OFD Karlsruhe - S 7107

Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 3 UStG

1. Bisherige Rechtslage

Nach § 2 Abs. 3 UStG in der am geltenden Fassung ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts (jPöR) Unternehmer, wenn sie einen Betrieb gewerblicher Art. i. S. des § 4 KStG oder einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhält. Im Umkehrschluss ist die Unternehmereigenschaft der jPöR nicht gegeben, wenn sie hoheitlich oder vermögensverwaltend tätig ist bzw. ihre Umsätze die Gewichtigkeitsgrenze des R 4.1 Abs. 5 KStR 2010 von 30.678 € (ab 2015 von 35.000 €) nicht überschreiten.

Diese Grundsätze gelten für vor dem bzw. – sofern die jPöR eine entsprechende Erklärung abgegeben hat – für vor dem ausgeführte Leistungen (§ 27 Abs. 22 UStG).

2. Rechtsprechung des BFH

Nach der Rechtsprechung des BFH ist § 2 Abs. 3 UStG unter Berücksichtigung von Art. 9 und 13 MwStSystRL richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass jede nachhaltige gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage die Unternehmereigenschaft der jPöR begründet (, DStR 2009, 2308). Gleiches gilt bei Tätigkeiten auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, sofern eine Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (, DStR 2012, 348).

3. Berufung auf die Rechtsprechung des BFH

Bis zur Neuregelung der Besteuerung von jPöR durch § 2b UStG gewährte die Finanzverwaltung diesen das Recht, sich – entgegen dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 UStG – einheitlich für das gesamte Unternehmen auf die o. g. Rechtsprechung des BFH zu berufen und ihre Umsätze der Besteuerung zu unterwerfen. Hat die jPöR von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht, konnte sie dennoch eine Optionserklärung gem. § 27 Abs. 22 UStG mit der Wirkung abgeben, dass für sie ab dem § 2 Abs. 3 UStG bis längstens anzuwenden ist ( BStBl I, 481).

Nach einem Beschluss der Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder kann eine jPöR, die ihre Umsätze bis zum Übergang der Besteuerung nach § 2b UStG unter Berufung auf die o. g. BFH-Rechtsprechung der Umsatzsteuer unterwirft, wieder (und zwar auch rückwirkend für alle verfahrensrechtlich noch änderbaren Veranlagungszeiträume) zur Nichtbesteuerung aufgrund der Verwaltungsauffassung zurückkehren.


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Zeitraum
bis
 – 
ab
Grundsatz
Bisherige Besteuerungssystematik (§ 2 Abs. 3 UStG in der am geltenden Fassung)
Gesetzliche Neuregelung
(§ 2b UStG)
Gesetzliche
Neuregelung
(§ 2b UStG)
Optional
Eine Berufung auf die unionsrechtskonforme Auslegung des BFH zu § 2 Abs. 3 UStG ist bei einheitlicher Anwendung für das gesamte Unternehmen möglich.
Weiterführung der bisherigen Besteuerungssystematik des § 2 Abs. 3 UStG in der am geltenden Fassung (§ 27 Abs. 22 UStG).
Die Besteuerung erfolgt grundsätzlich nach der Verwaltungsauffassung.
Eine Berufung auf die unionsrechtskonforme Auslegung des BFH zu § 2 Abs. 3 UStG ist bei einheitlicher Anwendung für das gesamte Unternehmen jedoch möglich.
………

4. Vorsteuerabzug

Sofern die jPöR unter Berufung auf die o. g. BFH-Rechtsprechung ihre Umsätze versteuert, steht ihr unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug aus damit in Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen zu. Begehrt die jPöR rückwirkend die Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG in der Auslegung durch die Finanzverwaltung, führt dies nicht nur zum Wegfall der Umsatzbesteuerung, sondern auch zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs im Jahr des Leistungsbezugs.

OFD Karlsruhe v. - S 7107

Fundstelle(n):
DB 2018 S. 2149 Nr. 36
UStB 2018 S. 327 Nr. 11
BAAAG-94168