OFD Karlsruhe - S 1445 - St 422

Datenzugriff gemäß § 147 Absatz 6 AO; hier: Urteil des

(Ergänzung der

Bezug:

Der BFH hat mit dem o. g. Urteil vom entschieden, dass die Finanzverwaltung im Rahmen einer Außenprüfung die Herausgabe digitalisierter Steuerdaten zur Speicherung und Auswertung auf mobilen Rechnern der Prüferinnern und Prüfer nur verlangen kann, wenn Datenzugriff und -auswertung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen/der Steuerpflichtigen oder in den Diensträumen der Finanzverwaltung stattfinden.

Des Weiteren sei eine Speicherung von Daten über den tatsächlichen Abschluss der Prüfung hinaus durch § 147 Absatz 6 Satz 2 AO nur gedeckt, soweit und solange die Daten noch für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (z. B. bis zum Abschluss etwaiger Rechtsbehelfsverfahren) benötigt werden.

Im Rahmen eines Klimagesprächs mit dem BFH erörterte das BMF das o. g. BFH-Urteil mit dem Ergebnis, dass der BFH eine Veröffentlichung dieses Urteils im Bundessteuerblatt nicht anmahnen wird. Eine Veröffentlichung ist nicht mehr vorgesehen. Das BMF vertritt folgende Rechtsauffassung ():

Nach Auffassung des BMF ist das Urteil des BFH dahingehend auszulegen, dass die Daten, die im Rahmen einer Außenprüfung in digitaler Form überlassen wurden, für den Zeitraum der Prüfung auf dem Notebook der Prüferin/des Prüfers verbleiben dürfen. Dies gilt auch z. B. für Fahrten zwischen Wohnung und Amtsstelle außerhalb der Dienstzeit in einem privaten PKW und in einer Wohnung bzw. im Privatbereich, sofern an diesen Orten die Daten nicht erhoben bzw. verarbeitet werden.

§ 200 Absatz 2 Satz 1 AO i. V. m. § 6 BpO 2000 steht einer Außenprüfung am Heimarbeitsplatz nicht entgegen. Ist ein geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden und kann die Außenprüfung nicht in den Wohnräumen der/des Steuerpflichtigen stattfinden, ist an Amtsstelle zu prüfen (§ 200 Abs. 2 AO). § 6 Satz 3 BpO 2000 enthält eine Ausnahmeregelung: Ein anderer Prüfungsort kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Durch die Genehmigung des Finanzamtes, wonach die Prüferin/der Prüfer Außenprüferaufgaben oder prüfungsbegleitende Tätigkeiten in der eigenen Wohnung am Heimarbeitsplatz verrichten darf, wird der Heimarbeitsplatz den Diensträumen des Finanzamtes gleichgestellt – in Verbindung mit der Erklärung zum Steuergeheimnis und zum Datenschutz.

Bei mehreren Prüfungen, die parallel vorgenommen werden und noch nicht abgeschlossen sind, sind Daten fremder Prüfungen in Geschäftsräumen anderer einer Außenprüfung unterworfener Steuerpflichtiger zulässig, sofern an diesen Orten die Daten fremder Prüfungen nicht erhoben bzw. verarbeitet werden.

Des Weiteren bittet das Bp-Referat der OFD Karlsruhe um die Beachtung der drei folgenden Punkte:

1.) Prüfungsanordnung

Die Anordnung zur Überlassung eines digitalen Datenträgers gehört nicht zum zwingenden Inhalt einer Prüfungsanordnung, § 5 Absatz 3 Satz 2 BpO. Im Unterschied zur Prüfungsanordnung ist für die Aufforderung zur Überlassung eines digitalen Datenträgers keine Schriftform vorgesehen, weshalb diese auch mündlich erfolgen kann. Abgesehen von der bundeseinheitlichen Rechtsbehelfsbelehrung muss die Prüfungsanordnung zum Datenzugriff auch keine Ausführungen enthalten. In den Fällen, in denen die Finanzbehörde eine schriftliche Anordnung zur Überlassung eines digitalen Datenträgers für erforderlich hält, kann sie diese mit der Prüfungsanordnung verbinden.

Um allerdings Einsprüche gegen Prüfungsanordnungen zu vermeiden (vgl. a. a. O.), empfiehlt das Bp Referat der OFD Karlsruhe, die Prüfungsanordnung und, falls erforderlich, die Anordnung zur Überlassung digitaler Datenträger in gesonderten Schreiben an den zu prüfenden Betrieb zu verfassen.

