ 2009 an. Gegen den Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt.

Im September 2011 beantragte M eine Herabsetzung der festgesetzten Steuer. Er stützte seinen Antrag auf § 174 Abs. 1 AO und machte geltend, nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA Schweiz stelle Deutschland in der Schweiz gelegenes Grundvermögen von der Steuer frei, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes schweizerischer Staatsangehöriger gewesen sei.

Das FA lehnte die begehrte Änderung des Steuerbescheids mit der Begründung ab, es fehle an einer verfahrensrechtlichen Änderungsvorschrift. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg.

Der BFH dagegen wies die Klage ab:

  • Ein Widerstreit i.S. des § 174 Abs. 1 Satz 1 AO liegt im Streitfall nicht vor.

  • Die schweizerische Finanzbehörde konnte zwar den Grundstückserwerb von Todes wegen besteuern und dafür den Wert der Grundstücke als Bemessungsgrundlage heranziehen.

  • Zugleich war der Erwerb der Grundstücke auf der Grundlage des DBA-Schweiz i.V.m. § 19 Abs. 2 ErbStG bei der Festsetzung der Steuer für den übrigen in Deutschland steuerbaren Nachlass im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.

  • Damit war die mehrfache Erfassung des Sachverhalts nicht ausgeschlossen.

  • Der Progressionsvorbehalt gehört zur abkommensrechtlichen Verteilung der Besteuerungskompetenzen und darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.

  • Nicht entscheidungserheblich ist, dass das FA die Grundstücke zu Unrecht in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer eingestellt und die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Steuer nach § 21 ErbStG vermieden hat. § 174 Abs. 1 Satz 1 AO dient nicht der Festsetzung der materiell richtigen Steuer, sondern der Vermeidung eines denklogischen Widerstreits der mehrfachen Berücksichtigung eines steuerbaren Sachverhalts.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB YAAAH-14779