BGH Beschluss v. - XII ZB 188/18

Ablehnung der Aufhebung der Betreuung: Beginn der Beschwerdefrist für den die Aufhebung begehrenden Betroffenen

Leitsatz

In einer Betreuungssache wird die Beschwerdefrist für einen Betroffenen, der die Aufhebung einer bestehenden Betreuung begehrt, nur dann in Lauf gesetzt, wenn der Beschluss, mit dem die Aufhebung der Betreuung abgelehnt wird, wirksam an den Betroffenen selbst förmlich zugestellt wurde (im Anschluss an Senatsbeschluss vom , XII ZB 411/12, FamRZ 2013, 1566).

Gesetze: § 15 Abs 2 FamFG, § 41 Abs 1 S 2 FamFG, § 63 Abs 3 FamFG

Instanzenzug: LG Deggendorf Az: 13 T 38/18vorgehend AG Deggendorf Az: XVII 402/17

Gründe

I.

1Für die Betroffene wurde mit Beschluss vom eine umfassende Betreuung eingerichtet. Mit Schreiben vom hat die Betroffene die "Kündigung" der Betreuung erklärt.

2Das Amtsgericht hat dieses Schreiben als Antrag auf Aufhebung der Betreuung gewertet und ihn mit Beschluss vom zurückgewiesen, der der Betroffenen noch am selben Tag formlos bekanntgegeben worden ist.

3Mit einem am beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom hat die Betroffene selbst und durch die von ihr bevollmächtigten Eltern Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt.

4Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen verworfen. Hiergegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.

II.

5Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen zu Unrecht wegen Nichteinhaltung der Beschwerdeeinlegungsfrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) verworfen.

61. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

7Die Beschwerde sei zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden sei. Der amtsgerichtliche Beschluss gelte gegenüber der Betroffenen gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG drei Tage nach der am erfolgten Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Deshalb sei die am eingegangene Beschwerde verfristet. Ob die gesonderte Bekanntgabe der Entscheidung an die Eltern für diese eine eigenständige Beschwerdefrist in Gang gesetzt habe, könne dahinstehen. Die Eltern seien selbst nicht nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt, weil sie im ersten Rechtszug nicht beteiligt worden seien.

82. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

9a) Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde innerhalb einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten (§ 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Die Bekanntgabe kann durch Zustellung nach den §§ 166 bis 195 ZPO oder dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Welche der beiden Möglichkeiten der Bekanntgabe das Gericht wählt, liegt grundsätzlich in dessen pflichtgemäßem Ermessen.

10Eine Wahlmöglichkeit besteht allerdings nicht, wenn spezielle gesetzliche Regelungen eine bestimmte Form vorschreiben. So ist nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht. Deshalb wird in einer Betreuungssache die Beschwerdefrist für einen Betroffenen, der mit der Einrichtung der Betreuung nicht einverstanden ist, nur dann in Lauf gesetzt, wenn der Beschluss über die Betreuerbestellung wirksam an ihn selbst zugestellt wurde (Senatsbeschluss vom - XII ZB 411/12 - FamRZ 2013, 1566 Rn. 8 mwN).

11b) Danach hätte im vorliegenden Fall der amtsgerichtliche Beschluss der Betroffenen förmlich zugestellt werden müssen, weil er mit der Beschwerde nach § 58 FamFG anfechtbar war und dem erklärten Willen der Betroffenen, die die Aufhebung der Betreuung erreichen wollte, widersprach. Das Unterbleiben einer gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb die Beschwerdefrist im vorliegenden Fall nicht nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG zu laufen begonnen hat (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 491/14 - FamRZ 2015, 1374 Rn. 7 mwN).

123. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:241018BXIIZB188.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2018 S. 8 Nr. 51
TAAAH-00149