Den entsprechenden Vordruck S 1 – 409 „Anforderung Datenträger” hat die OFD im TVS-Explorer unter dem Pfad „Formulare” -> „Bp-Vorlagen” -> „Prüfungsvorbereitung” bereits eingestellt. Aus Gründen der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit dieser Verfügung lege ich diesen Vordruck als Anlage zu dieser Verfügung bei.

Einsprüche gegen Prüfungsanordnungen oder Anordnungen zur Überlassung eines digitalen Datenträgers, die sich auf das oben genannte Urteil beziehen, sind dem Bp-Referat der OFD Karlsruhe zu melden (vgl. TOP 7 BpHSGL 2015).

2.) Anforderung des Datenträgers

Die Verpflichtung zur Überlassung eines Datenträgers ergibt sich aus den Mitwirkungspflichten gemäß § 200 Absatz 1 Satz 2 AO i. V. m. § 147 Absatz 6 Satz 2 AO. Diese Mitwirkungspflichten entstehen erst mit dem in der Regel in der Prüfungsanordnung als Beginn der Prüfung genannten Termin. Daher besteht kein Rechtsanspruch auf Überlassung des Datenträgers vor diesem Termin. Erfolgt diese Überlassung dennoch vor dem in der Prüfungsanordnung bestimmten Termin, geschieht dies auf rein freiwilliger Basis ohne jedwede rechtliche Verpflichtung. Sollte der/die Steuerpflichtige die Herausgabe des Datenträgers vor Prüfungsbeginn verweigern, kann dies deswegen nicht sanktioniert werden.

Der Vorteil einer Datenträger-Überlassung vor Prüfungsbeginn besteht darin, dass an Amtsstelle durch die Auswertung der Daten eine qualifiziertere Prüfungsvorbereitung vorgenommen werden kann. Hierdurch wird die Dauer der Prüfung im Betrieb verkürzt und der/die Steuerpflichtige entlastet.

Mit Blick auf die o. g. Effizienz können die Prüferinnen und Prüfer daher einen Datenträger mündlich anfordern. In Ausnahmefällen können die Prüferinnen und Prüfer den in Tz. 1 genannten Vordruck verwenden – verbunden mit dem Hinweis auf die o. g. Freiwilligkeit.

Der Beginn der Prüfung ist bedeutsam für die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO. Deshalb ist Folgendes zu beachten:

Bei einer Datenträgerüberlassung beginnt die Prüfung spätestens mit der Auswertung der Daten (vgl. AEAO zu § 198 Nr. 1). Zeitlich sollte dies allerdings nicht vor dem in der Prüfungsanordnung festgelegten Prüfungsbeginn liegen.

In verjährungsbedrohten Fällen ist deshalb von der Anforderung eines Datenträgers vor Prüfungsbeginn aus Gründen der Rechtssicherheit tunlichst abzusehen.

3.) Datenlöschung

Die im Rahmen einer Außenprüfung erhobenen Daten und verarbeiteten Daten sind solange aufzubewahren, bis sie nicht mehr benötigt werden (Bestandskraft).

Auf den Notebooks dürfen ausschließlich steuerliche Daten zu den aktuell von der Prüferin und dem Prüfer zu bearbeitenden Steuerfällen vorgehalten werden. Daten von abgeschlossenen und bestandskräftigen Fällen sind zu löschen. Hierunter fallen auch die extrahierten Daten, die durch andere Programme weiterverarbeitet wurden (beispielsweise Tageseinnahmen, die durch Kalkulationsvorlagen ausgewertet und aufbereitet wurden).

Die Pflicht zur Löschung von personenbezogenen Daten, die für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind, folgt nunmehr aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. a sowie Artikel 5 Absatz 1 Buchst. e Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Vorliegend werden die fraglichen Daten für die Zwecke der Außenprüfung/Steuerfestsetzung erhoben. Nach Eintritt der Bestandskraft werden sie für die Zwecke der Außenprüfung nicht länger benötigt.

Somit gilt nach wie vor, dass die im Rahmen einer Außenprüfung erhobenen Daten und verarbeiteten Daten solange aufzubewahren sind, bis sie nicht mehr benötigt werden (Bestandskraft).

Daher haben die Prüferinnen und Prüfer einmal pro Halbjahr ihrer Sachgebietsleiterin/ihrem Sachgebietsleiter eine Auflistung der in BpAEURO angelegten aktuellen Fälle vorzulegen und dort zu bestätigen, dass diese Fälle noch nicht abschließend bearbeitet sind bzw. derzeit noch keine Bestandskraft für die aufgrund der Prüfung erlassenen Änderungsbescheide eingetreten ist.

Der diesbezügliche Vordruck „Fall-L-BpAE” ist im TVS-Explorer unter dem folgenden Pfad eingestellt: „Formulare” -> „Allgemeine Vorlagen” -> „Brief, Fax usw.” -> Vordruck „Fall-L-BpAE”. Auch hier lege ich aus Gründen der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit dieser Verfügung den o. g. Vordruck in der Anlage zu dieser Verfügung bei.

Mit Blick auf das o. g. Urteil des bitte ich insbesondere auf die halbjährliche Überprüfung der Löschungsfähigkeit der Daten zu achten, indem zum Beispiel feste Vorlagetermine der Prüfer mit dem Sachgebietsleiter betreffend des o. g. Vordrucks vereinbart werden – so zum Beispiel der 30. Juni und der 31. Dezember eines jeden Jahres.

Zur Vermeidung personalaufwändiger Ermittlungen zum Eintritt der Bestandskraft, wird diese nach Ablauf von sechs Monaten nach Fertigung und Abgabe des Prüfberichts unterstellt, soweit nicht zwischenzeitlich Einspruch gegen die Steueränderungsbescheide eingelegt worden ist.

4.) Datenlöschung im Fall von Steuerstraf- und Bußgeldverfahren

Die grundsätzliche Zulässigkeit der Weiterverarbeitung der Daten folgt aus § 29c Abs. 1 Nr. 1/Abs. 2 AO. In diesem Fall der Weiterverarbeitung liegt eine Verarbeitung für Zwecke des Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens vor. Die Pflicht zur Löschung kann damit frühestens dann eintreten, wenn die Daten für diese Zwecke nicht länger benötigt werden.

Ein Vorhalten der Daten auf dem Prüfer-Notebook widerspricht aber dem o. g. und ist auch nicht durch die Auffassung des BMF gedeckt.

Daher bietet sich hier die Speicherung der erforderlichen Daten auf einem Datenträger an, den der Prüfer/die Prüferin nach Absprache mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle (StraBu) entweder an Amtsstelle verwahrt oder der StraBu überlässt. Die Datenlöschung ist bezogen auf den Zweck des Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens durch die StraBu zu veranlassen; in Zweifelsfällen ist mit dieser hierzu Rücksprache zu halten.

5.) Speicherung auf einen Datenträger

Im Rahmen der Erstellung der Bp-Berichtsakte und Bp-Handakte führt der Prüfer seine Arbeitsunterlagen wie z. B. den im Rahmen der DatenträgerÜberlassung erhaltenen Datenträger den Bp-Handakten zu. Dies dient im Sinne von § 29b Abs. 1/Abs. 2 AO der Erfüllung der Aufgaben der Steuerverwaltung. Die fallbezogenen, aufgrund der o. g. Prüfungsvorbereitung, -durchführung und -nachbereitung erarbeiteten Daten speichert er auf einen Datenträger (CD oder DVD) und fügt diesen ebenso der Bp-Handakte bei.

Die Bp-Handakten sind für einen Zeitraum von 10 Jahren aufzubewahren. Hiervon ist sowohl die Aufbewahrung in Papierform als auch in Form elektronischer Daten erfasst.

Im Fall der Anschlussprüfung dient das Aufspielen der Daten auf den Rechner des Folge-Prüfers oder der Folge-Prüferin der Erfüllung der Aufgaben der Steuerverwaltung und ist daher von § 29c Absatz 1 Nr. 1/Abs. 2 AO gedeckt.

Ich bitte, diese Verfügung entsprechend dem Verteiler S 30 bekanntzugeben und der EDV-Hauptsachgebietsleiterin/dem EDV-Hauptsachgebietsleiter und der EDV-Hauptsachbearbeiterin/dem EDV-Hauptsachbearbeiter je eine Ausfertigung dieser Verfügung zuzuleiten.

Diese Verfügung wird den Finanzämtern elektronisch an die jeweiligen Poststellen bekanntgegeben und in FAIR eingestellt. Eine Übersendung in Papierform erfolgt nicht.

Anlagen:

Auflistung der in BpA-EURO angelegten aktuellen Fälle
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Betriebsprüfung - Anforderung Datenträger
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OFD Karlsruhe v. - S 1445 - St 422

Fundstelle(n):
XAAAG-98867